Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.muß, ist nicht fraglich; daß diese Steuer bei Büchern und Werken nur 2) Der strafrechtliche Kampf gegen den Geist der Presse liegt muß, iſt nicht fraglich; daß dieſe Steuer bei Büchern und Werken nur 2) Der ſtrafrechtliche Kampf gegen den Geiſt der Preſſe liegt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0106" n="90"/> muß, iſt nicht fraglich; daß dieſe Steuer bei Büchern und Werken nur<lb/> als Gewerbe- und Einkommenſteuer erſcheinen kann, während bei der<lb/> Tagespreſſe der Stempel eine Beſteuerung des Leſers enthält, alſo eine<lb/> Verbrauchsſteuer iſt, ſind Sätze, welche der Finanzwiſſenſchaft ange-<lb/> hören, und an ſich mit der Beſchränkung der Preſſe gar nichts zu thun<lb/> haben. Dieſelbe beginnt erſt da, wo der Stempel der Tagespreſſe ſo<lb/> hoch wird, daß er den Leſerkreis beſchränkt, oder wo das Porto in<lb/> demſelben Sinn zu hoch geſetzt iſt, während die Beförderung der Preſſe<lb/> aus naheliegenden Gründen weſentlich in der Herabſetzung des <hi rendition="#g">Portos</hi><lb/> für Zeitungen und Broſchüren liegt.</p><lb/> <p>2) Der <hi rendition="#g">ſtrafrechtliche</hi> Kampf gegen den Geiſt der Preſſe liegt<lb/> nun zweitens <hi rendition="#g">nicht</hi> in der Höhe der Strafe für Einzeläußerungen durch<lb/> dieſelbe; dieſe Höhe gehört überhaupt dem Strafrecht und nicht dem<lb/> Preßrecht. Sondern derſelbe beginnt vielmehr da, wo das Strafrecht<lb/> dem Richter die Pflicht auferlegt, <hi rendition="#g">neben</hi> der Beurtheilung der einzelnen<lb/> Aeußerungen noch ein Urtheil abzugeben über die <hi rendition="#g">Schlußfolgerungen</hi>,<lb/> welche aus dem Inhalt des Druckwerkes von dem Leſer gezogen werden<lb/> können, und den Inhalt dieſer Schlußfolgerungen als <hi rendition="#g">einen ſelbſtän-<lb/> digen verbrecheriſchen Thatbeſtand</hi> anzuerkennen. Den Haupt-<lb/> ausdruck dieſer Beſchränkung der Preßfreiheit durch das Strafrecht bildet<lb/> der Gedanke, den das franzöſiſche Preßgeſetz von 1819 zuerſt formulirte,<lb/> und den der Bundesbeſchluß von 1854 in das deutſche Recht hinüber-<lb/> trug; die Strafbarkeit von Druckwerken, welche „zu Haß und Verach-<lb/> tung“ gegen die beſtehende ſittliche, geſellſchaftliche oder ſtaatliche<lb/> Ordnung aufreizen. Denn Haß und Verachtung können in einzelnen<lb/> Sätzen und Ausdrücken liegen, und dann fallen ſie ohnehin unter das<lb/> freie Strafrecht der Preſſe. Sie können aber auch als Conſequenzen<lb/> der in dem Druckwerke niedergelegten Arbeit des Geiſtes angeſehen<lb/> werden. Indem das Strafgeſetz ſich nun ganz allgemein ausdrückt, um-<lb/> faßt es, wenn auch unausgeſprochen, auch den letzteren Fall. Und in<lb/> dieſem Sinne greift es in dasjenige Gebiet ein, welches wir als das<lb/> der berechtigten Preßfreiheit anerkennen müſſen. Denn iſt einmal eine<lb/> ſolche Beſtimmung gegeben, ſo <hi rendition="#g">muß</hi> der Richter darnach urtheilen, gleich-<lb/> viel ob amtliches oder Geſchwornengericht gilt. Soll er das aber, ſo<lb/> entſteht der tiefe Widerſpruch, der jede Beſchränkung der Preßfreiheit<lb/> begleitet. Der Richter wird <hi rendition="#g">gezwungen</hi>, den objektiven Thatbeſtand<lb/> des begangenen Verbrechens in dem ſubjektiven Eindruck zu ſuchen, den<lb/> ihm die Conſequenzen des Druckwerkes gemacht haben. So entſteht der<lb/><hi rendition="#g">einzige</hi> Fall im ganzen Strafrecht, wo der Richter gegen alle Prin-<lb/> cipien der Strafrechtswiſſenſchaft <hi rendition="#g">ohne objektiven Thatbeſtand</hi> über<lb/> das Daſein eines Vergehens oder Verbrechens zu urtheilen gezwungen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0106]
muß, iſt nicht fraglich; daß dieſe Steuer bei Büchern und Werken nur
als Gewerbe- und Einkommenſteuer erſcheinen kann, während bei der
Tagespreſſe der Stempel eine Beſteuerung des Leſers enthält, alſo eine
Verbrauchsſteuer iſt, ſind Sätze, welche der Finanzwiſſenſchaft ange-
hören, und an ſich mit der Beſchränkung der Preſſe gar nichts zu thun
haben. Dieſelbe beginnt erſt da, wo der Stempel der Tagespreſſe ſo
hoch wird, daß er den Leſerkreis beſchränkt, oder wo das Porto in
demſelben Sinn zu hoch geſetzt iſt, während die Beförderung der Preſſe
aus naheliegenden Gründen weſentlich in der Herabſetzung des Portos
für Zeitungen und Broſchüren liegt.
2) Der ſtrafrechtliche Kampf gegen den Geiſt der Preſſe liegt
nun zweitens nicht in der Höhe der Strafe für Einzeläußerungen durch
dieſelbe; dieſe Höhe gehört überhaupt dem Strafrecht und nicht dem
Preßrecht. Sondern derſelbe beginnt vielmehr da, wo das Strafrecht
dem Richter die Pflicht auferlegt, neben der Beurtheilung der einzelnen
Aeußerungen noch ein Urtheil abzugeben über die Schlußfolgerungen,
welche aus dem Inhalt des Druckwerkes von dem Leſer gezogen werden
können, und den Inhalt dieſer Schlußfolgerungen als einen ſelbſtän-
digen verbrecheriſchen Thatbeſtand anzuerkennen. Den Haupt-
ausdruck dieſer Beſchränkung der Preßfreiheit durch das Strafrecht bildet
der Gedanke, den das franzöſiſche Preßgeſetz von 1819 zuerſt formulirte,
und den der Bundesbeſchluß von 1854 in das deutſche Recht hinüber-
trug; die Strafbarkeit von Druckwerken, welche „zu Haß und Verach-
tung“ gegen die beſtehende ſittliche, geſellſchaftliche oder ſtaatliche
Ordnung aufreizen. Denn Haß und Verachtung können in einzelnen
Sätzen und Ausdrücken liegen, und dann fallen ſie ohnehin unter das
freie Strafrecht der Preſſe. Sie können aber auch als Conſequenzen
der in dem Druckwerke niedergelegten Arbeit des Geiſtes angeſehen
werden. Indem das Strafgeſetz ſich nun ganz allgemein ausdrückt, um-
faßt es, wenn auch unausgeſprochen, auch den letzteren Fall. Und in
dieſem Sinne greift es in dasjenige Gebiet ein, welches wir als das
der berechtigten Preßfreiheit anerkennen müſſen. Denn iſt einmal eine
ſolche Beſtimmung gegeben, ſo muß der Richter darnach urtheilen, gleich-
viel ob amtliches oder Geſchwornengericht gilt. Soll er das aber, ſo
entſteht der tiefe Widerſpruch, der jede Beſchränkung der Preßfreiheit
begleitet. Der Richter wird gezwungen, den objektiven Thatbeſtand
des begangenen Verbrechens in dem ſubjektiven Eindruck zu ſuchen, den
ihm die Conſequenzen des Druckwerkes gemacht haben. So entſteht der
einzige Fall im ganzen Strafrecht, wo der Richter gegen alle Prin-
cipien der Strafrechtswiſſenſchaft ohne objektiven Thatbeſtand über
das Daſein eines Vergehens oder Verbrechens zu urtheilen gezwungen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |