Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.III. Die Polizei der Unmäßigkeit. Erst mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretische England. Im Allgemeinen ist dieser Theil den bye laws der III. Die Polizei der Unmäßigkeit. Erſt mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretiſche England. Im Allgemeinen iſt dieſer Theil den bye laws der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0037" n="21"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Polizei der Unmäßigkeit.</hi> </head><lb/> <p>Erſt mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretiſche<lb/> Anerkennung des Satzes, daß die Unmäßigkeit aller Art ein öffent-<lb/> liches Uebel ſei, und erſt mit der polizeilichen Epoche beginnt der<lb/> Verſuch, den bisher nur auf kirchlichem Gebiete geführten Kampf durch<lb/> die Polizei aufzunehmen. Die Unmäßigkeit, bis dahin nur Sünde,<lb/> wird jetzt als etwas Schädliches anerkannt, und damit wird ihr Begriff<lb/> und das polizeiliche Verbot nunmehr zu einem ſyſtematiſch ausgebildeten<lb/> gegen alle Arten der Unmäßigkeit. Bezeichnend ſind dabei die Verbote<lb/> der großen Hochzeitsgelage und die Kleiderordnungen ſeit dem 16. Jahr-<lb/> hundert, deren Zweck nicht ſo ſehr die Verhütung der perſönlichen<lb/> Unmäßigkeit oder der Schutz der öffentlichen Zucht, als vielmehr ein<lb/><hi rendition="#g">volkswirthſchaftlicher</hi> iſt. Erſt mit dem vorigen Jahrhundert<lb/> tritt mit der Polizei der <hi rendition="#g">öffentlichen Trunkenheit</hi>, ſo wie mit der<lb/> der <hi rendition="#g">Schenkſtuben</hi> die Zuchtpolizei an die Stelle der volkswirthſchaft-<lb/> lichen Polizei; die erſte von dem Standpunkt, daß nur die Oeffentlich-<lb/> keit der Trunkenheit, die zweite von dem, daß die Verleitung dazu in<lb/> dem Offenſtehen der Schenkſtuben verhindert werden müſſe. Weiter als<lb/> bis zu <hi rendition="#g">dieſer Verhinderung</hi> geht das Recht der Polizei der Un-<lb/> mäßigkeit nicht; zugleich greift in das erſtere die Sicherheits-, in das<lb/> zweite die Gewerbspolizei hinein; doch iſt das Recht ſelbſt meiſt Ver-<lb/> ordnungsrecht, und die Vollziehung eine rein örtliche. Dabei ſteht feſt,<lb/> daß namentlich wo der Beſuch von Schenkſtuben einmal wirklich <hi rendition="#g">ver-<lb/> boten</hi> iſt, die Uebertretung beſtraft werden muß.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><hi rendition="#g">England</hi>. Im Allgemeinen iſt dieſer Theil den <hi rendition="#aq">bye laws</hi> der<lb/> Gemeindeverwaltungen überlaſſen; doch ſind einzelne maßgebende Ge-<lb/> ſetze erlaſſen. Die <hi rendition="#g">erſte</hi> Wirthshausordnung war das <hi rendition="#aq">St. 9. Georg IV.<lb/> c.</hi> 58; verbeſſert durch 16—17 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 67. Die gegenwärtig geltenden<lb/> iſt das <hi rendition="#aq">St. 25—26. Vict.</hi> 35. Darnach muß die Anlage jedes Wirths-<lb/> hauſes von dem Friedensrichter genehmigt werden; die Genehmigung<lb/> wird dann den Steuerbehörden mitgetheilt, und dann erſt folgt die<lb/> Conceſſion. <hi rendition="#g">Gegen</hi> die letzteren können die Nachbarn ſich beim Frie-<lb/> densrichter beſchweren, was in öffentlicher Verhandlung geſchieht. Die<lb/> örtliche Behörde (<hi rendition="#aq">Chief magistrate</hi>) kann das Schenkhaus von der<lb/> Polizeiſtunde befreien (Auſtria 1864, S. 473). Nach 28. 29 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 77.<lb/> kann ſogar jeder Friedensrichter ein öffentliches Haus polizeilich nach<lb/> Ermeſſen <hi rendition="#g">ſchließen</hi> (<hi rendition="#aq">Public houses Closing Act</hi> 1865. (Auſtria<lb/> 1866.)</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0037]
III. Die Polizei der Unmäßigkeit.
Erſt mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretiſche
Anerkennung des Satzes, daß die Unmäßigkeit aller Art ein öffent-
liches Uebel ſei, und erſt mit der polizeilichen Epoche beginnt der
Verſuch, den bisher nur auf kirchlichem Gebiete geführten Kampf durch
die Polizei aufzunehmen. Die Unmäßigkeit, bis dahin nur Sünde,
wird jetzt als etwas Schädliches anerkannt, und damit wird ihr Begriff
und das polizeiliche Verbot nunmehr zu einem ſyſtematiſch ausgebildeten
gegen alle Arten der Unmäßigkeit. Bezeichnend ſind dabei die Verbote
der großen Hochzeitsgelage und die Kleiderordnungen ſeit dem 16. Jahr-
hundert, deren Zweck nicht ſo ſehr die Verhütung der perſönlichen
Unmäßigkeit oder der Schutz der öffentlichen Zucht, als vielmehr ein
volkswirthſchaftlicher iſt. Erſt mit dem vorigen Jahrhundert
tritt mit der Polizei der öffentlichen Trunkenheit, ſo wie mit der
der Schenkſtuben die Zuchtpolizei an die Stelle der volkswirthſchaft-
lichen Polizei; die erſte von dem Standpunkt, daß nur die Oeffentlich-
keit der Trunkenheit, die zweite von dem, daß die Verleitung dazu in
dem Offenſtehen der Schenkſtuben verhindert werden müſſe. Weiter als
bis zu dieſer Verhinderung geht das Recht der Polizei der Un-
mäßigkeit nicht; zugleich greift in das erſtere die Sicherheits-, in das
zweite die Gewerbspolizei hinein; doch iſt das Recht ſelbſt meiſt Ver-
ordnungsrecht, und die Vollziehung eine rein örtliche. Dabei ſteht feſt,
daß namentlich wo der Beſuch von Schenkſtuben einmal wirklich ver-
boten iſt, die Uebertretung beſtraft werden muß.
England. Im Allgemeinen iſt dieſer Theil den bye laws der
Gemeindeverwaltungen überlaſſen; doch ſind einzelne maßgebende Ge-
ſetze erlaſſen. Die erſte Wirthshausordnung war das St. 9. Georg IV.
c. 58; verbeſſert durch 16—17 Vict. 67. Die gegenwärtig geltenden
iſt das St. 25—26. Vict. 35. Darnach muß die Anlage jedes Wirths-
hauſes von dem Friedensrichter genehmigt werden; die Genehmigung
wird dann den Steuerbehörden mitgetheilt, und dann erſt folgt die
Conceſſion. Gegen die letzteren können die Nachbarn ſich beim Frie-
densrichter beſchweren, was in öffentlicher Verhandlung geſchieht. Die
örtliche Behörde (Chief magistrate) kann das Schenkhaus von der
Polizeiſtunde befreien (Auſtria 1864, S. 473). Nach 28. 29 Vict. 77.
kann ſogar jeder Friedensrichter ein öffentliches Haus polizeilich nach
Ermeſſen ſchließen (Public houses Closing Act 1865. (Auſtria
1866.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |