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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Für die ärztliche Berufsbildung gilt als durchgehende Regel, daß
die Berufsprüfung zugleich Dienstprüfung ist, und zwar so, daß fast
allenthalben diese Prüfung als Doktoratsprüfung erscheint. Dieß gilt
nicht bloß für Deutschland, sondern auch für die übrigen romanisch-
germanischen Länder.

Die Lehrerprüfungen sind dagegen höchst verschieden, und zwar
für den Elementar- und Berufslehrerstand. In Deutschland und Holland
ist die Prüfung genau vorgeschrieben, zum Theil mit übergroßer Ge-
nauigkeit. In Frankreich wird sie durch Nachweisung eines praktischen
Dienstes vielfach ersetzt; in England gilt sie überhaupt nur bei den vom
Staate unterstützten Schulen.

Die Prüfungen des Juristenstandes sind wieder principiell allgemein,
selbst in England; aber während sie dort und in Frankreich nur für die
Anwälte gelten, sind in Deutschland neben den Anwaltsprüfungen auch
noch Richteramtsprüfungen. In Beziehung auf dieselben haben die
meisten deutschen Staaten die Berufsprüfung an den Universitäten als
erste, und dann noch eine specielle Advokaturs- und Richteramtsprüfung
als zweite Dienstprüfung aufgestellt, was in den übrigen Ländern fehlt.

Die größte Verschiedenheit herrscht in Beziehung auf die Prüfungen
für den Verwaltungsdienst. Hier hat England noch gar kein
System; Frankreich hat ein solches, so viel wir sehen nur für gewisse
technische Staatsdienste, sonst keine; ebenso stehen Belgien und Holland.
Deutschland dagegen hat sich hier ein vollständiges, aber wohl in den
meisten Staaten in Form und Inhalt verschiedenes System gebildet,
das meist in lauter einzelnen, höchst zerstreuten und von Fall zu Fall
erlassenen Bestimmungen besteht.

Ebenso verschieden sind die Bestimmungen über die Prüfungsorgane.
Regel ist, daß die Berufsprüfungen von den Professoren ganz oder zum
Theil, die Dienstprüfungen dagegen von Beamten allein gepflogen werden.
In England prüft die Corporation, in Frankreich die Jury, in Deutsch-
land eine gesetzliche Commission. Man darf dabei noch von keinem einheit-
lichen Systeme reden. Soll es kommen, so muß erst die Wissenschaft es
suchen und verarbeiten. Die sehr große Wichtigkeit der Sache würde
eine solche Arbeit in höherem Grade wünschenswerth machen.


Das einzige Werk, das sich bisher mit dieser Frage und ihrem
positiven Recht im Allgemeinen beschäftigt, ist Ortloff, Methodologie
der Rechts- und Staatswissenschaft nebst deutschen Studien und Examens-
ordnungen 1863, der in seiner ersten Abtheilung die Methodologie des
Studiums gibt, ohne sich mit derjenigen der Prüfungen zu beschäftigen

Für die ärztliche Berufsbildung gilt als durchgehende Regel, daß
die Berufsprüfung zugleich Dienſtprüfung iſt, und zwar ſo, daß faſt
allenthalben dieſe Prüfung als Doktoratsprüfung erſcheint. Dieß gilt
nicht bloß für Deutſchland, ſondern auch für die übrigen romaniſch-
germaniſchen Länder.

Die Lehrerprüfungen ſind dagegen höchſt verſchieden, und zwar
für den Elementar- und Berufslehrerſtand. In Deutſchland und Holland
iſt die Prüfung genau vorgeſchrieben, zum Theil mit übergroßer Ge-
nauigkeit. In Frankreich wird ſie durch Nachweiſung eines praktiſchen
Dienſtes vielfach erſetzt; in England gilt ſie überhaupt nur bei den vom
Staate unterſtützten Schulen.

Die Prüfungen des Juriſtenſtandes ſind wieder principiell allgemein,
ſelbſt in England; aber während ſie dort und in Frankreich nur für die
Anwälte gelten, ſind in Deutſchland neben den Anwaltsprüfungen auch
noch Richteramtsprüfungen. In Beziehung auf dieſelben haben die
meiſten deutſchen Staaten die Berufsprüfung an den Univerſitäten als
erſte, und dann noch eine ſpecielle Advokaturs- und Richteramtsprüfung
als zweite Dienſtprüfung aufgeſtellt, was in den übrigen Ländern fehlt.

Die größte Verſchiedenheit herrſcht in Beziehung auf die Prüfungen
für den Verwaltungsdienſt. Hier hat England noch gar kein
Syſtem; Frankreich hat ein ſolches, ſo viel wir ſehen nur für gewiſſe
techniſche Staatsdienſte, ſonſt keine; ebenſo ſtehen Belgien und Holland.
Deutſchland dagegen hat ſich hier ein vollſtändiges, aber wohl in den
meiſten Staaten in Form und Inhalt verſchiedenes Syſtem gebildet,
das meiſt in lauter einzelnen, höchſt zerſtreuten und von Fall zu Fall
erlaſſenen Beſtimmungen beſteht.

Ebenſo verſchieden ſind die Beſtimmungen über die Prüfungsorgane.
Regel iſt, daß die Berufsprüfungen von den Profeſſoren ganz oder zum
Theil, die Dienſtprüfungen dagegen von Beamten allein gepflogen werden.
In England prüft die Corporation, in Frankreich die Jury, in Deutſch-
land eine geſetzliche Commiſſion. Man darf dabei noch von keinem einheit-
lichen Syſteme reden. Soll es kommen, ſo muß erſt die Wiſſenſchaft es
ſuchen und verarbeiten. Die ſehr große Wichtigkeit der Sache würde
eine ſolche Arbeit in höherem Grade wünſchenswerth machen.


Das einzige Werk, das ſich bisher mit dieſer Frage und ihrem
poſitiven Recht im Allgemeinen beſchäftigt, iſt Ortloff, Methodologie
der Rechts- und Staatswiſſenſchaft nebſt deutſchen Studien und Examens-
ordnungen 1863, der in ſeiner erſten Abtheilung die Methodologie des
Studiums gibt, ohne ſich mit derjenigen der Prüfungen zu beſchäftigen

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[182/0210] Für die ärztliche Berufsbildung gilt als durchgehende Regel, daß die Berufsprüfung zugleich Dienſtprüfung iſt, und zwar ſo, daß faſt allenthalben dieſe Prüfung als Doktoratsprüfung erſcheint. Dieß gilt nicht bloß für Deutſchland, ſondern auch für die übrigen romaniſch- germaniſchen Länder. Die Lehrerprüfungen ſind dagegen höchſt verſchieden, und zwar für den Elementar- und Berufslehrerſtand. In Deutſchland und Holland iſt die Prüfung genau vorgeſchrieben, zum Theil mit übergroßer Ge- nauigkeit. In Frankreich wird ſie durch Nachweiſung eines praktiſchen Dienſtes vielfach erſetzt; in England gilt ſie überhaupt nur bei den vom Staate unterſtützten Schulen. Die Prüfungen des Juriſtenſtandes ſind wieder principiell allgemein, ſelbſt in England; aber während ſie dort und in Frankreich nur für die Anwälte gelten, ſind in Deutſchland neben den Anwaltsprüfungen auch noch Richteramtsprüfungen. In Beziehung auf dieſelben haben die meiſten deutſchen Staaten die Berufsprüfung an den Univerſitäten als erſte, und dann noch eine ſpecielle Advokaturs- und Richteramtsprüfung als zweite Dienſtprüfung aufgeſtellt, was in den übrigen Ländern fehlt. Die größte Verſchiedenheit herrſcht in Beziehung auf die Prüfungen für den Verwaltungsdienſt. Hier hat England noch gar kein Syſtem; Frankreich hat ein ſolches, ſo viel wir ſehen nur für gewiſſe techniſche Staatsdienſte, ſonſt keine; ebenſo ſtehen Belgien und Holland. Deutſchland dagegen hat ſich hier ein vollſtändiges, aber wohl in den meiſten Staaten in Form und Inhalt verſchiedenes Syſtem gebildet, das meiſt in lauter einzelnen, höchſt zerſtreuten und von Fall zu Fall erlaſſenen Beſtimmungen beſteht. Ebenſo verſchieden ſind die Beſtimmungen über die Prüfungsorgane. Regel iſt, daß die Berufsprüfungen von den Profeſſoren ganz oder zum Theil, die Dienſtprüfungen dagegen von Beamten allein gepflogen werden. In England prüft die Corporation, in Frankreich die Jury, in Deutſch- land eine geſetzliche Commiſſion. Man darf dabei noch von keinem einheit- lichen Syſteme reden. Soll es kommen, ſo muß erſt die Wiſſenſchaft es ſuchen und verarbeiten. Die ſehr große Wichtigkeit der Sache würde eine ſolche Arbeit in höherem Grade wünſchenswerth machen. Das einzige Werk, das ſich bisher mit dieſer Frage und ihrem poſitiven Recht im Allgemeinen beſchäftigt, iſt Ortloff, Methodologie der Rechts- und Staatswiſſenſchaft nebſt deutſchen Studien und Examens- ordnungen 1863, der in ſeiner erſten Abtheilung die Methodologie des Studiums gibt, ohne ſich mit derjenigen der Prüfungen zu beſchäftigen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/210>, abgerufen am 21.11.2024.