Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Sicherheitspolizeigesetz, zunächst gegen das Vagabundenthum (vagrancy) Dieß sind die Grundverhältnisse des Armenschulwesens Englands. Sicherheitspolizeigeſetz, zunächſt gegen das Vagabundenthum (vagrancy) Dieß ſind die Grundverhältniſſe des Armenſchulweſens Englands. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0126" n="98"/> Sicherheitspolizeigeſetz, zunächſt gegen das Vagabundenthum <hi rendition="#aq">(vagrancy)</hi><lb/> überhaupt (ſ. oben); das Wichtigſte in ihm iſt jedoch die Beſtimmung,<lb/> daß die <hi rendition="#g">Kinder</hi> ſolcher Vagabunden <hi rendition="#aq">(vagrant children)</hi> unter be-<lb/> ſtimmten Vorſchriften in öffentliche Erziehungsanſtalten gegeben werden<lb/> ſollen. Dieſe Anſtalten ſind die <hi rendition="#aq">„Industrial schools,“</hi> die auf öffent-<lb/> liche Koſten errichtet und unterhalten werden, und in welche jede Be-<lb/> hörde die Kinder von Vagabunden hineinzuſenden das Recht hat. Dieſe<lb/> Schulen, unter öffentlicher Oberaufſicht ſtehend und genehmigt (daher<lb/><hi rendition="#aq">certified schools</hi>), ſollen dieſe Kinder „nähren und unterrichten“ <hi rendition="#aq">(„in<lb/> which children are fed as well as tought“),</hi> doch dürfen die Kinder<lb/> auch in Familien zum Unterhalt untergebracht werden. Die Schule<lb/> dauert bis zum 15. Jahre; die Eltern dürfen nur die Schule für ihr<lb/> Kind wählen. Die öffentliche Unterſtützung iſt genau bezeichnet (Senior<lb/> S. 91, 92). Das neueſte Geſetz darüber iſt die <hi rendition="#aq">Industrial Schools Act<lb/> 24. 25. Vict.</hi> 113 (6. Aug. 1861). Die weſentlichſte Beſtimmung dieſes<lb/> Geſetzes iſt, daß die <hi rendition="#aq">Justices</hi> das <hi rendition="#g">Recht</hi> daben, die unbeſchäftigten<lb/> Kinder in dieſe Schulen zu ſchicken, und daß jeder, der ein aufge-<lb/> nommenes Kind der Schule entzieht, bis 5 Pfd. gebüßt werden kann.<lb/><hi rendition="#g">Daſſelbe</hi> Geſetz iſt unter gleichem Datum für Schottland erlaſſen.<lb/> Beide Geſetze ſollen nur bis 1867 Gültigkeit haben. Das <hi rendition="#aq">St. 25. 26.<lb/> Vict.</hi> 43 dehnt das Recht, die Armenkinder der Kirchſpielsarmen in dieſe<lb/> Schulen zu ſchicken, auf die <hi rendition="#aq">Overseers of the Poors</hi> aus. An dieſe<lb/> Schulen haben ſich die <hi rendition="#aq">„Ragged schools“</hi> (Lumpen-Schulen) ange-<lb/> ſchloſſen, die von Einzelnen unterhalten und mit Recht als <hi rendition="#aq">„provisional<lb/> institutions“</hi> betrachtet werden, die beſtändig zu <hi rendition="#aq">Industrial schools</hi> über-<lb/> zugehen ſtreben, da ſie doch im Grunde eben ſo nothwendig ſind und<lb/> eben ſo tüchtig ſein müſſen, als die letztern (Senior 161).</p><lb/> <p>Dieß ſind die Grundverhältniſſe des Armenſchulweſens Englands.<lb/> Die Nothwendigkeit deſſelben, einmal anerkannt, erzeugte die zweite<lb/> einer regelmäßigen Unterſtützung, und dieſe wieder die dritte eines<lb/> eigenen Organes theils für die Austheilung der Unterſtützung ſelbſt,<lb/> theils für die Oberaufſicht über die unterſtützten Schulen. Denn wie<lb/> ſchon früher bemerkt, bildet und wächst die behördliche Thätigkeit mit<lb/> der Pflicht des Staats, an der materiellen Hülfe Theil zu nehmen.<lb/> So entſtand das <hi rendition="#aq">Committee of the Privy Council,</hi> wie es gewöhnlich<lb/> genannt wird, oder genauer das <hi rendition="#aq">Committee for Education</hi> des <hi rendition="#aq">Privy<lb/> Council,</hi> als oberſte Armenſchulbehörde. Schon 1833 waren für jene<lb/> drei Klaſſen der Armenſchulen 20,000 Pfd. St. bewilligt. Natürlich<lb/> entſtand ein vielfacher Streit, theils von Seiten der obenerwähnten<lb/> Geſellſchaften, theils von Seiten der Gemeinden und einzelnen Vereine,<lb/> um an jenem Gelde Theil zu nehmen. Die Geſetzgebung ihrerſeits<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0126]
Sicherheitspolizeigeſetz, zunächſt gegen das Vagabundenthum (vagrancy)
überhaupt (ſ. oben); das Wichtigſte in ihm iſt jedoch die Beſtimmung,
daß die Kinder ſolcher Vagabunden (vagrant children) unter be-
ſtimmten Vorſchriften in öffentliche Erziehungsanſtalten gegeben werden
ſollen. Dieſe Anſtalten ſind die „Industrial schools,“ die auf öffent-
liche Koſten errichtet und unterhalten werden, und in welche jede Be-
hörde die Kinder von Vagabunden hineinzuſenden das Recht hat. Dieſe
Schulen, unter öffentlicher Oberaufſicht ſtehend und genehmigt (daher
certified schools), ſollen dieſe Kinder „nähren und unterrichten“ („in
which children are fed as well as tought“), doch dürfen die Kinder
auch in Familien zum Unterhalt untergebracht werden. Die Schule
dauert bis zum 15. Jahre; die Eltern dürfen nur die Schule für ihr
Kind wählen. Die öffentliche Unterſtützung iſt genau bezeichnet (Senior
S. 91, 92). Das neueſte Geſetz darüber iſt die Industrial Schools Act
24. 25. Vict. 113 (6. Aug. 1861). Die weſentlichſte Beſtimmung dieſes
Geſetzes iſt, daß die Justices das Recht daben, die unbeſchäftigten
Kinder in dieſe Schulen zu ſchicken, und daß jeder, der ein aufge-
nommenes Kind der Schule entzieht, bis 5 Pfd. gebüßt werden kann.
Daſſelbe Geſetz iſt unter gleichem Datum für Schottland erlaſſen.
Beide Geſetze ſollen nur bis 1867 Gültigkeit haben. Das St. 25. 26.
Vict. 43 dehnt das Recht, die Armenkinder der Kirchſpielsarmen in dieſe
Schulen zu ſchicken, auf die Overseers of the Poors aus. An dieſe
Schulen haben ſich die „Ragged schools“ (Lumpen-Schulen) ange-
ſchloſſen, die von Einzelnen unterhalten und mit Recht als „provisional
institutions“ betrachtet werden, die beſtändig zu Industrial schools über-
zugehen ſtreben, da ſie doch im Grunde eben ſo nothwendig ſind und
eben ſo tüchtig ſein müſſen, als die letztern (Senior 161).
Dieß ſind die Grundverhältniſſe des Armenſchulweſens Englands.
Die Nothwendigkeit deſſelben, einmal anerkannt, erzeugte die zweite
einer regelmäßigen Unterſtützung, und dieſe wieder die dritte eines
eigenen Organes theils für die Austheilung der Unterſtützung ſelbſt,
theils für die Oberaufſicht über die unterſtützten Schulen. Denn wie
ſchon früher bemerkt, bildet und wächst die behördliche Thätigkeit mit
der Pflicht des Staats, an der materiellen Hülfe Theil zu nehmen.
So entſtand das Committee of the Privy Council, wie es gewöhnlich
genannt wird, oder genauer das Committee for Education des Privy
Council, als oberſte Armenſchulbehörde. Schon 1833 waren für jene
drei Klaſſen der Armenſchulen 20,000 Pfd. St. bewilligt. Natürlich
entſtand ein vielfacher Streit, theils von Seiten der obenerwähnten
Geſellſchaften, theils von Seiten der Gemeinden und einzelnen Vereine,
um an jenem Gelde Theil zu nehmen. Die Geſetzgebung ihrerſeits
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