verschwindet, wie schon in der Darstellung des gelehrten Schulwesens erwähnt, der frühere scharfe Gegensatz der gelehrten und wirthschaftlichen Bildung. Beide, von der Wissenschaft erfaßt, erscheinen allmählig als zwei Seiten desselben Gesammtlebens, als zwei gleichberechtigte, gleich nothwendige Bildungsprocesse im Leben der Völker. Je weiter die geistige Entwicklung fortschreitet, um so klarer wird der Werth des einen Gebietes für das andere, um so unmöglicher also auch der Ge- danke einer principiellen äußeren Scheidung derselben. Aber so wie das feststeht, kommt es nunmehr darauf an, dieser inneren Verbindung auch in einer äußeren Form ihre objektive Anerkennung zu verschaffen. Und daraus geht eine Reihe von Erscheinungen hervor, die in hohem Grade eben durch diese ihre Beziehung zu der inneren Einheit des Bil- dungswesens beachtenswerth sind. Zuerst findet die Verbindung der Vorbildungsanstalten ihren selbständigen Ausdruck im Realgymna- sium, das zugleich eine gelehrte und wirthschaftliche Vorbildungsanstalt ist, und daher in beiden Gebieten seine Stellung findet. Dann aber kommt es darauf an, dieselbe Verbindung auch für die Fachbildung herzustellen. Hier ist die äußerliche Verschmelzung unmöglich; sie muß durch eine innere ersetzt werden, und diese erscheint in der gegenseitigen Aufnahme der Gegenstände der Lehre in die speciellen Fächer und ihren Lehrgang. Das Gebiet nun, in welchem die höchste wirthschaft- liche Bildung als Theil der gelehrten Fachbildung, und damit als eine der jetzt organisch werdenden Aufgaben der Universitäten auftritt, ist das der Staatswissenschaften. Ihr charakteristisches Element ist nicht mehr die Philosophie des Staats, welche der allgemeinen, und nicht mehr das Staatsrecht, welches der juristischen Bildung angehört, sondern speciell die Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und endlich die Verwaltungslehre. Das sind die eigentlichen Staatswissenschaften, und in ihnen ist der Grundsatz ausgesprochen, daß die höchste gelehrte Bildung nicht mehr ohne die höchste wirthschaftliche sein soll; die Stel- lung der Staatswissenschaften an den Universitäten bildet in diesem Sinne das Kriterium des Verhältnisses derselben zur Entwicklung unserer Gegenwart und nächsten Zukunft. Andererseits kann auch die wirth- schaftliche Fachbildung nicht mehr ohne diese höchste wissenschaftliche Auffassung des wirthschaftlichen Lebens bleiben; und so sehen wir wenig- stens die Nationalökonomie bei den besten wirthschaftlichen Fachbildungs- anstalten, aber auch schon die Verwaltungslehre neben der Statistik in die Lehre derselben aufgenommen. Das alles ist nun noch vielfach un- fertig, zum Theil noch im Stadium des richtigen Gefühles, statt in dem des klaren Verständnisses, und vielfach, wie in solchen Bewegungen Regel ist, in Einzelfragen verloren, anstatt von Einem das Ganze
verſchwindet, wie ſchon in der Darſtellung des gelehrten Schulweſens erwähnt, der frühere ſcharfe Gegenſatz der gelehrten und wirthſchaftlichen Bildung. Beide, von der Wiſſenſchaft erfaßt, erſcheinen allmählig als zwei Seiten deſſelben Geſammtlebens, als zwei gleichberechtigte, gleich nothwendige Bildungsproceſſe im Leben der Völker. Je weiter die geiſtige Entwicklung fortſchreitet, um ſo klarer wird der Werth des einen Gebietes für das andere, um ſo unmöglicher alſo auch der Ge- danke einer principiellen äußeren Scheidung derſelben. Aber ſo wie das feſtſteht, kommt es nunmehr darauf an, dieſer inneren Verbindung auch in einer äußeren Form ihre objektive Anerkennung zu verſchaffen. Und daraus geht eine Reihe von Erſcheinungen hervor, die in hohem Grade eben durch dieſe ihre Beziehung zu der inneren Einheit des Bil- dungsweſens beachtenswerth ſind. Zuerſt findet die Verbindung der Vorbildungsanſtalten ihren ſelbſtändigen Ausdruck im Realgymna- ſium, das zugleich eine gelehrte und wirthſchaftliche Vorbildungsanſtalt iſt, und daher in beiden Gebieten ſeine Stellung findet. Dann aber kommt es darauf an, dieſelbe Verbindung auch für die Fachbildung herzuſtellen. Hier iſt die äußerliche Verſchmelzung unmöglich; ſie muß durch eine innere erſetzt werden, und dieſe erſcheint in der gegenſeitigen Aufnahme der Gegenſtände der Lehre in die ſpeciellen Fächer und ihren Lehrgang. Das Gebiet nun, in welchem die höchſte wirthſchaft- liche Bildung als Theil der gelehrten Fachbildung, und damit als eine der jetzt organiſch werdenden Aufgaben der Univerſitäten auftritt, iſt das der Staatswiſſenſchaften. Ihr charakteriſtiſches Element iſt nicht mehr die Philoſophie des Staats, welche der allgemeinen, und nicht mehr das Staatsrecht, welches der juriſtiſchen Bildung angehört, ſondern ſpeciell die Nationalökonomie, Finanzwiſſenſchaft und endlich die Verwaltungslehre. Das ſind die eigentlichen Staatswiſſenſchaften, und in ihnen iſt der Grundſatz ausgeſprochen, daß die höchſte gelehrte Bildung nicht mehr ohne die höchſte wirthſchaftliche ſein ſoll; die Stel- lung der Staatswiſſenſchaften an den Univerſitäten bildet in dieſem Sinne das Kriterium des Verhältniſſes derſelben zur Entwicklung unſerer Gegenwart und nächſten Zukunft. Andererſeits kann auch die wirth- ſchaftliche Fachbildung nicht mehr ohne dieſe höchſte wiſſenſchaftliche Auffaſſung des wirthſchaftlichen Lebens bleiben; und ſo ſehen wir wenig- ſtens die Nationalökonomie bei den beſten wirthſchaftlichen Fachbildungs- anſtalten, aber auch ſchon die Verwaltungslehre neben der Statiſtik in die Lehre derſelben aufgenommen. Das alles iſt nun noch vielfach un- fertig, zum Theil noch im Stadium des richtigen Gefühles, ſtatt in dem des klaren Verſtändniſſes, und vielfach, wie in ſolchen Bewegungen Regel iſt, in Einzelfragen verloren, anſtatt von Einem das Ganze
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verſchwindet, wie ſchon in der Darſtellung des gelehrten Schulweſens
erwähnt, der frühere ſcharfe Gegenſatz der gelehrten und wirthſchaftlichen
Bildung. Beide, von der Wiſſenſchaft erfaßt, erſcheinen allmählig als
zwei Seiten deſſelben Geſammtlebens, als zwei gleichberechtigte, gleich
nothwendige Bildungsproceſſe im Leben der Völker. Je weiter die
geiſtige Entwicklung fortſchreitet, um ſo klarer wird der Werth des
einen Gebietes für das andere, um ſo unmöglicher alſo auch der Ge-
danke einer principiellen äußeren Scheidung derſelben. Aber ſo wie das
feſtſteht, kommt es nunmehr darauf an, dieſer inneren Verbindung auch
in einer äußeren Form ihre objektive Anerkennung zu verſchaffen. Und
daraus geht eine Reihe von Erſcheinungen hervor, die in hohem
Grade eben durch dieſe ihre Beziehung zu der inneren Einheit des Bil-
dungsweſens beachtenswerth ſind. Zuerſt findet die Verbindung der
Vorbildungsanſtalten ihren ſelbſtändigen Ausdruck im Realgymna-
ſium, das zugleich eine gelehrte und wirthſchaftliche Vorbildungsanſtalt
iſt, und daher in beiden Gebieten ſeine Stellung findet. Dann aber
kommt es darauf an, dieſelbe Verbindung auch für die Fachbildung
herzuſtellen. Hier iſt die äußerliche Verſchmelzung unmöglich; ſie muß
durch eine innere erſetzt werden, und dieſe erſcheint in der gegenſeitigen
Aufnahme der Gegenſtände der Lehre in die ſpeciellen Fächer und
ihren Lehrgang. Das Gebiet nun, in welchem die höchſte wirthſchaft-
liche Bildung als Theil der gelehrten Fachbildung, und damit als eine
der jetzt organiſch werdenden Aufgaben der Univerſitäten auftritt, iſt
das der Staatswiſſenſchaften. Ihr charakteriſtiſches Element iſt
nicht mehr die Philoſophie des Staats, welche der allgemeinen, und
nicht mehr das Staatsrecht, welches der juriſtiſchen Bildung angehört,
ſondern ſpeciell die Nationalökonomie, Finanzwiſſenſchaft und endlich
die Verwaltungslehre. Das ſind die eigentlichen Staatswiſſenſchaften,
und in ihnen iſt der Grundſatz ausgeſprochen, daß die höchſte gelehrte
Bildung nicht mehr ohne die höchſte wirthſchaftliche ſein ſoll; die Stel-
lung der Staatswiſſenſchaften an den Univerſitäten bildet in dieſem
Sinne das Kriterium des Verhältniſſes derſelben zur Entwicklung unſerer
Gegenwart und nächſten Zukunft. Andererſeits kann auch die wirth-
ſchaftliche Fachbildung nicht mehr ohne dieſe höchſte wiſſenſchaftliche
Auffaſſung des wirthſchaftlichen Lebens bleiben; und ſo ſehen wir wenig-
ſtens die Nationalökonomie bei den beſten wirthſchaftlichen Fachbildungs-
anſtalten, aber auch ſchon die Verwaltungslehre neben der Statiſtik in
die Lehre derſelben aufgenommen. Das alles iſt nun noch vielfach un-
fertig, zum Theil noch im Stadium des richtigen Gefühles, ſtatt in dem
des klaren Verſtändniſſes, und vielfach, wie in ſolchen Bewegungen
Regel iſt, in Einzelfragen verloren, anſtatt von Einem das Ganze
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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