oder für die Substanz desselben, und damit die Entschädigung für das Ganze zu fordern, obwohl das letztere in dem Detailplan nicht auf- genommen ist, so hat von jeher die Schwierigkeit darin bestanden, hiefür eine scharfe gesetzliche Gränze aufzustellen. Das französische System ist, vielleicht eben wegen der starken Parcellirung der Grundstücke, bei dem Satz stehen geblieben, daß der Eigenthümer ein Recht auf die Ent- eignung des Ganzen nur dann habe, wenn der Detailplan einen Theil eines Gebäudes enteignet; bei Grundstücken soll dagegen das Recht nur dann eintreten, wenn das zu enteignende Grundstück durch den Detail- plan bis auf dreiviertel seines Umfanges reducirt wird (Art. 50), wäh- rend alle übrigen Fragen durch den Grundsatz der vollen Entschädigung ausgeglichen werden. Im Wesentlichen sind dem französischen Gesetz die deutschen gefolgt (vgl. Häberlin 177--179, Mittermaier und Treichler a. a. O. Auch Thiel bleibt ziemlich allgemein bei dem Begriffe der "vollen Entschädigung" stehen, ohne genauer auf die Sache einzugehen S. 21 ff.). Eben so hat die englische Gesetzgebung in der Lands Clauses Act die Enteignung des Ganzen gefordert, wenn bei Durchschneidung von Grundstücken auf einer Seite weniger als 1/2 statute acre übrig bleibt (Art. 93), für Gebäude gilt das französische Gesetz (Art. 97). Wir nun halten daran fest, daß dabei weder die französischen noch die analog formulirten Bestimmungen des badischen und hessischen Expropriationsgesetzes, am wenigsten die unbestimmte Fassung des bayeri- schen genügen, sondern daß man davon ausgehen muß, daß der Be- griff des "Ganzen" nicht in dem Umfang und der Substanz des Gutes, sondern in seinem Werthe zu suchen ist. Wird der Werth des Gutes um die Hälfte verringert, so ist es wirthschaftlich schon nicht dasselbe Gut mehr, und der Enteignete hat das Recht, die Enteignung des Ganzen zu fordern, ein Satz, der im Grunde schon im preußischen all- gemeinen Landrecht (I, 11, 9) anerkannt ist, und ähnlich im preußischen Entwurf (§. 7). Damit, glauben wir, wären alle die Schwierigkeiten ge- hoben, die hieraus entstehen könnten; die Bestimmung des Werthes richtet sich dann nach den Grundsätzen über die Feststellung der Ent- schädigung, und die Enteignung ist auf ihre wahre Basis, die Her- stellung des vollen Werthes, zurückgeführt. Selbstverständlich besteht damit noch keine Nöthigung für den Enteigneten, sondern nur eine Berechtigung desselben. Gerade hiefür ist dann die Ladung der In- teressenten von Wichtigkeit.
An diese Bestimmungen schließt sich nun der letzte Punkt: der (öffentlich rechtliche) Grundsatz, daß nach der Publicirung des Detail- planes keine Aenderungen mit den zur Enteignung bestimmten Grund- stücken vorgenommen, namentlich keine Hypotheken und Servituten
oder für die Subſtanz deſſelben, und damit die Entſchädigung für das Ganze zu fordern, obwohl das letztere in dem Detailplan nicht auf- genommen iſt, ſo hat von jeher die Schwierigkeit darin beſtanden, hiefür eine ſcharfe geſetzliche Gränze aufzuſtellen. Das franzöſiſche Syſtem iſt, vielleicht eben wegen der ſtarken Parcellirung der Grundſtücke, bei dem Satz ſtehen geblieben, daß der Eigenthümer ein Recht auf die Ent- eignung des Ganzen nur dann habe, wenn der Detailplan einen Theil eines Gebäudes enteignet; bei Grundſtücken ſoll dagegen das Recht nur dann eintreten, wenn das zu enteignende Grundſtück durch den Detail- plan bis auf dreiviertel ſeines Umfanges reducirt wird (Art. 50), wäh- rend alle übrigen Fragen durch den Grundſatz der vollen Entſchädigung ausgeglichen werden. Im Weſentlichen ſind dem franzöſiſchen Geſetz die deutſchen gefolgt (vgl. Häberlin 177—179, Mittermaier und Treichler a. a. O. Auch Thiel bleibt ziemlich allgemein bei dem Begriffe der „vollen Entſchädigung“ ſtehen, ohne genauer auf die Sache einzugehen S. 21 ff.). Eben ſo hat die engliſche Geſetzgebung in der Lands Clauses Act die Enteignung des Ganzen gefordert, wenn bei Durchſchneidung von Grundſtücken auf einer Seite weniger als ½ statute acre übrig bleibt (Art. 93), für Gebäude gilt das franzöſiſche Geſetz (Art. 97). Wir nun halten daran feſt, daß dabei weder die franzöſiſchen noch die analog formulirten Beſtimmungen des badiſchen und heſſiſchen Expropriationsgeſetzes, am wenigſten die unbeſtimmte Faſſung des bayeri- ſchen genügen, ſondern daß man davon ausgehen muß, daß der Be- griff des „Ganzen“ nicht in dem Umfang und der Subſtanz des Gutes, ſondern in ſeinem Werthe zu ſuchen iſt. Wird der Werth des Gutes um die Hälfte verringert, ſo iſt es wirthſchaftlich ſchon nicht daſſelbe Gut mehr, und der Enteignete hat das Recht, die Enteignung des Ganzen zu fordern, ein Satz, der im Grunde ſchon im preußiſchen all- gemeinen Landrecht (I, 11, 9) anerkannt iſt, und ähnlich im preußiſchen Entwurf (§. 7). Damit, glauben wir, wären alle die Schwierigkeiten ge- hoben, die hieraus entſtehen könnten; die Beſtimmung des Werthes richtet ſich dann nach den Grundſätzen über die Feſtſtellung der Ent- ſchädigung, und die Enteignung iſt auf ihre wahre Baſis, die Her- ſtellung des vollen Werthes, zurückgeführt. Selbſtverſtändlich beſteht damit noch keine Nöthigung für den Enteigneten, ſondern nur eine Berechtigung deſſelben. Gerade hiefür iſt dann die Ladung der In- tereſſenten von Wichtigkeit.
An dieſe Beſtimmungen ſchließt ſich nun der letzte Punkt: der (öffentlich rechtliche) Grundſatz, daß nach der Publicirung des Detail- planes keine Aenderungen mit den zur Enteignung beſtimmten Grund- ſtücken vorgenommen, namentlich keine Hypotheken und Servituten
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oder für die Subſtanz deſſelben, und damit die Entſchädigung für das
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hiefür eine ſcharfe geſetzliche Gränze aufzuſtellen. Das franzöſiſche Syſtem
iſt, vielleicht eben wegen der ſtarken Parcellirung der Grundſtücke, bei
dem Satz ſtehen geblieben, daß der Eigenthümer ein Recht auf die Ent-
eignung des Ganzen nur dann habe, wenn der Detailplan einen Theil
eines Gebäudes enteignet; bei Grundſtücken ſoll dagegen das Recht nur
dann eintreten, wenn das zu enteignende Grundſtück durch den Detail-
plan bis auf dreiviertel ſeines Umfanges reducirt wird (Art. 50), wäh-
rend alle übrigen Fragen durch den Grundſatz der vollen Entſchädigung
ausgeglichen werden. Im Weſentlichen ſind dem franzöſiſchen Geſetz
die deutſchen gefolgt (vgl. Häberlin 177—179, Mittermaier und
Treichler a. a. O. Auch Thiel bleibt ziemlich allgemein bei dem
Begriffe der „vollen Entſchädigung“ ſtehen, ohne genauer auf die Sache
einzugehen S. 21 ff.). Eben ſo hat die engliſche Geſetzgebung in der
Lands Clauses Act die Enteignung des Ganzen gefordert, wenn bei
Durchſchneidung von Grundſtücken auf einer Seite weniger als ½ statute
acre übrig bleibt (Art. 93), für Gebäude gilt das franzöſiſche Geſetz
(Art. 97). Wir nun halten daran feſt, daß dabei weder die franzöſiſchen
noch die analog formulirten Beſtimmungen des badiſchen und heſſiſchen
Expropriationsgeſetzes, am wenigſten die unbeſtimmte Faſſung des bayeri-
ſchen genügen, ſondern daß man davon ausgehen muß, daß der Be-
griff des „Ganzen“ nicht in dem Umfang und der Subſtanz des Gutes,
ſondern in ſeinem Werthe zu ſuchen iſt. Wird der Werth des Gutes
um die Hälfte verringert, ſo iſt es wirthſchaftlich ſchon nicht daſſelbe
Gut mehr, und der Enteignete hat das Recht, die Enteignung des
Ganzen zu fordern, ein Satz, der im Grunde ſchon im preußiſchen all-
gemeinen Landrecht (I, 11, 9) anerkannt iſt, und ähnlich im preußiſchen
Entwurf (§. 7). Damit, glauben wir, wären alle die Schwierigkeiten ge-
hoben, die hieraus entſtehen könnten; die Beſtimmung des Werthes
richtet ſich dann nach den Grundſätzen über die Feſtſtellung der Ent-
ſchädigung, und die Enteignung iſt auf ihre wahre Baſis, die Her-
ſtellung des vollen Werthes, zurückgeführt. Selbſtverſtändlich beſteht
damit noch keine Nöthigung für den Enteigneten, ſondern nur eine
Berechtigung deſſelben. Gerade hiefür iſt dann die Ladung der In-
tereſſenten von Wichtigkeit.
An dieſe Beſtimmungen ſchließt ſich nun der letzte Punkt: der
(öffentlich rechtliche) Grundſatz, daß nach der Publicirung des Detail-
planes keine Aenderungen mit den zur Enteignung beſtimmten Grund-
ſtücken vorgenommen, namentlich keine Hypotheken und Servituten
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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