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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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mit elf (!) verschiedenen Zeugnißgraden. Die Anstellung ist dann
Sache der Schulverwaltung. Die Lehrer haben ihrerseits auf die Lehre
selbst keinen selbständigen Einfluß; das ist nur bei den Privatschülern
der Fall. Von einer amtlichen Stellung ist keine Rede, und die
angestellten pupil-teachers können wie aus jedem bürgerlichen Dienst
jeden Augenblick entlassen werden. So lange diese Verhältnisse nicht
geändert werden, ist an einen Aufschwung der englischen Volksbildung
nicht zu denken.

Schöll hat auf die Prüfungen der Seminaristen zu wenig Rück-
sicht genommen. Sehr gute Bemerkungen bei Gugler S. 242.
Uebrigens sind die Angaben Schölls (S. 105--113) das beste was
über das Seminaristenwesen Englands existirt. -- Anstellung der
Lehrer ist Sache des Local Government; Pension nach 15 Jahren.
Gehalte der Lehrer und Lehrerinnen Schöll S. 112.

Frankreich. Hier ward allerdings das Lehrerbildungswesen gleich
anfangs in das System der Universite aufgenommen, aber nur für die
Berufsbildung (siehe unten die Ecole normale). Die Folge war, daß
die Bildung eines Lehrerstandes für das Volk unmöglich war, und
man zu dem kläglichen Auskunftsmittel des "brevet de capacite"
greifen mußte. Dieß wird jährlich auf Grund einer Prüfung ertheilt,
welche eine vom Conseil departemental aufgestellte Commission abhält.
Die Prüfung ist selbst durchaus elementar und kurz, mündlich und
schriftlich. Die Lehrerinnen müssen eine Probehandarbeit machen. Dieses
höchst untergeordnete System ward etwas erweitert durch die Einführung
der zweiten, höhern Klassen in den Elementarschulen seit 1833 (siehe
unten), so daß die Lehrer auch für diese partie facultative de l'enseigne-
ment primaire
ein zweites Examen machen können. Allein da die
höchst unfreie Stellung der Lehrer nur wenig Concurrenz erzeugte, so
mußte man jenes brevet de capacite ersetzen durch ein einfaches Zeug-
niß über einen dreijährigen Dienst als Schulgehülfe (certificat de
stage);
ja durch eine autorisation provisoire selbst ohne das Certificat
-- ein Zustand, von dem das Brevet vom 24. December 1850 selbst
sagt, daß nur "l'interet public seul pourra legitimer une telle mesure."
Bei so unfertiger Bildung ist die völlige Unfreiheit des Lehrerstandes
und die Abhängigkeit des Lehrers in der Anstellung ganz natürlich
(siehe oben); eben so die völlige Unterordnung unter die Geistlichen in
der Lehre selbst. Frankreichs Volksbildungswesen bewegt sich in dem
falschen Cirkel, daß die Abhängigkeit der Lehrer keine selbständige Bil-
dung derselben, die letztere wieder keine Unabhängigkeit der Lehrer zu-
läßt. Der Versuch, eigentlich Volkslehrerseminarien Ecoles normales
primaires
zu errichten (Gesetz von 1850 und Reglement vom 24. März

mit elf (!) verſchiedenen Zeugnißgraden. Die Anſtellung iſt dann
Sache der Schulverwaltung. Die Lehrer haben ihrerſeits auf die Lehre
ſelbſt keinen ſelbſtändigen Einfluß; das iſt nur bei den Privatſchülern
der Fall. Von einer amtlichen Stellung iſt keine Rede, und die
angeſtellten pupil-teachers können wie aus jedem bürgerlichen Dienſt
jeden Augenblick entlaſſen werden. So lange dieſe Verhältniſſe nicht
geändert werden, iſt an einen Aufſchwung der engliſchen Volksbildung
nicht zu denken.

Schöll hat auf die Prüfungen der Seminariſten zu wenig Rück-
ſicht genommen. Sehr gute Bemerkungen bei Gugler S. 242.
Uebrigens ſind die Angaben Schölls (S. 105—113) das beſte was
über das Seminariſtenweſen Englands exiſtirt. — Anſtellung der
Lehrer iſt Sache des Local Government; Penſion nach 15 Jahren.
Gehalte der Lehrer und Lehrerinnen Schöll S. 112.

Frankreich. Hier ward allerdings das Lehrerbildungsweſen gleich
anfangs in das Syſtem der Université aufgenommen, aber nur für die
Berufsbildung (ſiehe unten die École normale). Die Folge war, daß
die Bildung eines Lehrerſtandes für das Volk unmöglich war, und
man zu dem kläglichen Auskunftsmittel des „brevet de capacité“
greifen mußte. Dieß wird jährlich auf Grund einer Prüfung ertheilt,
welche eine vom Conseil départemental aufgeſtellte Commiſſion abhält.
Die Prüfung iſt ſelbſt durchaus elementar und kurz, mündlich und
ſchriftlich. Die Lehrerinnen müſſen eine Probehandarbeit machen. Dieſes
höchſt untergeordnete Syſtem ward etwas erweitert durch die Einführung
der zweiten, höhern Klaſſen in den Elementarſchulen ſeit 1833 (ſiehe
unten), ſo daß die Lehrer auch für dieſe partie facultative de l’enseigne-
ment primaire
ein zweites Examen machen können. Allein da die
höchſt unfreie Stellung der Lehrer nur wenig Concurrenz erzeugte, ſo
mußte man jenes brevet de capacité erſetzen durch ein einfaches Zeug-
niß über einen dreijährigen Dienſt als Schulgehülfe (certificat de
stage);
ja durch eine autorisation provisoire ſelbſt ohne das Certificat
— ein Zuſtand, von dem das Brevet vom 24. December 1850 ſelbſt
ſagt, daß nur „l’intérêt public seul pourra légitimer une telle mesure.“
Bei ſo unfertiger Bildung iſt die völlige Unfreiheit des Lehrerſtandes
und die Abhängigkeit des Lehrers in der Anſtellung ganz natürlich
(ſiehe oben); eben ſo die völlige Unterordnung unter die Geiſtlichen in
der Lehre ſelbſt. Frankreichs Volksbildungsweſen bewegt ſich in dem
falſchen Cirkel, daß die Abhängigkeit der Lehrer keine ſelbſtändige Bil-
dung derſelben, die letztere wieder keine Unabhängigkeit der Lehrer zu-
läßt. Der Verſuch, eigentlich Volkslehrerſeminarien Ecoles normales
primaires
zu errichten (Geſetz von 1850 und Reglement vom 24. März

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[132/0160] mit elf (!) verſchiedenen Zeugnißgraden. Die Anſtellung iſt dann Sache der Schulverwaltung. Die Lehrer haben ihrerſeits auf die Lehre ſelbſt keinen ſelbſtändigen Einfluß; das iſt nur bei den Privatſchülern der Fall. Von einer amtlichen Stellung iſt keine Rede, und die angeſtellten pupil-teachers können wie aus jedem bürgerlichen Dienſt jeden Augenblick entlaſſen werden. So lange dieſe Verhältniſſe nicht geändert werden, iſt an einen Aufſchwung der engliſchen Volksbildung nicht zu denken. Schöll hat auf die Prüfungen der Seminariſten zu wenig Rück- ſicht genommen. Sehr gute Bemerkungen bei Gugler S. 242. Uebrigens ſind die Angaben Schölls (S. 105—113) das beſte was über das Seminariſtenweſen Englands exiſtirt. — Anſtellung der Lehrer iſt Sache des Local Government; Penſion nach 15 Jahren. Gehalte der Lehrer und Lehrerinnen Schöll S. 112. Frankreich. Hier ward allerdings das Lehrerbildungsweſen gleich anfangs in das Syſtem der Université aufgenommen, aber nur für die Berufsbildung (ſiehe unten die École normale). Die Folge war, daß die Bildung eines Lehrerſtandes für das Volk unmöglich war, und man zu dem kläglichen Auskunftsmittel des „brevet de capacité“ greifen mußte. Dieß wird jährlich auf Grund einer Prüfung ertheilt, welche eine vom Conseil départemental aufgeſtellte Commiſſion abhält. Die Prüfung iſt ſelbſt durchaus elementar und kurz, mündlich und ſchriftlich. Die Lehrerinnen müſſen eine Probehandarbeit machen. Dieſes höchſt untergeordnete Syſtem ward etwas erweitert durch die Einführung der zweiten, höhern Klaſſen in den Elementarſchulen ſeit 1833 (ſiehe unten), ſo daß die Lehrer auch für dieſe partie facultative de l’enseigne- ment primaire ein zweites Examen machen können. Allein da die höchſt unfreie Stellung der Lehrer nur wenig Concurrenz erzeugte, ſo mußte man jenes brevet de capacité erſetzen durch ein einfaches Zeug- niß über einen dreijährigen Dienſt als Schulgehülfe (certificat de stage); ja durch eine autorisation provisoire ſelbſt ohne das Certificat — ein Zuſtand, von dem das Brevet vom 24. December 1850 ſelbſt ſagt, daß nur „l’intérêt public seul pourra légitimer une telle mesure.“ Bei ſo unfertiger Bildung iſt die völlige Unfreiheit des Lehrerſtandes und die Abhängigkeit des Lehrers in der Anſtellung ganz natürlich (ſiehe oben); eben ſo die völlige Unterordnung unter die Geiſtlichen in der Lehre ſelbſt. Frankreichs Volksbildungsweſen bewegt ſich in dem falſchen Cirkel, daß die Abhängigkeit der Lehrer keine ſelbſtändige Bil- dung derſelben, die letztere wieder keine Unabhängigkeit der Lehrer zu- läßt. Der Verſuch, eigentlich Volkslehrerſeminarien Ecoles normales primaires zu errichten (Geſetz von 1850 und Reglement vom 24. März

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/160>, abgerufen am 21.11.2024.