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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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und hieran das Volks- und Berufsbildungswesen unmittelbar an-
schließt. Das ist es, wofür wir hier die Bahn brechen möchten.
Gelänge es uns, in dieser Weise das Verständniß der Presse zu
begründen und damit definitiv die Vorstellung zu beseitigen, als
könne man den großen Bildungsproceß der Völker jemals allein auf
Elementar- und Berufsbildung beschränken, so würde die vorliegende
Arbeit ihren allgemeinen Zweck erreicht haben. Freilich, eigentlich
bestreiten wird das niemand; das aber, worauf es zuletzt ankommt,
wird doch die Aufnahme dieser Wahrheit in das Bewußtsein aller
Schriftsteller und aller Verwaltungen sein; und das Criterium
desselben wird dann in der Forderung erscheinen, daß auch der
Tagesschriftsteller seine Fachbildung für seinen sehr ernsten Beruf
besitze. -- --

Was nun den speciellen Inhalt betrifft, so muß ich wieder-
holen, daß ich das ganze Material weder erreichen, noch auch das
erreichte ganz bewältigen konnte. Ich muß mir dabei gestatten, auf
eine Lücke in der Literatur des gesammten Europas hinzuweisen,
die man erst dann recht erfährt, wenn man auf die Sache genauer
eingeht, oder sie wenigstens, wie die innere Verwaltungslehre, in
ihrer speciellen Bedeutung zu würdigen Veranlassung nehmen muß.
Uns fehlt nämlich eine wissenschaftliche Behandlung der einzelnen
großen allgemeinen Bildungsanstalten, wie z. B. der Sammlungen,
namentlich der Theater und Bibliotheken. Wir meinen damit nicht,
daß nicht vieles sehr Bedeutende darüber gesagt wäre. Allein von
dem Standpunkte der Verwaltung -- von dem Standpunkte der
Frage, in welcher Weise diese Anstalten eben von Seite der Regie-
rungen behandelt worden sind und behandelt werden müßten --
sind dieselben unsres Wissens niemals untersucht worden. Das
Theaterwesen ist vielfach besprochen; aber die Literatur desselben ist
keine fachmännische in dem Sinne, in welchem wir es für die Ver-
waltungslehre zu fordern haben. Das Bibliothekswesen seinerseits
entbehrt -- unsres Wissens -- geradezu jeder eingehenden Bearbei-
tung, und das ist in unsrer Zeit ein großer Uebelstand, weil in
demselben genau derselbe Proceß beginnt, der in der Presse jetzt
ziemlich allgemein herrscht, die Bewältigung der Ausschließlichkeit
des gelehrten Bibliothekswesens durch das Auftreten des Bedürfnisses
nach den Volksbibliotheken -- den Gemeinde- und Vereinsbibliotheken

und hieran das Volks- und Berufsbildungsweſen unmittelbar an-
ſchließt. Das iſt es, wofür wir hier die Bahn brechen möchten.
Gelänge es uns, in dieſer Weiſe das Verſtändniß der Preſſe zu
begründen und damit definitiv die Vorſtellung zu beſeitigen, als
könne man den großen Bildungsproceß der Völker jemals allein auf
Elementar- und Berufsbildung beſchränken, ſo würde die vorliegende
Arbeit ihren allgemeinen Zweck erreicht haben. Freilich, eigentlich
beſtreiten wird das niemand; das aber, worauf es zuletzt ankommt,
wird doch die Aufnahme dieſer Wahrheit in das Bewußtſein aller
Schriftſteller und aller Verwaltungen ſein; und das Criterium
deſſelben wird dann in der Forderung erſcheinen, daß auch der
Tagesſchriftſteller ſeine Fachbildung für ſeinen ſehr ernſten Beruf
beſitze. — —

Was nun den ſpeciellen Inhalt betrifft, ſo muß ich wieder-
holen, daß ich das ganze Material weder erreichen, noch auch das
erreichte ganz bewältigen konnte. Ich muß mir dabei geſtatten, auf
eine Lücke in der Literatur des geſammten Europas hinzuweiſen,
die man erſt dann recht erfährt, wenn man auf die Sache genauer
eingeht, oder ſie wenigſtens, wie die innere Verwaltungslehre, in
ihrer ſpeciellen Bedeutung zu würdigen Veranlaſſung nehmen muß.
Uns fehlt nämlich eine wiſſenſchaftliche Behandlung der einzelnen
großen allgemeinen Bildungsanſtalten, wie z. B. der Sammlungen,
namentlich der Theater und Bibliotheken. Wir meinen damit nicht,
daß nicht vieles ſehr Bedeutende darüber geſagt wäre. Allein von
dem Standpunkte der Verwaltung — von dem Standpunkte der
Frage, in welcher Weiſe dieſe Anſtalten eben von Seite der Regie-
rungen behandelt worden ſind und behandelt werden müßten
ſind dieſelben unſres Wiſſens niemals unterſucht worden. Das
Theaterweſen iſt vielfach beſprochen; aber die Literatur deſſelben iſt
keine fachmänniſche in dem Sinne, in welchem wir es für die Ver-
waltungslehre zu fordern haben. Das Bibliotheksweſen ſeinerſeits
entbehrt — unſres Wiſſens — geradezu jeder eingehenden Bearbei-
tung, und das iſt in unſrer Zeit ein großer Uebelſtand, weil in
demſelben genau derſelbe Proceß beginnt, der in der Preſſe jetzt
ziemlich allgemein herrſcht, die Bewältigung der Ausſchließlichkeit
des gelehrten Bibliotheksweſens durch das Auftreten des Bedürfniſſes
nach den Volksbibliotheken — den Gemeinde- und Vereinsbibliotheken

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[VII/0013] und hieran das Volks- und Berufsbildungsweſen unmittelbar an- ſchließt. Das iſt es, wofür wir hier die Bahn brechen möchten. Gelänge es uns, in dieſer Weiſe das Verſtändniß der Preſſe zu begründen und damit definitiv die Vorſtellung zu beſeitigen, als könne man den großen Bildungsproceß der Völker jemals allein auf Elementar- und Berufsbildung beſchränken, ſo würde die vorliegende Arbeit ihren allgemeinen Zweck erreicht haben. Freilich, eigentlich beſtreiten wird das niemand; das aber, worauf es zuletzt ankommt, wird doch die Aufnahme dieſer Wahrheit in das Bewußtſein aller Schriftſteller und aller Verwaltungen ſein; und das Criterium deſſelben wird dann in der Forderung erſcheinen, daß auch der Tagesſchriftſteller ſeine Fachbildung für ſeinen ſehr ernſten Beruf beſitze. — — Was nun den ſpeciellen Inhalt betrifft, ſo muß ich wieder- holen, daß ich das ganze Material weder erreichen, noch auch das erreichte ganz bewältigen konnte. Ich muß mir dabei geſtatten, auf eine Lücke in der Literatur des geſammten Europas hinzuweiſen, die man erſt dann recht erfährt, wenn man auf die Sache genauer eingeht, oder ſie wenigſtens, wie die innere Verwaltungslehre, in ihrer ſpeciellen Bedeutung zu würdigen Veranlaſſung nehmen muß. Uns fehlt nämlich eine wiſſenſchaftliche Behandlung der einzelnen großen allgemeinen Bildungsanſtalten, wie z. B. der Sammlungen, namentlich der Theater und Bibliotheken. Wir meinen damit nicht, daß nicht vieles ſehr Bedeutende darüber geſagt wäre. Allein von dem Standpunkte der Verwaltung — von dem Standpunkte der Frage, in welcher Weiſe dieſe Anſtalten eben von Seite der Regie- rungen behandelt worden ſind und behandelt werden müßten — ſind dieſelben unſres Wiſſens niemals unterſucht worden. Das Theaterweſen iſt vielfach beſprochen; aber die Literatur deſſelben iſt keine fachmänniſche in dem Sinne, in welchem wir es für die Ver- waltungslehre zu fordern haben. Das Bibliotheksweſen ſeinerſeits entbehrt — unſres Wiſſens — geradezu jeder eingehenden Bearbei- tung, und das iſt in unſrer Zeit ein großer Uebelſtand, weil in demſelben genau derſelbe Proceß beginnt, der in der Preſſe jetzt ziemlich allgemein herrſcht, die Bewältigung der Ausſchließlichkeit des gelehrten Bibliotheksweſens durch das Auftreten des Bedürfniſſes nach den Volksbibliotheken — den Gemeinde- und Vereinsbibliotheken

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/13>, abgerufen am 28.04.2024.