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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Bild dieser auf allen Punkten im Werden begriffenen Verhältnisse zu
geben. Denn in allen Staaten geschah etwas, in keinem alles.
Begriffe und Rechte dieser Verhältnisse, Namen und Vorstellungen
erschienen wirklich als die "ewige Krankheit" des Dichters, und es muß
genügen, einige wenige Andeutungen über den damaligen Zustand,
den Charakter und die Bewegung der Entlastung hier mitzutheilen,
indem wir die obigen Kategorien dabei zu Grunde legen.

Zuerst muß man diejenige Gruppe ausscheiden, welche bis zum
Jahre 1848 für die Befreiung des Bauernstandes von Staatswegen
gar nichts gethan hat. Dahin gehören namentlich Oesterreich und
Mecklenburg. Oesterreich ist dann 1848 so entschieden in die Bahn des
Fortschrittes hineingetreten, daß es den meisten andern Staaten voran-
steht. In Mecklenburg dagegen herrscht noch gegenwärtig das alte System
(Mecklenburg bei Sugenheim; Krünitz, Encyklopädie XVIII. 153--177).

Für die übrigen Staaten muß dann ferner die Zeit bis 1830
von der zweiten Epoche bis 1848 geschieden werden. Im Allgemeinen
ist es zutreffend, wenn man sagt, daß bis 1830 so ziemlich in allen
deutschen Bundesstaaten die Leibeigenschaft und die aus ihr her-
vorgehenden Abgaben und Leistungen unentgeltlich aufgehoben werden,
während die Grund- und Reallasten in einigen Staaten der Ablösung
auf freiwilligem Wege beginnt, während sie in andern nicht einmal
versucht wird, so daß der ganze Zustand ein höchst ungleichartiger ist,
und nach allen Richtungen hin bestätigt, was wir bereits erwähnt,
daß der Charakter der großen Bewegung ein durchgreifend localer ge-
wesen ist. Dasselbe gilt von den Ablösungen und Gemeinheitsthei-
lungen (s. später); das Jagdrecht dagegen bleibt so gut als ohne
Ausnahme auf seinem feudalen Standpunkte bestehen.

Dabei tritt nun ein großer Unterschied zwischen den Verfassungs-
staaten des Südens, Preußen und den übrigen Mittel- und Klein-
staaten auf den ersten Blick hervor. Preußen geht allen deutschen
Staaten mit dem großartigen Princip seiner Gesetze von 1807 und
1811 voran, bleibt aber in der Ausführung so sehr zurück, daß es
selbst nach 1848 keineswegs seine Grundentlastung zu einer völligen
Befreiung von der Geschlechterherrschaft erhoben hat. Die Verfassungs-
staaten sind in ihrer Entwicklung untereinander sehr verschieden; Würt-
temberg und Baden sind am weitesten voraus; Bayern bleibt gänzlich
zurück, Hessen bedarf des Stoßes von 1830. Die übrigen Staaten
thun sehr wenig; sie stehen bis zum Jahre 1830 meist ganz still und
gehen dann sehr vorsichtig weiter, bis erst das Jahr 1848 Klarheit
in Gesetzgebung und Verwaltung bringt. Alles das gilt nun sowohl
für die Lasten selbst, als für die Patrimonialjurisdiktion. Hätten

Bild dieſer auf allen Punkten im Werden begriffenen Verhältniſſe zu
geben. Denn in allen Staaten geſchah etwas, in keinem alles.
Begriffe und Rechte dieſer Verhältniſſe, Namen und Vorſtellungen
erſchienen wirklich als die „ewige Krankheit“ des Dichters, und es muß
genügen, einige wenige Andeutungen über den damaligen Zuſtand,
den Charakter und die Bewegung der Entlaſtung hier mitzutheilen,
indem wir die obigen Kategorien dabei zu Grunde legen.

Zuerſt muß man diejenige Gruppe ausſcheiden, welche bis zum
Jahre 1848 für die Befreiung des Bauernſtandes von Staatswegen
gar nichts gethan hat. Dahin gehören namentlich Oeſterreich und
Mecklenburg. Oeſterreich iſt dann 1848 ſo entſchieden in die Bahn des
Fortſchrittes hineingetreten, daß es den meiſten andern Staaten voran-
ſteht. In Mecklenburg dagegen herrſcht noch gegenwärtig das alte Syſtem
(Mecklenburg bei Sugenheim; Krünitz, Encyklopädie XVIII. 153—177).

Für die übrigen Staaten muß dann ferner die Zeit bis 1830
von der zweiten Epoche bis 1848 geſchieden werden. Im Allgemeinen
iſt es zutreffend, wenn man ſagt, daß bis 1830 ſo ziemlich in allen
deutſchen Bundesſtaaten die Leibeigenſchaft und die aus ihr her-
vorgehenden Abgaben und Leiſtungen unentgeltlich aufgehoben werden,
während die Grund- und Reallaſten in einigen Staaten der Ablöſung
auf freiwilligem Wege beginnt, während ſie in andern nicht einmal
verſucht wird, ſo daß der ganze Zuſtand ein höchſt ungleichartiger iſt,
und nach allen Richtungen hin beſtätigt, was wir bereits erwähnt,
daß der Charakter der großen Bewegung ein durchgreifend localer ge-
weſen iſt. Daſſelbe gilt von den Ablöſungen und Gemeinheitsthei-
lungen (ſ. ſpäter); das Jagdrecht dagegen bleibt ſo gut als ohne
Ausnahme auf ſeinem feudalen Standpunkte beſtehen.

Dabei tritt nun ein großer Unterſchied zwiſchen den Verfaſſungs-
ſtaaten des Südens, Preußen und den übrigen Mittel- und Klein-
ſtaaten auf den erſten Blick hervor. Preußen geht allen deutſchen
Staaten mit dem großartigen Princip ſeiner Geſetze von 1807 und
1811 voran, bleibt aber in der Ausführung ſo ſehr zurück, daß es
ſelbſt nach 1848 keineswegs ſeine Grundentlaſtung zu einer völligen
Befreiung von der Geſchlechterherrſchaft erhoben hat. Die Verfaſſungs-
ſtaaten ſind in ihrer Entwicklung untereinander ſehr verſchieden; Würt-
temberg und Baden ſind am weiteſten voraus; Bayern bleibt gänzlich
zurück, Heſſen bedarf des Stoßes von 1830. Die übrigen Staaten
thun ſehr wenig; ſie ſtehen bis zum Jahre 1830 meiſt ganz ſtill und
gehen dann ſehr vorſichtig weiter, bis erſt das Jahr 1848 Klarheit
in Geſetzgebung und Verwaltung bringt. Alles das gilt nun ſowohl
für die Laſten ſelbſt, als für die Patrimonialjurisdiktion. Hätten

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[208/0226] Bild dieſer auf allen Punkten im Werden begriffenen Verhältniſſe zu geben. Denn in allen Staaten geſchah etwas, in keinem alles. Begriffe und Rechte dieſer Verhältniſſe, Namen und Vorſtellungen erſchienen wirklich als die „ewige Krankheit“ des Dichters, und es muß genügen, einige wenige Andeutungen über den damaligen Zuſtand, den Charakter und die Bewegung der Entlaſtung hier mitzutheilen, indem wir die obigen Kategorien dabei zu Grunde legen. Zuerſt muß man diejenige Gruppe ausſcheiden, welche bis zum Jahre 1848 für die Befreiung des Bauernſtandes von Staatswegen gar nichts gethan hat. Dahin gehören namentlich Oeſterreich und Mecklenburg. Oeſterreich iſt dann 1848 ſo entſchieden in die Bahn des Fortſchrittes hineingetreten, daß es den meiſten andern Staaten voran- ſteht. In Mecklenburg dagegen herrſcht noch gegenwärtig das alte Syſtem (Mecklenburg bei Sugenheim; Krünitz, Encyklopädie XVIII. 153—177). Für die übrigen Staaten muß dann ferner die Zeit bis 1830 von der zweiten Epoche bis 1848 geſchieden werden. Im Allgemeinen iſt es zutreffend, wenn man ſagt, daß bis 1830 ſo ziemlich in allen deutſchen Bundesſtaaten die Leibeigenſchaft und die aus ihr her- vorgehenden Abgaben und Leiſtungen unentgeltlich aufgehoben werden, während die Grund- und Reallaſten in einigen Staaten der Ablöſung auf freiwilligem Wege beginnt, während ſie in andern nicht einmal verſucht wird, ſo daß der ganze Zuſtand ein höchſt ungleichartiger iſt, und nach allen Richtungen hin beſtätigt, was wir bereits erwähnt, daß der Charakter der großen Bewegung ein durchgreifend localer ge- weſen iſt. Daſſelbe gilt von den Ablöſungen und Gemeinheitsthei- lungen (ſ. ſpäter); das Jagdrecht dagegen bleibt ſo gut als ohne Ausnahme auf ſeinem feudalen Standpunkte beſtehen. Dabei tritt nun ein großer Unterſchied zwiſchen den Verfaſſungs- ſtaaten des Südens, Preußen und den übrigen Mittel- und Klein- ſtaaten auf den erſten Blick hervor. Preußen geht allen deutſchen Staaten mit dem großartigen Princip ſeiner Geſetze von 1807 und 1811 voran, bleibt aber in der Ausführung ſo ſehr zurück, daß es ſelbſt nach 1848 keineswegs ſeine Grundentlaſtung zu einer völligen Befreiung von der Geſchlechterherrſchaft erhoben hat. Die Verfaſſungs- ſtaaten ſind in ihrer Entwicklung untereinander ſehr verſchieden; Würt- temberg und Baden ſind am weiteſten voraus; Bayern bleibt gänzlich zurück, Heſſen bedarf des Stoßes von 1830. Die übrigen Staaten thun ſehr wenig; ſie ſtehen bis zum Jahre 1830 meiſt ganz ſtill und gehen dann ſehr vorſichtig weiter, bis erſt das Jahr 1848 Klarheit in Geſetzgebung und Verwaltung bringt. Alles das gilt nun ſowohl für die Laſten ſelbſt, als für die Patrimonialjurisdiktion. Hätten

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/226>, abgerufen am 21.11.2024.