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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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hineingezogen, und ist die erste große Erscheinung der europäischen
Volkswirthschaftspflege
. Dabei ist es einseitig in seiner Zeit
wie in seinen Grundgedanken; aber dieser Grundgedanke ist unbewußt
ein Ausdruck der entstehenden staatsbürgerlichen Gesellschaft, denn es
ist der erste große Vertreter des Gedankens, daß die (das Geld ver-
dienende
) gewerbliche Arbeit des Volkes die Staaten reich
mache. Es zwingt daher zum Nachdenken über die Gesetze, welche
die Arbeit und den Erwerb durch Arbeit beherrschen; aber es selbst ist
noch keine Erkenntniß dieser Gesetze. Es hat daher die Elemente der
Nationalökonomie in sich; aber es ist dennoch nicht bloß ein reines,
sondern zunächst einseitiges System von wirthschaftlichen Ver-
waltungsprincipien und -Maßregeln. Das zweite große Gebiet der
Arbeit, die landwirthschaftliche Produktion, ist ihm fast gänzlich un-
bekannt; doch erscheint das Hinausgehen über die Arbeit des gewerb-
lichen Lebens und den Credit bereits in den Banken, und zum Theil
in den Handelsmagazinen, die jedoch in bezeichnender Weise beide nur
als große Thatsache ohne alle Theorie dastehen. Man sieht, daß die
Bahn geöffnet ist; aber noch ist eigentlich kein festes Resultat, keine
dauernde Grundlage gewonnen.

b) Das System der Economistes oder die Physiokraten und die reine land-
wirthschaftliche Verwaltung.

Die gewöhnliche Meinung ist bekanntlich, daß die Schule der
Physiokraten erst durch Quesnay begründet sei. Es ist der Glanz
seines allerdings etwas schematischen, aber doch immerhin großartigen
Systems, das zu dieser Ansicht auch bedeutende Männer verleitet hat.
Dennoch ist Quesnay eben so wenig der Erste auf der von ihm ein-
zuschlagenden Bahn, als sein System die Aufgabe und Absicht hatte,
vor allen Dingen eine rein nationalökonomische Theorie zu gründen.
Denn gerade bei Quesnay zeigt es sich am klarsten, wie die National-
ökonomie entstanden ist. Sie ist nichts an und für sich, sondern sie
ist für ihn, und allerdings hier zum erstenmale in der Gestalt einer
wirklichen Wissenschaft, die großartige Begründung eines auf das Tiefste
in die gesellschaftlichen und volkswirthschaftlichen Verhältnisse eingreifen-
den Systems der wirthschaftlichen Verwaltung, das wie es in Quesnay
seinen Theoretiker, in Turgot seinen Praktiker und in Mirabeau seinen
Socialisten hatte. Es ist wahr, daß erst die Physiokraten der Na-
tionalökonomie die theoretische Fähigkeit eigener Existenz gegeben haben;
aber die Franzosen haben die letztere dennoch nicht selbständig auszu-
tragen vermocht; bei ihnen ist auch diese Schule zu einem System der

hineingezogen, und iſt die erſte große Erſcheinung der europäiſchen
Volkswirthſchaftspflege
. Dabei iſt es einſeitig in ſeiner Zeit
wie in ſeinen Grundgedanken; aber dieſer Grundgedanke iſt unbewußt
ein Ausdruck der entſtehenden ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, denn es
iſt der erſte große Vertreter des Gedankens, daß die (das Geld ver-
dienende
) gewerbliche Arbeit des Volkes die Staaten reich
mache. Es zwingt daher zum Nachdenken über die Geſetze, welche
die Arbeit und den Erwerb durch Arbeit beherrſchen; aber es ſelbſt iſt
noch keine Erkenntniß dieſer Geſetze. Es hat daher die Elemente der
Nationalökonomie in ſich; aber es iſt dennoch nicht bloß ein reines,
ſondern zunächſt einſeitiges Syſtem von wirthſchaftlichen Ver-
waltungsprincipien und -Maßregeln. Das zweite große Gebiet der
Arbeit, die landwirthſchaftliche Produktion, iſt ihm faſt gänzlich un-
bekannt; doch erſcheint das Hinausgehen über die Arbeit des gewerb-
lichen Lebens und den Credit bereits in den Banken, und zum Theil
in den Handelsmagazinen, die jedoch in bezeichnender Weiſe beide nur
als große Thatſache ohne alle Theorie daſtehen. Man ſieht, daß die
Bahn geöffnet iſt; aber noch iſt eigentlich kein feſtes Reſultat, keine
dauernde Grundlage gewonnen.

b) Das Syſtem der Économistes oder die Phyſiokraten und die reine land-
wirthſchaftliche Verwaltung.

Die gewöhnliche Meinung iſt bekanntlich, daß die Schule der
Phyſiokraten erſt durch Quesnay begründet ſei. Es iſt der Glanz
ſeines allerdings etwas ſchematiſchen, aber doch immerhin großartigen
Syſtems, das zu dieſer Anſicht auch bedeutende Männer verleitet hat.
Dennoch iſt Quesnay eben ſo wenig der Erſte auf der von ihm ein-
zuſchlagenden Bahn, als ſein Syſtem die Aufgabe und Abſicht hatte,
vor allen Dingen eine rein nationalökonomiſche Theorie zu gründen.
Denn gerade bei Quesnay zeigt es ſich am klarſten, wie die National-
ökonomie entſtanden iſt. Sie iſt nichts an und für ſich, ſondern ſie
iſt für ihn, und allerdings hier zum erſtenmale in der Geſtalt einer
wirklichen Wiſſenſchaft, die großartige Begründung eines auf das Tiefſte
in die geſellſchaftlichen und volkswirthſchaftlichen Verhältniſſe eingreifen-
den Syſtems der wirthſchaftlichen Verwaltung, das wie es in Quesnay
ſeinen Theoretiker, in Turgot ſeinen Praktiker und in Mirabeau ſeinen
Socialiſten hatte. Es iſt wahr, daß erſt die Phyſiokraten der Na-
tionalökonomie die theoretiſche Fähigkeit eigener Exiſtenz gegeben haben;
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[30/0048] hineingezogen, und iſt die erſte große Erſcheinung der europäiſchen Volkswirthſchaftspflege. Dabei iſt es einſeitig in ſeiner Zeit wie in ſeinen Grundgedanken; aber dieſer Grundgedanke iſt unbewußt ein Ausdruck der entſtehenden ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, denn es iſt der erſte große Vertreter des Gedankens, daß die (das Geld ver- dienende) gewerbliche Arbeit des Volkes die Staaten reich mache. Es zwingt daher zum Nachdenken über die Geſetze, welche die Arbeit und den Erwerb durch Arbeit beherrſchen; aber es ſelbſt iſt noch keine Erkenntniß dieſer Geſetze. Es hat daher die Elemente der Nationalökonomie in ſich; aber es iſt dennoch nicht bloß ein reines, ſondern zunächſt einſeitiges Syſtem von wirthſchaftlichen Ver- waltungsprincipien und -Maßregeln. Das zweite große Gebiet der Arbeit, die landwirthſchaftliche Produktion, iſt ihm faſt gänzlich un- bekannt; doch erſcheint das Hinausgehen über die Arbeit des gewerb- lichen Lebens und den Credit bereits in den Banken, und zum Theil in den Handelsmagazinen, die jedoch in bezeichnender Weiſe beide nur als große Thatſache ohne alle Theorie daſtehen. Man ſieht, daß die Bahn geöffnet iſt; aber noch iſt eigentlich kein feſtes Reſultat, keine dauernde Grundlage gewonnen. b) Das Syſtem der Économistes oder die Phyſiokraten und die reine land- wirthſchaftliche Verwaltung. Die gewöhnliche Meinung iſt bekanntlich, daß die Schule der Phyſiokraten erſt durch Quesnay begründet ſei. Es iſt der Glanz ſeines allerdings etwas ſchematiſchen, aber doch immerhin großartigen Syſtems, das zu dieſer Anſicht auch bedeutende Männer verleitet hat. Dennoch iſt Quesnay eben ſo wenig der Erſte auf der von ihm ein- zuſchlagenden Bahn, als ſein Syſtem die Aufgabe und Abſicht hatte, vor allen Dingen eine rein nationalökonomiſche Theorie zu gründen. Denn gerade bei Quesnay zeigt es ſich am klarſten, wie die National- ökonomie entſtanden iſt. Sie iſt nichts an und für ſich, ſondern ſie iſt für ihn, und allerdings hier zum erſtenmale in der Geſtalt einer wirklichen Wiſſenſchaft, die großartige Begründung eines auf das Tiefſte in die geſellſchaftlichen und volkswirthſchaftlichen Verhältniſſe eingreifen- den Syſtems der wirthſchaftlichen Verwaltung, das wie es in Quesnay ſeinen Theoretiker, in Turgot ſeinen Praktiker und in Mirabeau ſeinen Socialiſten hatte. Es iſt wahr, daß erſt die Phyſiokraten der Na- tionalökonomie die theoretiſche Fähigkeit eigener Exiſtenz gegeben haben; aber die Franzoſen haben die letztere dennoch nicht ſelbſtändig auszu- tragen vermocht; bei ihnen iſt auch dieſe Schule zu einem Syſtem der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/48>, abgerufen am 23.11.2024.