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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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gestattet, jedoch ohne jede Staatshülfe. Daher blieb der ganze
Fortschritt in Preußen ein halber; der Adel behielt fast ganz seine
frühere Stellung; die folgenden Gesetze von 1821, 1829 und 1840
änderten an dem Grunde dieser Verhältnisse nichts (vgl. Judeich,
Grundentlastung S. 36) und die Patrimonialgerichte machten das
Durchgreifen der Ablösungen so schwer als möglich. Dazu kam end-
lich eine sehr große, zum Theil principielle Verschiedenheit in der
Durchführung je nach den einzelnen Provinzen, wodurch nicht bloß die
Ablösung selbst erschwert, sondern auch viel Unmuth durch Vergleichung
der besser Gestellten mit den Zurückgesetzten hervorgebracht ward. Eine
einfache Darstellung wird dadurch so gut als unmöglich (vgl. Sugen-
heim
S. 486, 487, namentlich auch Weber, Handbuch der staats-
wirthschaftlichen Statistik der preußischen Monarchie, 1840, S. 367).
Daher denn die gewaltige Unzufriedenheit des Volkes in den vierziger
Jahren; Preußen hatte viel für seinen Bauernstand, aber wenig für
dessen Staatsbürgerthum gethan, und was das Schlimmste war, es
trug die Verantwortung dafür, daß auch die übrigen Staaten Deutsch-
lands so weit als möglich hinter den Forderungen der Zeit zurück-
blieben.

In den Verfassungsstaaten zuerst kam man auch nur zum Theil
weiter. In Baden hob zwar die Verfassung von 1818 die Leib-
eigenschaft
und die Lasten derselben, gegen "einen angemessenen
Abkauffuß" auf (§. 11) und eine Reihe von einzelnen Gesetzen, die
mit 1820 begannen, beseitigen stückweise die einzelnen Rechte der
Geschlechterherrschaft; allein die wirkliche Ausführung dieser Gesetze ließ
so viel zu wünschen übrig, "daß die innere Staatsverfassung des
Großherzogthums während Karl Friedrichs (+ 10. Juni 1811) und
seines Nachfolgers Karl (+ 8. December 1818) Regierung zum Theil
immer noch auf der Grundlage der Leibeigenschaft eines großen
Theiles der Einwohner fortberuhen
" -- so schreibt noch
Pfister, Geschichtliche Entwicklung des Staatsrechts des Großherzog-
thums Baden, erste Aufl. 1836, Bd. II. S. 12. (Vgl. dazu Sugen-
heim
S. 426.) Das wird wohl den gewaltigen Einfluß hinreichend
erklären, den Rotteck und Welcker in diesem "verfassungsmäßigsten"
aller deutschen Länder haben konnten. Erst 1830 beginnt eine neue
Bewegung, indem durch Gesetz vom 28. Mai 1831 und 28. De-
cember 1831 alle Herren frohnden und erst nach hartnäckigem Wider-
stande des Adels durch ein Gesetz vom 15. November 1833 auch die
seit 1819 vielfach besprochenen Zehnten wirklich und zwar unter
wirksamer Beihülfe der Staatskasse ablösbar erklärt worden. Die
Patrimonialgerichtsbarkeit war bereits durch Verordnung vom 1. Juni

geſtattet, jedoch ohne jede Staatshülfe. Daher blieb der ganze
Fortſchritt in Preußen ein halber; der Adel behielt faſt ganz ſeine
frühere Stellung; die folgenden Geſetze von 1821, 1829 und 1840
änderten an dem Grunde dieſer Verhältniſſe nichts (vgl. Judeich,
Grundentlaſtung S. 36) und die Patrimonialgerichte machten das
Durchgreifen der Ablöſungen ſo ſchwer als möglich. Dazu kam end-
lich eine ſehr große, zum Theil principielle Verſchiedenheit in der
Durchführung je nach den einzelnen Provinzen, wodurch nicht bloß die
Ablöſung ſelbſt erſchwert, ſondern auch viel Unmuth durch Vergleichung
der beſſer Geſtellten mit den Zurückgeſetzten hervorgebracht ward. Eine
einfache Darſtellung wird dadurch ſo gut als unmöglich (vgl. Sugen-
heim
S. 486, 487, namentlich auch Weber, Handbuch der ſtaats-
wirthſchaftlichen Statiſtik der preußiſchen Monarchie, 1840, S. 367).
Daher denn die gewaltige Unzufriedenheit des Volkes in den vierziger
Jahren; Preußen hatte viel für ſeinen Bauernſtand, aber wenig für
deſſen Staatsbürgerthum gethan, und was das Schlimmſte war, es
trug die Verantwortung dafür, daß auch die übrigen Staaten Deutſch-
lands ſo weit als möglich hinter den Forderungen der Zeit zurück-
blieben.

In den Verfaſſungsſtaaten zuerſt kam man auch nur zum Theil
weiter. In Baden hob zwar die Verfaſſung von 1818 die Leib-
eigenſchaft
und die Laſten derſelben, gegen „einen angemeſſenen
Abkauffuß“ auf (§. 11) und eine Reihe von einzelnen Geſetzen, die
mit 1820 begannen, beſeitigen ſtückweiſe die einzelnen Rechte der
Geſchlechterherrſchaft; allein die wirkliche Ausführung dieſer Geſetze ließ
ſo viel zu wünſchen übrig, „daß die innere Staatsverfaſſung des
Großherzogthums während Karl Friedrichs († 10. Juni 1811) und
ſeines Nachfolgers Karl († 8. December 1818) Regierung zum Theil
immer noch auf der Grundlage der Leibeigenſchaft eines großen
Theiles der Einwohner fortberuhen
“ — ſo ſchreibt noch
Pfiſter, Geſchichtliche Entwicklung des Staatsrechts des Großherzog-
thums Baden, erſte Aufl. 1836, Bd. II. S. 12. (Vgl. dazu Sugen-
heim
S. 426.) Das wird wohl den gewaltigen Einfluß hinreichend
erklären, den Rotteck und Welcker in dieſem „verfaſſungsmäßigſten“
aller deutſchen Länder haben konnten. Erſt 1830 beginnt eine neue
Bewegung, indem durch Geſetz vom 28. Mai 1831 und 28. De-
cember 1831 alle Herren frohnden und erſt nach hartnäckigem Wider-
ſtande des Adels durch ein Geſetz vom 15. November 1833 auch die
ſeit 1819 vielfach beſprochenen Zehnten wirklich und zwar unter
wirkſamer Beihülfe der Staatskaſſe ablösbar erklärt worden. Die
Patrimonialgerichtsbarkeit war bereits durch Verordnung vom 1. Juni

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[210/0228] geſtattet, jedoch ohne jede Staatshülfe. Daher blieb der ganze Fortſchritt in Preußen ein halber; der Adel behielt faſt ganz ſeine frühere Stellung; die folgenden Geſetze von 1821, 1829 und 1840 änderten an dem Grunde dieſer Verhältniſſe nichts (vgl. Judeich, Grundentlaſtung S. 36) und die Patrimonialgerichte machten das Durchgreifen der Ablöſungen ſo ſchwer als möglich. Dazu kam end- lich eine ſehr große, zum Theil principielle Verſchiedenheit in der Durchführung je nach den einzelnen Provinzen, wodurch nicht bloß die Ablöſung ſelbſt erſchwert, ſondern auch viel Unmuth durch Vergleichung der beſſer Geſtellten mit den Zurückgeſetzten hervorgebracht ward. Eine einfache Darſtellung wird dadurch ſo gut als unmöglich (vgl. Sugen- heim S. 486, 487, namentlich auch Weber, Handbuch der ſtaats- wirthſchaftlichen Statiſtik der preußiſchen Monarchie, 1840, S. 367). Daher denn die gewaltige Unzufriedenheit des Volkes in den vierziger Jahren; Preußen hatte viel für ſeinen Bauernſtand, aber wenig für deſſen Staatsbürgerthum gethan, und was das Schlimmſte war, es trug die Verantwortung dafür, daß auch die übrigen Staaten Deutſch- lands ſo weit als möglich hinter den Forderungen der Zeit zurück- blieben. In den Verfaſſungsſtaaten zuerſt kam man auch nur zum Theil weiter. In Baden hob zwar die Verfaſſung von 1818 die Leib- eigenſchaft und die Laſten derſelben, gegen „einen angemeſſenen Abkauffuß“ auf (§. 11) und eine Reihe von einzelnen Geſetzen, die mit 1820 begannen, beſeitigen ſtückweiſe die einzelnen Rechte der Geſchlechterherrſchaft; allein die wirkliche Ausführung dieſer Geſetze ließ ſo viel zu wünſchen übrig, „daß die innere Staatsverfaſſung des Großherzogthums während Karl Friedrichs († 10. Juni 1811) und ſeines Nachfolgers Karl († 8. December 1818) Regierung zum Theil immer noch auf der Grundlage der Leibeigenſchaft eines großen Theiles der Einwohner fortberuhen“ — ſo ſchreibt noch Pfiſter, Geſchichtliche Entwicklung des Staatsrechts des Großherzog- thums Baden, erſte Aufl. 1836, Bd. II. S. 12. (Vgl. dazu Sugen- heim S. 426.) Das wird wohl den gewaltigen Einfluß hinreichend erklären, den Rotteck und Welcker in dieſem „verfaſſungsmäßigſten“ aller deutſchen Länder haben konnten. Erſt 1830 beginnt eine neue Bewegung, indem durch Geſetz vom 28. Mai 1831 und 28. De- cember 1831 alle Herren frohnden und erſt nach hartnäckigem Wider- ſtande des Adels durch ein Geſetz vom 15. November 1833 auch die ſeit 1819 vielfach beſprochenen Zehnten wirklich und zwar unter wirkſamer Beihülfe der Staatskaſſe ablösbar erklärt worden. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war bereits durch Verordnung vom 1. Juni

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/228>, abgerufen am 21.11.2024.