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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Thatsachen eine Klarheit hineinzubringen, welche die Theorie noch nicht
besitzt.

Was zuerst England betrifft, so sind hier allerdings alle Ele-
mente des obigen Systems vorhanden, aber allerdings noch ohne innere
Verbindung und ohne äußeres System. Da nämlich weder Begriff noch
Recht der eigentlichen Volksschule feststehen, so sehen wir eine ziemlich
ungeordnete Reihe von Erscheinungen und Versuchen auftreten, welche
zusammengenommen ungefähr das erfüllen, was das obige System
fordert. Die Krippen und Warteschulen sind zum Theil sehr gut,
und "berufsfreudige Lehrerinnen bringen die Kinder so weit, daß viele
mit 7 Jahren lesen, erträglich schreiben, selbst etwas rechnen können."
(Gugler S. 215.) Daneben bestehen die sog. Industrial schools (die
Schulen der Union houses, Zwangsschulen für die vagrant children),
die ragged schools, Vereinsschulen für verwahrloste Kinder, die Eve-
ning schools
(Gugler S. 255). Sonn- und Feiertagsschulen sind aus
dem vorigen Jahrhundert (s. oben) und gewiß noch eine Menge anderer
örtlicher Unternehmungen. Die "Upper schools" sind offenbar bessere
Volksschulen, ohne bestimmtes System, für zahlende Kinder (Gugler
S. 249). Vergl. über die verschiedenen Verhältnisse zum Vereinswesen
Schöll a. a. O., der die Vorschulen speciell S. 112 ff. behandelt. Die
half-time schools sind eine Modification der Fabrikschulen (Tyler bei
Gugler S. 111, Gugler S. 201.) -- Man muß festhalten, daß bei dem
Mangel eines administrativen Volksschulwesens an eine Systemisirung
wie in Deutschland nicht zu denken ist. -- Ebenso ist es nicht thunlich,
etwas allgemein Gültiges für das Klassensystem anzugeben. Das Beste
steht bei Schöll S. 103. Wie weit dasselbe praktisch durchgeführt ist,
läßt sich kaum sagen. Selbst Senior (Heads of Report 91. 95) kommt
zu keiner festen Angabe. Doch ist das Bedürfniß nach einer systemati-
schen Ordnung und namentlich die Aufnahme wirklicher Bildungsgegen-
stände an der Stelle des geisttödtenden Auswendiglernens von Bibel-
stellen sehr groß (s. Senior an mehreren Orten).

Frankreich hat keine Schulpflicht. Die Vorschulen be-
schränken sich noch bloß auf die Krippen (Kinder in der Wiege) und
diese wieder fast nur in Paris. Sie sind von Vereinen gestiftet und die
Eltern zahlen eine tägliche kleine Rate (20 und 30 Cent.). Warte-
schulen gibt es nicht. Die Volksschule bestand bis 1833 aus Einer
Klasse, der einfachen instruction primaire. Das Gesetz vom 28. Juni
1833 führte dann mit dem Unterschied der instr. prim. elementaire und
superieure die Grundlage des Klassensystems ein, wobei die Lehrordnung
der erstern außer den Elementen auch noch die Lehre von Maaß und
Gewicht empfing, die zweite dagegen die Elemente der Geometrie, Natur-

Thatſachen eine Klarheit hineinzubringen, welche die Theorie noch nicht
beſitzt.

Was zuerſt England betrifft, ſo ſind hier allerdings alle Ele-
mente des obigen Syſtems vorhanden, aber allerdings noch ohne innere
Verbindung und ohne äußeres Syſtem. Da nämlich weder Begriff noch
Recht der eigentlichen Volksſchule feſtſtehen, ſo ſehen wir eine ziemlich
ungeordnete Reihe von Erſcheinungen und Verſuchen auftreten, welche
zuſammengenommen ungefähr das erfüllen, was das obige Syſtem
fordert. Die Krippen und Warteſchulen ſind zum Theil ſehr gut,
und „berufsfreudige Lehrerinnen bringen die Kinder ſo weit, daß viele
mit 7 Jahren leſen, erträglich ſchreiben, ſelbſt etwas rechnen können.“
(Gugler S. 215.) Daneben beſtehen die ſog. Industrial schools (die
Schulen der Union houses, Zwangsſchulen für die vagrant children),
die ragged schools, Vereinsſchulen für verwahrloste Kinder, die Eve-
ning schools
(Gugler S. 255). Sonn- und Feiertagsſchulen ſind aus
dem vorigen Jahrhundert (ſ. oben) und gewiß noch eine Menge anderer
örtlicher Unternehmungen. Die „Upper schools“ ſind offenbar beſſere
Volksſchulen, ohne beſtimmtes Syſtem, für zahlende Kinder (Gugler
S. 249). Vergl. über die verſchiedenen Verhältniſſe zum Vereinsweſen
Schöll a. a. O., der die Vorſchulen ſpeciell S. 112 ff. behandelt. Die
half-time schools ſind eine Modification der Fabrikſchulen (Tyler bei
Gugler S. 111, Gugler S. 201.) — Man muß feſthalten, daß bei dem
Mangel eines adminiſtrativen Volksſchulweſens an eine Syſtemiſirung
wie in Deutſchland nicht zu denken iſt. — Ebenſo iſt es nicht thunlich,
etwas allgemein Gültiges für das Klaſſenſyſtem anzugeben. Das Beſte
ſteht bei Schöll S. 103. Wie weit daſſelbe praktiſch durchgeführt iſt,
läßt ſich kaum ſagen. Selbſt Senior (Heads of Report 91. 95) kommt
zu keiner feſten Angabe. Doch iſt das Bedürfniß nach einer ſyſtemati-
ſchen Ordnung und namentlich die Aufnahme wirklicher Bildungsgegen-
ſtände an der Stelle des geiſttödtenden Auswendiglernens von Bibel-
ſtellen ſehr groß (ſ. Senior an mehreren Orten).

Frankreich hat keine Schulpflicht. Die Vorſchulen be-
ſchränken ſich noch bloß auf die Krippen (Kinder in der Wiege) und
dieſe wieder faſt nur in Paris. Sie ſind von Vereinen geſtiftet und die
Eltern zahlen eine tägliche kleine Rate (20 und 30 Cent.). Warte-
ſchulen gibt es nicht. Die Volksſchule beſtand bis 1833 aus Einer
Klaſſe, der einfachen instruction primaire. Das Geſetz vom 28. Juni
1833 führte dann mit dem Unterſchied der instr. prim. élémentaire und
supérieure die Grundlage des Klaſſenſyſtems ein, wobei die Lehrordnung
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Gewicht empfing, die zweite dagegen die Elemente der Geometrie, Natur-

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[141/0169] Thatſachen eine Klarheit hineinzubringen, welche die Theorie noch nicht beſitzt. Was zuerſt England betrifft, ſo ſind hier allerdings alle Ele- mente des obigen Syſtems vorhanden, aber allerdings noch ohne innere Verbindung und ohne äußeres Syſtem. Da nämlich weder Begriff noch Recht der eigentlichen Volksſchule feſtſtehen, ſo ſehen wir eine ziemlich ungeordnete Reihe von Erſcheinungen und Verſuchen auftreten, welche zuſammengenommen ungefähr das erfüllen, was das obige Syſtem fordert. Die Krippen und Warteſchulen ſind zum Theil ſehr gut, und „berufsfreudige Lehrerinnen bringen die Kinder ſo weit, daß viele mit 7 Jahren leſen, erträglich ſchreiben, ſelbſt etwas rechnen können.“ (Gugler S. 215.) Daneben beſtehen die ſog. Industrial schools (die Schulen der Union houses, Zwangsſchulen für die vagrant children), die ragged schools, Vereinsſchulen für verwahrloste Kinder, die Eve- ning schools (Gugler S. 255). Sonn- und Feiertagsſchulen ſind aus dem vorigen Jahrhundert (ſ. oben) und gewiß noch eine Menge anderer örtlicher Unternehmungen. Die „Upper schools“ ſind offenbar beſſere Volksſchulen, ohne beſtimmtes Syſtem, für zahlende Kinder (Gugler S. 249). Vergl. über die verſchiedenen Verhältniſſe zum Vereinsweſen Schöll a. a. O., der die Vorſchulen ſpeciell S. 112 ff. behandelt. Die half-time schools ſind eine Modification der Fabrikſchulen (Tyler bei Gugler S. 111, Gugler S. 201.) — Man muß feſthalten, daß bei dem Mangel eines adminiſtrativen Volksſchulweſens an eine Syſtemiſirung wie in Deutſchland nicht zu denken iſt. — Ebenſo iſt es nicht thunlich, etwas allgemein Gültiges für das Klaſſenſyſtem anzugeben. Das Beſte ſteht bei Schöll S. 103. Wie weit daſſelbe praktiſch durchgeführt iſt, läßt ſich kaum ſagen. Selbſt Senior (Heads of Report 91. 95) kommt zu keiner feſten Angabe. Doch iſt das Bedürfniß nach einer ſyſtemati- ſchen Ordnung und namentlich die Aufnahme wirklicher Bildungsgegen- ſtände an der Stelle des geiſttödtenden Auswendiglernens von Bibel- ſtellen ſehr groß (ſ. Senior an mehreren Orten). Frankreich hat keine Schulpflicht. Die Vorſchulen be- ſchränken ſich noch bloß auf die Krippen (Kinder in der Wiege) und dieſe wieder faſt nur in Paris. Sie ſind von Vereinen geſtiftet und die Eltern zahlen eine tägliche kleine Rate (20 und 30 Cent.). Warte- ſchulen gibt es nicht. Die Volksſchule beſtand bis 1833 aus Einer Klaſſe, der einfachen instruction primaire. Das Geſetz vom 28. Juni 1833 führte dann mit dem Unterſchied der instr. prim. élémentaire und supérieure die Grundlage des Klaſſenſyſtems ein, wobei die Lehrordnung der erſtern außer den Elementen auch noch die Lehre von Maaß und Gewicht empfing, die zweite dagegen die Elemente der Geometrie, Natur-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/169>, abgerufen am 21.11.2024.