1813 aufgehoben (Klüber, Oeffentliches Recht §. 369). Die Geschichte des Kampfes bis 1831 bei Rotteck, Geschichte des badischen Landtags von 1831. Dennoch blieb eine große Anzahl von einzelnen Lehns- abgaben, die erst nach 1848 fielen. Einzelne, nicht beherrschte, An- gaben bei Judeich, S. 111--119. Immer war Baden bis 1848 in der ersten Linie der geschlechterfreien Staaten.
Württembergs Geschichte ist in dieser Beziehung ebenso interessant, als Bayerns Geschichte uninteressant ist. Kaum zeigt sich irgendwo der eigenthümliche Kampf zwischen Staat und herrschenden Geschlechtern greifbarer, als in der Bauernbefreiungsfrage Württembergs; die Be- wegung von 1815 bis 1830 ist in der That ein Stück Weltgeschichte im Kleinen. Die mediatisirten Standesherren wollen das Königthum und namentlich seine Regierungsrechte nicht anerkennen; das Königthum wird dadurch gezwungen, sich auf das Volk zu stützen, namentlich auf den Bauernstand. Das Edikt vom 18. November 1817 hebt die Leib- eigenschaft unentgeltlich auf, was die Verfassung von 1819, §. 25 bestätigt. Dagegen die heftigste Opposition der Standesherren, die es bis zu einem förmlichen Bunde gegen den König bringt (Urkunde vom 12. December 1815, bei Sugenheim, S. 427). Zwar unter- liegt der Adel; allein bis zu einer zwingenden Maßregel zur Ablösung der Grundlasten kam es nicht, trotz der Verordnung vom 13. September 1818, obgleich die Patrimonialjurisdiktion bereits 1809 aufgehoben war. Auch hier gab nun die Revolution von 1830 der großen Unzufrieden- heit des halbfreien Bauernstandes einen neuen Anstoß. Die Regierung hatte sich nach dem Erlaß der Verfassung im Wesentlichen mit der Grundherrlichkeit versöhnt, und das Entlastungswerk stand von diesem Augenblick an still, so daß in Württemberg, wie fast im ganzen übrigen Deutschland der Bauer persönlich frei, wirthschaftlich aber unter seinen Frohnden, Beeden, Reallasten und Lehnsrechten ungefähr eben so unfrei war, wie im Anfange des Jahrhunderts. Der Blick auf Baden und vielfach auch auf Frankreich ließ daher den Unmuth des Volkes wachsen, und die Regierung mußte nach 1830 nachgeben. So erschienen die drei Gesetze vom 27., 28. und 29. Oktober 1836, von denen das erstere eine Reihe von öffentlichen Grundlasten ablöste, das zweite die grundherrlichen Frohnden auf Antrag der Pflichtigen unter Hülfe des Staates ablösbar erklärte, das dritte den Rest der Leib- eigenschaftslasten gegen Entschädigung beseitigte. Allein die Reallasten blieben (Judeich, S. 86. 87) und Mohl konnte noch in seiner PolizeiwissenschaftII. 525 sagen, daß "bis jetzt" (1846) nur eine "Beschränkung und Milderung" der alten Lasten eingetreten sei. Auch hier blieb daher der letzte Akt der gesellschaftlichen Befreiung dem
1813 aufgehoben (Klüber, Oeffentliches Recht §. 369). Die Geſchichte des Kampfes bis 1831 bei Rotteck, Geſchichte des badiſchen Landtags von 1831. Dennoch blieb eine große Anzahl von einzelnen Lehns- abgaben, die erſt nach 1848 fielen. Einzelne, nicht beherrſchte, An- gaben bei Judeich, S. 111—119. Immer war Baden bis 1848 in der erſten Linie der geſchlechterfreien Staaten.
Württembergs Geſchichte iſt in dieſer Beziehung ebenſo intereſſant, als Bayerns Geſchichte unintereſſant iſt. Kaum zeigt ſich irgendwo der eigenthümliche Kampf zwiſchen Staat und herrſchenden Geſchlechtern greifbarer, als in der Bauernbefreiungsfrage Württembergs; die Be- wegung von 1815 bis 1830 iſt in der That ein Stück Weltgeſchichte im Kleinen. Die mediatiſirten Standesherren wollen das Königthum und namentlich ſeine Regierungsrechte nicht anerkennen; das Königthum wird dadurch gezwungen, ſich auf das Volk zu ſtützen, namentlich auf den Bauernſtand. Das Edikt vom 18. November 1817 hebt die Leib- eigenſchaft unentgeltlich auf, was die Verfaſſung von 1819, §. 25 beſtätigt. Dagegen die heftigſte Oppoſition der Standesherren, die es bis zu einem förmlichen Bunde gegen den König bringt (Urkunde vom 12. December 1815, bei Sugenheim, S. 427). Zwar unter- liegt der Adel; allein bis zu einer zwingenden Maßregel zur Ablöſung der Grundlaſten kam es nicht, trotz der Verordnung vom 13. September 1818, obgleich die Patrimonialjurisdiktion bereits 1809 aufgehoben war. Auch hier gab nun die Revolution von 1830 der großen Unzufrieden- heit des halbfreien Bauernſtandes einen neuen Anſtoß. Die Regierung hatte ſich nach dem Erlaß der Verfaſſung im Weſentlichen mit der Grundherrlichkeit verſöhnt, und das Entlaſtungswerk ſtand von dieſem Augenblick an ſtill, ſo daß in Württemberg, wie faſt im ganzen übrigen Deutſchland der Bauer perſönlich frei, wirthſchaftlich aber unter ſeinen Frohnden, Beeden, Reallaſten und Lehnsrechten ungefähr eben ſo unfrei war, wie im Anfange des Jahrhunderts. Der Blick auf Baden und vielfach auch auf Frankreich ließ daher den Unmuth des Volkes wachſen, und die Regierung mußte nach 1830 nachgeben. So erſchienen die drei Geſetze vom 27., 28. und 29. Oktober 1836, von denen das erſtere eine Reihe von öffentlichen Grundlaſten ablöste, das zweite die grundherrlichen Frohnden auf Antrag der Pflichtigen unter Hülfe des Staates ablösbar erklärte, das dritte den Reſt der Leib- eigenſchaftslaſten gegen Entſchädigung beſeitigte. Allein die Reallaſten blieben (Judeich, S. 86. 87) und Mohl konnte noch in ſeiner PolizeiwiſſenſchaftII. 525 ſagen, daß „bis jetzt“ (1846) nur eine „Beſchränkung und Milderung“ der alten Laſten eingetreten ſei. Auch hier blieb daher der letzte Akt der geſellſchaftlichen Befreiung dem
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1813 aufgehoben (Klüber, Oeffentliches Recht §. 369). Die Geſchichte
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von 1831. Dennoch blieb eine große Anzahl von einzelnen Lehns-
abgaben, die erſt nach 1848 fielen. Einzelne, nicht beherrſchte, An-
gaben bei Judeich, S. 111—119. Immer war Baden bis 1848 in
der erſten Linie der geſchlechterfreien Staaten.
Württembergs Geſchichte iſt in dieſer Beziehung ebenſo intereſſant,
als Bayerns Geſchichte unintereſſant iſt. Kaum zeigt ſich irgendwo
der eigenthümliche Kampf zwiſchen Staat und herrſchenden Geſchlechtern
greifbarer, als in der Bauernbefreiungsfrage Württembergs; die Be-
wegung von 1815 bis 1830 iſt in der That ein Stück Weltgeſchichte
im Kleinen. Die mediatiſirten Standesherren wollen das Königthum
und namentlich ſeine Regierungsrechte nicht anerkennen; das Königthum
wird dadurch gezwungen, ſich auf das Volk zu ſtützen, namentlich auf
den Bauernſtand. Das Edikt vom 18. November 1817 hebt die Leib-
eigenſchaft unentgeltlich auf, was die Verfaſſung von 1819, §. 25
beſtätigt. Dagegen die heftigſte Oppoſition der Standesherren, die
es bis zu einem förmlichen Bunde gegen den König bringt (Urkunde
vom 12. December 1815, bei Sugenheim, S. 427). Zwar unter-
liegt der Adel; allein bis zu einer zwingenden Maßregel zur Ablöſung
der Grundlaſten kam es nicht, trotz der Verordnung vom 13. September
1818, obgleich die Patrimonialjurisdiktion bereits 1809 aufgehoben war.
Auch hier gab nun die Revolution von 1830 der großen Unzufrieden-
heit des halbfreien Bauernſtandes einen neuen Anſtoß. Die Regierung
hatte ſich nach dem Erlaß der Verfaſſung im Weſentlichen mit der
Grundherrlichkeit verſöhnt, und das Entlaſtungswerk ſtand von dieſem
Augenblick an ſtill, ſo daß in Württemberg, wie faſt im ganzen
übrigen Deutſchland der Bauer perſönlich frei, wirthſchaftlich aber unter
ſeinen Frohnden, Beeden, Reallaſten und Lehnsrechten ungefähr eben
ſo unfrei war, wie im Anfange des Jahrhunderts. Der Blick auf
Baden und vielfach auch auf Frankreich ließ daher den Unmuth des
Volkes wachſen, und die Regierung mußte nach 1830 nachgeben. So
erſchienen die drei Geſetze vom 27., 28. und 29. Oktober 1836, von
denen das erſtere eine Reihe von öffentlichen Grundlaſten ablöste, das
zweite die grundherrlichen Frohnden auf Antrag der Pflichtigen unter
Hülfe des Staates ablösbar erklärte, das dritte den Reſt der Leib-
eigenſchaftslaſten gegen Entſchädigung beſeitigte. Allein die Reallaſten
blieben (Judeich, S. 86. 87) und Mohl konnte noch in ſeiner
Polizeiwiſſenſchaft II. 525 ſagen, daß „bis jetzt“ (1846) nur eine
„Beſchränkung und Milderung“ der alten Laſten eingetreten ſei. Auch
hier blieb daher der letzte Akt der geſellſchaftlichen Befreiung dem
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/229>, abgerufen am 21.11.2024.
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