ein, er grub es wieder aus. Das geschah im Ganzen fünf mal und die fünf Löcher sind die fünf Sterne. Da haben wir also nur eine Begegnung zwischen Keri und dem schon gegebenen Tatu, wir wissen ferner von der Flöte (Zwillinge), dass Sterne als Löcher aufgefasst werden, was ist natürlicher als dass das Tatu, bekannt wegen seines schnellen Einwühlens, sobald es dem Verfolger entwischt, eine Gruppe jener Sternlöcher gemacht hat. Es fehlte nur der Streit, um das Spiel vom Entwischen und Verfolgen zu begründen, und der "Zankapfel", wofür wieder die beliebteste Frucht gewählt ist, die rund ist und ein buttergelbes Fleisch hat, aber auch irgend eine andere hätte gewählt werden können. Kurz, die Geschichte entsteht ohne grosse Erfindungsgabe, indem zwischen den Eigen- schaften eines der durch die natürliche Anregung dargebotenen Himmelstiere und einer geeigneten Sterngruppe, die dem forschenden Sinn auffällt, die Verbindung hergestellt wird. Nun lautet der Name "das Riesengürteltier kommt heraus". Es muss nur das Interesse da sein, das die Frage erzeugt, und die erklärenden Einfälle sind unvermeidlich.
Die eine Generation mag diesen, die andere jenen beigesteuert haben. Die Analyse bis in die letzten Einzelheiten zu verfolgen, ist schlechterdings schon deshalb unmöglich, weil das Vergleichsmaterial mit anderen karaibischen Stämmen sehr gering ist.
Verwandlung. Ein grosser Teil der Naturerklärung der Bakairi beruht auf der Voraussetzung des Hexens. Sie haben keine Entwicklung, sondern nur Ver- wandlung. Diese findet auf zwei Arten statt.
Die erste ist die, dass ein Toter angeblasen und lebendig wird, oder auch, dass ein Ding angeblasen und lebendig wird. Dem Toten wird der Atem, der ihm fehlt, zurückgegeben, dem Ding wird erst Atem und damit Leben mitgeteilt. Dieses aus dem natürlichsten Belebungsversuch hervorgegangene Blasen und das Tabak- blasen des modernen Medizinmanns dürfen nicht verwechselt werden. Die schwachen Neugeborenen in Maigeri (vgl. S. 335), für deren Leben man fürchtete, wurden Tag und Nacht angeblasen, aber nicht mit Tabak. Erst in der Praxis sind die beiden Methoden in einander übergegangen. Zu dem Rauchen des Arztes -- was nur, wie wir gesehen haben (vgl. S. 345), die leichteste und angenehmste der verschiedenen, sonst durch Trinken zu Stande kommenden Arten von Narkose ist, in deren Anwendung seine Kunst begründet erscheint, -- ist das Anblasen des Patienten mit dem Tabaksqualm erst durch Uebertragung hinzugetreten. Längst hat man vielleicht vergessen, dass man mit dem Blasen den Atem ein- hauchen wollte. Aber belebt werden Tote und Dinge in den Legenden stets durch einfaches, aber auch unerlässliches Anblasen und der Bakairi übersetzt epeheniblasen in das Portugiesische zuweilen mit rezarbeten, segnen, während er gewöhnlich soprarblasen oder assopraranblasen gebraucht, wie auch das zu epeheni zugehörige Substantiv sapehenuWind heisst.
Wenn ich nun gesagt habe, die Dinge werden durch Blasen lebendig oder belebt, so ist das bei genauerem Zusehen ein recht unzutreffender Ausdruck. Der
ein, er grub es wieder aus. Das geschah im Ganzen fünf mal und die fünf Löcher sind die fünf Sterne. Da haben wir also nur eine Begegnung zwischen Keri und dem schon gegebenen Tatú, wir wissen ferner von der Flöte (Zwillinge), dass Sterne als Löcher aufgefasst werden, was ist natürlicher als dass das Tatú, bekannt wegen seines schnellen Einwühlens, sobald es dem Verfolger entwischt, eine Gruppe jener Sternlöcher gemacht hat. Es fehlte nur der Streit, um das Spiel vom Entwischen und Verfolgen zu begründen, und der »Zankapfel«, wofür wieder die beliebteste Frucht gewählt ist, die rund ist und ein buttergelbes Fleisch hat, aber auch irgend eine andere hätte gewählt werden können. Kurz, die Geschichte entsteht ohne grosse Erfindungsgabe, indem zwischen den Eigen- schaften eines der durch die natürliche Anregung dargebotenen Himmelstiere und einer geeigneten Sterngruppe, die dem forschenden Sinn auffällt, die Verbindung hergestellt wird. Nun lautet der Name »das Riesengürteltier kommt heraus«. Es muss nur das Interesse da sein, das die Frage erzeugt, und die erklärenden Einfälle sind unvermeidlich.
Die eine Generation mag diesen, die andere jenen beigesteuert haben. Die Analyse bis in die letzten Einzelheiten zu verfolgen, ist schlechterdings schon deshalb unmöglich, weil das Vergleichsmaterial mit anderen karaibischen Stämmen sehr gering ist.
Verwandlung. Ein grosser Teil der Naturerklärung der Bakaïrí beruht auf der Voraussetzung des Hexens. Sie haben keine Entwicklung, sondern nur Ver- wandlung. Diese findet auf zwei Arten statt.
Die erste ist die, dass ein Toter angeblasen und lebendig wird, oder auch, dass ein Ding angeblasen und lebendig wird. Dem Toten wird der Atem, der ihm fehlt, zurückgegeben, dem Ding wird erst Atem und damit Leben mitgeteilt. Dieses aus dem natürlichsten Belebungsversuch hervorgegangene Blasen und das Tabak- blasen des modernen Medizinmanns dürfen nicht verwechselt werden. Die schwachen Neugeborenen in Maigéri (vgl. S. 335), für deren Leben man fürchtete, wurden Tag und Nacht angeblasen, aber nicht mit Tabak. Erst in der Praxis sind die beiden Methoden in einander übergegangen. Zu dem Rauchen des Arztes — was nur, wie wir gesehen haben (vgl. S. 345), die leichteste und angenehmste der verschiedenen, sonst durch Trinken zu Stande kommenden Arten von Narkose ist, in deren Anwendung seine Kunst begründet erscheint, — ist das Anblasen des Patienten mit dem Tabaksqualm erst durch Uebertragung hinzugetreten. Längst hat man vielleicht vergessen, dass man mit dem Blasen den Atem ein- hauchen wollte. Aber belebt werden Tote und Dinge in den Legenden stets durch einfaches, aber auch unerlässliches Anblasen und der Bakaïrí übersetzt epeheniblasen in das Portugiesische zuweilen mit rezarbeten, segnen, während er gewöhnlich soprarblasen oder assopraranblasen gebraucht, wie auch das zu epeheni zugehörige Substantiv sapehénuWind heisst.
Wenn ich nun gesagt habe, die Dinge werden durch Blasen lebendig oder belebt, so ist das bei genauerem Zusehen ein recht unzutreffender Ausdruck. Der
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Keri und dem schon gegebenen Tatú, wir wissen ferner von der Flöte (Zwillinge),
dass Sterne als Löcher aufgefasst werden, was ist natürlicher als dass das Tatú,
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eine Gruppe jener Sternlöcher gemacht hat. Es fehlte nur der Streit, um das
Spiel vom Entwischen und Verfolgen zu begründen, und der »Zankapfel«, wofür
wieder die beliebteste Frucht gewählt ist, die rund ist und ein buttergelbes Fleisch
hat, aber auch irgend eine andere hätte gewählt werden können. Kurz, die
Geschichte entsteht ohne grosse Erfindungsgabe, indem zwischen den Eigen-
schaften eines der durch die natürliche Anregung dargebotenen Himmelstiere und
einer geeigneten Sterngruppe, die dem forschenden Sinn auffällt, die Verbindung
hergestellt wird. Nun lautet der Name »das Riesengürteltier kommt heraus«.
Es muss nur das Interesse da sein, das die Frage erzeugt, und die erklärenden
Einfälle sind unvermeidlich.
Die eine Generation mag diesen, die andere jenen beigesteuert haben. Die
Analyse bis in die letzten Einzelheiten zu verfolgen, ist schlechterdings schon
deshalb unmöglich, weil das Vergleichsmaterial mit anderen karaibischen Stämmen
sehr gering ist.
Verwandlung. Ein grosser Teil der Naturerklärung der Bakaïrí beruht auf
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wandlung. Diese findet auf zwei Arten statt.
Die erste ist die, dass ein Toter angeblasen und lebendig wird, oder auch,
dass ein Ding angeblasen und lebendig wird. Dem Toten wird der Atem, der ihm
fehlt, zurückgegeben, dem Ding wird erst Atem und damit Leben mitgeteilt. Dieses
aus dem natürlichsten Belebungsversuch hervorgegangene Blasen und das Tabak-
blasen des modernen Medizinmanns dürfen nicht verwechselt werden. Die schwachen
Neugeborenen in Maigéri (vgl. S. 335), für deren Leben man fürchtete, wurden
Tag und Nacht angeblasen, aber nicht mit Tabak. Erst in der Praxis sind die
beiden Methoden in einander übergegangen. Zu dem Rauchen des Arztes —
was nur, wie wir gesehen haben (vgl. S. 345), die leichteste und angenehmste der
verschiedenen, sonst durch Trinken zu Stande kommenden Arten von Narkose
ist, in deren Anwendung seine Kunst begründet erscheint, — ist das Anblasen
des Patienten mit dem Tabaksqualm erst durch Uebertragung hinzugetreten.
Längst hat man vielleicht vergessen, dass man mit dem Blasen den Atem ein-
hauchen wollte. Aber belebt werden Tote und Dinge in den Legenden stets
durch einfaches, aber auch unerlässliches Anblasen und der Bakaïrí übersetzt
epeheni blasen in das Portugiesische zuweilen mit rezar beten, segnen, während
er gewöhnlich soprar blasen oder assoprar anblasen gebraucht, wie auch das zu
epeheni zugehörige Substantiv sapehénu Wind heisst.
Wenn ich nun gesagt habe, die Dinge werden durch Blasen lebendig oder
belebt, so ist das bei genauerem Zusehen ein recht unzutreffender Ausdruck. Der
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/426>, abgerufen am 21.11.2024.
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