Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.getreten, mußte die Frage entstehen, ob diese Körperschaften in ihrer Das erste dieser Systeme beruht darauf, daß die Verwaltung zum Das zweite System dagegen enthält die Anerkennung der Lehr getreten, mußte die Frage entſtehen, ob dieſe Körperſchaften in ihrer Das erſte dieſer Syſteme beruht darauf, daß die Verwaltung zum Das zweite Syſtem dagegen enthält die Anerkennung der Lehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0207" n="179"/> getreten, mußte die Frage entſtehen, ob dieſe Körperſchaften in ihrer<lb/> neuen Geſtalt geeignet ſeien, auch die neue ſtaatsbürgerliche Berufs-<lb/> prüfung zu übernehmen, wie ſie die ſtändiſche in Händen gehabt. Aus<lb/> der Beantwortung dieſer Frage ging nun das doppelte Syſtem von<lb/> Prüfungsorganen hervor, das auch zum Theil dem folgenden Syſtem<lb/> des Prüfungsrechts zum Grunde liegt.</p><lb/> <p>Das erſte dieſer Syſteme beruht darauf, daß die Verwaltung zum<lb/> Theil neben, zum Theil an der Stelle der alten Fachprüfungsorgane,<lb/> welche aus dem Lehrkörper beſtanden, eigene <hi rendition="#g">Staatsorgane</hi> für die<lb/> Prüfungen einſetzte, die in verſchiedenſter Weiſe componirt ſind. Zum<lb/> Theil ſind es Gerichtskörper, zum Theil ſind es vom Staat ernannte<lb/> Prüfungscommiſſäre, zum Theil ſogar (wie in Frankreich) Geſchworne.<lb/> In den meiſten Fällen nahm man dabei Glieder des Lehrkörpers (Pro-<lb/> feſſoren) als Mitglieder dieſer Prüfungscommiſſionen auf, theils facul-<lb/> tativ, theils principiell. Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß jenes<lb/> für die freien Fachbildungsanſtalten nicht der Fall war.</p><lb/> <p>Das zweite Syſtem dagegen enthält die Anerkennung der <hi rendition="#g">Lehr<lb/> körper</hi> als Prüfungsorgane, ſo daß der Form nach das Recht derſelben<lb/> jetzt daſſelbe iſt wie früher. Dieß war namentlich der Fall bei den Uni-<lb/> verſitäten und ihrem ſtändiſchen Berufsprüfungsſyſtem dem <hi rendition="#g">Doctorat</hi>,<lb/> während es bei den neuen wirthſchaftlichen Fachbildungsanſtalten (poly-<lb/> techniſchen Schulen ꝛc.) deßhalb nicht anders ſein konnte, weil die be-<lb/> treffenden Fachkenntniſſe oder die nöthige Zeit eben nur bei dieſen vor-<lb/> handen waren. Auf dieſe Weiſe entſtand der Unterſchied der <hi rendition="#g">Doctorats</hi>-<lb/> prüfungen von den eigentlichen <hi rendition="#g">Staatsp</hi>rüfungen, der unſerer Zeit<lb/> eigenthümlich iſt. Regel iſt, daß natürlich da, wo es keine Staatsprüfung<lb/> gibt (wie z. B. bei den Medicinern), die Doctoratsprüfung dieſelbe er-<lb/> ſetzt (in den kleineren deutſchen Staaten iſt das auch bei den Juriſten<lb/> der Fall); daß dagegen ſonſt beide einander gleichſtehen, wenn nicht (wie<lb/> in Oeſterreich) das Doctorat die Vorausſetzung der Praxis als Advokat iſt.<lb/> — In jedem Falle iſt daraus die Verpflichtung der Verwaltung ent-<lb/> ſtanden, das Prüfungsweſen zum Gegenſtand einer eigenen Geſetzgebung<lb/> zu machen, ſo daß jetzt wohl in den meiſten Staaten ein förmliches<lb/> Syſtem von Prüfungsordnungen beſteht, das die alten Doctoratsprüfungen<lb/> in ſich aufgenommen und bei mancher Modification im Einzelnen doch im<lb/> Großen und Ganzen erhalten hat. Im Allgemeinen kann man ſagen, daß<lb/> für die gelehrte Bildung theils Doctorats-, theils Staatsprüfungen (wohl<lb/> zu unterſcheiden von den Dienſtprüfungen, ſ. unten) gelten, während<lb/> für die wirthſchaftliche Bildung das Syſtem der Prüfungen durch den<lb/> Lehrkörper gehandhabt wird, das wiederum bei den freien Bildungsan-<lb/> ſtalten oft durch bloße Zeugniſſe ohne eigentliche Prüfung erſetzt iſt.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0207]
getreten, mußte die Frage entſtehen, ob dieſe Körperſchaften in ihrer
neuen Geſtalt geeignet ſeien, auch die neue ſtaatsbürgerliche Berufs-
prüfung zu übernehmen, wie ſie die ſtändiſche in Händen gehabt. Aus
der Beantwortung dieſer Frage ging nun das doppelte Syſtem von
Prüfungsorganen hervor, das auch zum Theil dem folgenden Syſtem
des Prüfungsrechts zum Grunde liegt.
Das erſte dieſer Syſteme beruht darauf, daß die Verwaltung zum
Theil neben, zum Theil an der Stelle der alten Fachprüfungsorgane,
welche aus dem Lehrkörper beſtanden, eigene Staatsorgane für die
Prüfungen einſetzte, die in verſchiedenſter Weiſe componirt ſind. Zum
Theil ſind es Gerichtskörper, zum Theil ſind es vom Staat ernannte
Prüfungscommiſſäre, zum Theil ſogar (wie in Frankreich) Geſchworne.
In den meiſten Fällen nahm man dabei Glieder des Lehrkörpers (Pro-
feſſoren) als Mitglieder dieſer Prüfungscommiſſionen auf, theils facul-
tativ, theils principiell. Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß jenes
für die freien Fachbildungsanſtalten nicht der Fall war.
Das zweite Syſtem dagegen enthält die Anerkennung der Lehr
körper als Prüfungsorgane, ſo daß der Form nach das Recht derſelben
jetzt daſſelbe iſt wie früher. Dieß war namentlich der Fall bei den Uni-
verſitäten und ihrem ſtändiſchen Berufsprüfungsſyſtem dem Doctorat,
während es bei den neuen wirthſchaftlichen Fachbildungsanſtalten (poly-
techniſchen Schulen ꝛc.) deßhalb nicht anders ſein konnte, weil die be-
treffenden Fachkenntniſſe oder die nöthige Zeit eben nur bei dieſen vor-
handen waren. Auf dieſe Weiſe entſtand der Unterſchied der Doctorats-
prüfungen von den eigentlichen Staatsprüfungen, der unſerer Zeit
eigenthümlich iſt. Regel iſt, daß natürlich da, wo es keine Staatsprüfung
gibt (wie z. B. bei den Medicinern), die Doctoratsprüfung dieſelbe er-
ſetzt (in den kleineren deutſchen Staaten iſt das auch bei den Juriſten
der Fall); daß dagegen ſonſt beide einander gleichſtehen, wenn nicht (wie
in Oeſterreich) das Doctorat die Vorausſetzung der Praxis als Advokat iſt.
— In jedem Falle iſt daraus die Verpflichtung der Verwaltung ent-
ſtanden, das Prüfungsweſen zum Gegenſtand einer eigenen Geſetzgebung
zu machen, ſo daß jetzt wohl in den meiſten Staaten ein förmliches
Syſtem von Prüfungsordnungen beſteht, das die alten Doctoratsprüfungen
in ſich aufgenommen und bei mancher Modification im Einzelnen doch im
Großen und Ganzen erhalten hat. Im Allgemeinen kann man ſagen, daß
für die gelehrte Bildung theils Doctorats-, theils Staatsprüfungen (wohl
zu unterſcheiden von den Dienſtprüfungen, ſ. unten) gelten, während
für die wirthſchaftliche Bildung das Syſtem der Prüfungen durch den
Lehrkörper gehandhabt wird, das wiederum bei den freien Bildungsan-
ſtalten oft durch bloße Zeugniſſe ohne eigentliche Prüfung erſetzt iſt.
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