Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.haben bekanntlich der ganzen Civilisation Deutschlands widerstanden: V. Die Polizei der Feiertage. Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen haben bekanntlich der ganzen Civiliſation Deutſchlands widerſtanden: V. Die Polizei der Feiertage. Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0040" n="24"/> haben bekanntlich der ganzen Civiliſation Deutſchlands widerſtanden:<lb/> die württembergiſche Propoſition vom 18. April 1844, die Aufhebung<lb/> der Spielhäuſer durch Bundesbeſchluß zu dekretiren, blieb ohne Erfolg.<lb/> — In <hi rendition="#g">England</hi> ſind alle öffentlichen Spielhäuſer ſtrenge verboten,<lb/> und keine Spielſchuld iſt klagbar. Doch finden in Wirklichkeit Haſard-<lb/> ſpiele vielfach ſtatt. Uebrigens werden ſie faſt überflüſſig durch die<lb/><hi rendition="#g">Wetten</hi>, die in den <hi rendition="#aq">betting banks</hi> und <hi rendition="#aq">betting houses</hi> zu einer<lb/> förmlichen Induſtrie geworden ſind. — Die Frage nach dem Lotto und<lb/> den Lotterie-Anlehen gehört zwar nicht direkt hieher; es iſt aber doch<lb/> nicht ganz zu überſehen, daß unter <hi rendition="#g">völliger</hi> Beſeitigung der Zahlen-<lb/> lottos die Lotterie-Anlehen aller Art, bei denen der Einſatz im Grunde<lb/> nur der <hi rendition="#g">Zins</hi> des angelegten Kapitals iſt, die einzige noch zu ver-<lb/> theidigende Form des Glücksſpiels bieten.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Die Polizei der Feiertage.</hi> </head><lb/> <p>Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen<lb/> des religiöſen Lebens iſt eine ſo tiefe ethiſche Nothwendigkeit, daß <hi rendition="#g">keine</hi><lb/> religiöſe Weltanſchauung ſich ihr je entzogen hat. Die Frage iſt daher<lb/> auch nicht die, <hi rendition="#g">ob</hi> die kirchlichen Sonn- und Feſttage durch Erwerbs-<lb/> unthätigkeit gefeiert werden ſollen, ſondern in der That nur die, ob<lb/> die Verwaltung des Innern <hi rendition="#g">polizeilich</hi> das Einſtellen der Arbeit<lb/> bewirken oder daſſelbe den religiöſen Einflüſſen der Kirche überlaſſen<lb/> ſoll. Dieſe Frage nun hat zwei Seiten. Die eine iſt eine rein ſtaat-<lb/> liche, die zweite eine volkswirthſchaftliche. Was die rein ſtaatliche Seite<lb/> und ihr öffentliches Recht betrifft, ſo hängt daſſelbe davon ab, ob der<lb/> Staat eine Staatskirche auch <hi rendition="#g">verwaltungsrechtlich</hi> anerkennt.<lb/> Allerdings gehört dieſe Frage in die Verfaſſung. Allein es iſt klar,<lb/> daß <hi rendition="#g">wenn</hi> ein Staat dieß thut, die erſte rechtliche Folge davon für<lb/> die Polizei der Feiertage die iſt, daß die übrigen Kirchen die Feiertage<lb/> der Staatskirche äußerlich auch für ſich als geltend anerkennen und<lb/> in Beziehung auf die äußere Heilighaltung ihren Vorſchriften folgen<lb/> müſſen. Die zweite rechtliche Folge davon iſt die, daß der Staat ver-<lb/> pflichtet iſt, die Vorſchriften der Kirche durch ſeine Polizeigewalt gegen<lb/> Jeden zur Geltung zu bringen, alſo die Uebertretungen der kirchlichen<lb/> Anordnungen mit Strafen zu bedrohen und mit Gewalt zu hindern. In<lb/> dieſem Falle muß ſich daher der Staat als vollziehende Gewalt nicht<lb/> mehr ſeiner ſelbſt, ſondern der Kirche anerkennen, und jede verwal-<lb/> tungsrechtliche Frage hört auf. Hat der Staat dagegen keine Staats-<lb/> kirche, ſo beginnt das Verwaltungsrecht. Daſſelbe wird nun zu unter-<lb/> ſcheiden haben zwiſchen der Feier ſelbſt, und der Störung derſelben.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0040]
haben bekanntlich der ganzen Civiliſation Deutſchlands widerſtanden:
die württembergiſche Propoſition vom 18. April 1844, die Aufhebung
der Spielhäuſer durch Bundesbeſchluß zu dekretiren, blieb ohne Erfolg.
— In England ſind alle öffentlichen Spielhäuſer ſtrenge verboten,
und keine Spielſchuld iſt klagbar. Doch finden in Wirklichkeit Haſard-
ſpiele vielfach ſtatt. Uebrigens werden ſie faſt überflüſſig durch die
Wetten, die in den betting banks und betting houses zu einer
förmlichen Induſtrie geworden ſind. — Die Frage nach dem Lotto und
den Lotterie-Anlehen gehört zwar nicht direkt hieher; es iſt aber doch
nicht ganz zu überſehen, daß unter völliger Beſeitigung der Zahlen-
lottos die Lotterie-Anlehen aller Art, bei denen der Einſatz im Grunde
nur der Zins des angelegten Kapitals iſt, die einzige noch zu ver-
theidigende Form des Glücksſpiels bieten.
V. Die Polizei der Feiertage.
Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen
des religiöſen Lebens iſt eine ſo tiefe ethiſche Nothwendigkeit, daß keine
religiöſe Weltanſchauung ſich ihr je entzogen hat. Die Frage iſt daher
auch nicht die, ob die kirchlichen Sonn- und Feſttage durch Erwerbs-
unthätigkeit gefeiert werden ſollen, ſondern in der That nur die, ob
die Verwaltung des Innern polizeilich das Einſtellen der Arbeit
bewirken oder daſſelbe den religiöſen Einflüſſen der Kirche überlaſſen
ſoll. Dieſe Frage nun hat zwei Seiten. Die eine iſt eine rein ſtaat-
liche, die zweite eine volkswirthſchaftliche. Was die rein ſtaatliche Seite
und ihr öffentliches Recht betrifft, ſo hängt daſſelbe davon ab, ob der
Staat eine Staatskirche auch verwaltungsrechtlich anerkennt.
Allerdings gehört dieſe Frage in die Verfaſſung. Allein es iſt klar,
daß wenn ein Staat dieß thut, die erſte rechtliche Folge davon für
die Polizei der Feiertage die iſt, daß die übrigen Kirchen die Feiertage
der Staatskirche äußerlich auch für ſich als geltend anerkennen und
in Beziehung auf die äußere Heilighaltung ihren Vorſchriften folgen
müſſen. Die zweite rechtliche Folge davon iſt die, daß der Staat ver-
pflichtet iſt, die Vorſchriften der Kirche durch ſeine Polizeigewalt gegen
Jeden zur Geltung zu bringen, alſo die Uebertretungen der kirchlichen
Anordnungen mit Strafen zu bedrohen und mit Gewalt zu hindern. In
dieſem Falle muß ſich daher der Staat als vollziehende Gewalt nicht
mehr ſeiner ſelbſt, ſondern der Kirche anerkennen, und jede verwal-
tungsrechtliche Frage hört auf. Hat der Staat dagegen keine Staats-
kirche, ſo beginnt das Verwaltungsrecht. Daſſelbe wird nun zu unter-
ſcheiden haben zwiſchen der Feier ſelbſt, und der Störung derſelben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |