Zauberer leistet weit mehr, als dass er ihnen eine "Seele" oder wie dem Toten "Leben" einhauchte. Wir lernen dies an dem wichtigsten Beispiel, dass Menschen aus Dingen gemacht werden: Männer aus Pfeilen, Frauen aus Maisstampfern, nachdem zuerst die nötigen Pfeile und Stampfer aus Rohr und Holz geschnitzt sind. Die Bakairi sind zwar immer da gewesen, aber wenn Mangel an ihnen eintrat, machte der Kulturheros neue, indem er aus Ubarohr Pfeile verfertigte, sie in den Boden steckend aufrecht stellte und anblies. Ebenso sind die andern Stämme je aus dem Pfeilrohr gemacht worden, das sie heute noch führen und das sie also heute noch unterscheidet; der Europäer ist aus einem dem Schaft der Flinte ähnlichen Holz gemacht worden. Die grundlegende Beobachtung, die später, wie immer, als die Bestätigung für den erzählten Hergang gilt, ist die, dass sich die Stämme durch ihre Pfeile unterscheiden. Der Pfeil ist ferner das charakteristische Merkmal des Mannes. Die Frauen dagegen entstehen, indem Maisstampfer geschnitzt, aufrecht an den Mörser gestellt werden und durch An- blasen den Lebenshauch gewinnen; die aus gutem Holz geschnitzten fangen sofort an zu arbeiten, andere faulenzen.
Weder Pfeilen noch Stampfern wird eine "Seele" mitgeteilt, sondern die ganze "Person". Wenn der Zauberer fertig ist, steht der Mann neben seinem Pfeil, die Frau neben ihrem Stampfer. Ganz geheuer scheint dem Erzähler selbst bei dem Vorgang nicht zu sein; denn der Zauberer, sobald er geblasen hat, "geht ein wenig beiseite" und findet die Männer oder Frauen bei seiner Rückkehr fertig. Ein Insekt, das durch Mimikry das Aussehen eines Jatobablattes erhalten hat und von den Bakairi "Jatobablatt" genannt wird, ist durch Anblasen des Blattes ent- standen; wir können sagen, "es ist lebendig geworden" oder nennen es ein "wandelndes Blatt". Es wird zu dem bereits vorhandenen Rohr, Holz, Blatt die Person hinzugeliefert.
Ich meine, diese Fälle seien wesentlich von denen verschieden, wo in den Legenden Dinge "personifiziert" werden, das heisst ebenso sprechen und handeln wie Tier und Menschen. Die herabfallende Schildkröte der Amazonassage sieht einen Felsblock in ihrer Fallrichtung und ruft ihm zu: "mach', dass Du weg- kommst!" Gehorsam entfernt sich der Stein und sie fällt auf weichen Boden. Der Stein, der ihre Worte versteht, hätte auch etwas antworten können. Keri streitet sich mit dem Himmel herum und geht erzürnt mit seinen Leuten auf die Erde hinüber, wo die Bakairi deshalb heute wohnen. Der Wind wird gerufen, einen Baum umzureissen. Hier wird nicht geblasen oder gezaubert. Der Erzähler lässt die Dinge hören, sprechen, um auszudrücken, dass sie irgend etwas wollen oder nicht wollen, gefügig sind oder sich widersetzen, und braucht sich nicht darüber klar zu sein, wie wir es sind, dass er ihnen damit eine "Seele" zuschreibt. "Wie konnte denn der Himmel sprechen?" "Ich weiss es nicht, damals hat er gesprochen." Mehr war von Antonio nicht zu erfahren. Wenn heute im alltäglichen Leben ein Ding plötzlich Schaden anstiftet, so ist das Schuld eines bösen Zauberers, während ein Tier aus sich selbst heraus handelt.
Zauberer leistet weit mehr, als dass er ihnen eine »Seele« oder wie dem Toten »Leben« einhauchte. Wir lernen dies an dem wichtigsten Beispiel, dass Menschen aus Dingen gemacht werden: Männer aus Pfeilen, Frauen aus Maisstampfern, nachdem zuerst die nötigen Pfeile und Stampfer aus Rohr und Holz geschnitzt sind. Die Bakaïrí sind zwar immer da gewesen, aber wenn Mangel an ihnen eintrat, machte der Kulturheros neue, indem er aus Ubárohr Pfeile verfertigte, sie in den Boden steckend aufrecht stellte und anblies. Ebenso sind die andern Stämme je aus dem Pfeilrohr gemacht worden, das sie heute noch führen und das sie also heute noch unterscheidet; der Europäer ist aus einem dem Schaft der Flinte ähnlichen Holz gemacht worden. Die grundlegende Beobachtung, die später, wie immer, als die Bestätigung für den erzählten Hergang gilt, ist die, dass sich die Stämme durch ihre Pfeile unterscheiden. Der Pfeil ist ferner das charakteristische Merkmal des Mannes. Die Frauen dagegen entstehen, indem Maisstampfer geschnitzt, aufrecht an den Mörser gestellt werden und durch An- blasen den Lebenshauch gewinnen; die aus gutem Holz geschnitzten fangen sofort an zu arbeiten, andere faulenzen.
Weder Pfeilen noch Stampfern wird eine »Seele« mitgeteilt, sondern die ganze »Person«. Wenn der Zauberer fertig ist, steht der Mann neben seinem Pfeil, die Frau neben ihrem Stampfer. Ganz geheuer scheint dem Erzähler selbst bei dem Vorgang nicht zu sein; denn der Zauberer, sobald er geblasen hat, »geht ein wenig beiseite« und findet die Männer oder Frauen bei seiner Rückkehr fertig. Ein Insekt, das durch Mimikry das Aussehen eines Jatobáblattes erhalten hat und von den Bakaïrí »Jatobáblatt« genannt wird, ist durch Anblasen des Blattes ent- standen; wir können sagen, »es ist lebendig geworden« oder nennen es ein »wandelndes Blatt«. Es wird zu dem bereits vorhandenen Rohr, Holz, Blatt die Person hinzugeliefert.
Ich meine, diese Fälle seien wesentlich von denen verschieden, wo in den Legenden Dinge »personifiziert« werden, das heisst ebenso sprechen und handeln wie Tier und Menschen. Die herabfallende Schildkröte der Amazonassage sieht einen Felsblock in ihrer Fallrichtung und ruft ihm zu: »mach’, dass Du weg- kommst!« Gehorsam entfernt sich der Stein und sie fällt auf weichen Boden. Der Stein, der ihre Worte versteht, hätte auch etwas antworten können. Keri streitet sich mit dem Himmel herum und geht erzürnt mit seinen Leuten auf die Erde hinüber, wo die Bakaïrí deshalb heute wohnen. Der Wind wird gerufen, einen Baum umzureissen. Hier wird nicht geblasen oder gezaubert. Der Erzähler lässt die Dinge hören, sprechen, um auszudrücken, dass sie irgend etwas wollen oder nicht wollen, gefügig sind oder sich widersetzen, und braucht sich nicht darüber klar zu sein, wie wir es sind, dass er ihnen damit eine »Seele« zuschreibt. »Wie konnte denn der Himmel sprechen?« »Ich weiss es nicht, damals hat er gesprochen.« Mehr war von Antonio nicht zu erfahren. Wenn heute im alltäglichen Leben ein Ding plötzlich Schaden anstiftet, so ist das Schuld eines bösen Zauberers, während ein Tier aus sich selbst heraus handelt.
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aus Dingen gemacht werden: Männer aus Pfeilen, Frauen aus Maisstampfern,
nachdem zuerst die nötigen Pfeile und Stampfer aus Rohr und Holz geschnitzt
sind. Die Bakaïrí sind zwar immer da gewesen, aber wenn Mangel an ihnen
eintrat, machte der Kulturheros neue, indem er aus Ubárohr Pfeile verfertigte,
sie in den Boden steckend aufrecht stellte und anblies. Ebenso sind die andern
Stämme je aus dem Pfeilrohr gemacht worden, das sie heute noch führen und
das sie also heute noch unterscheidet; der Europäer ist aus einem dem Schaft
der Flinte ähnlichen Holz gemacht worden. Die grundlegende Beobachtung, die
später, wie immer, als die Bestätigung für den erzählten Hergang gilt, ist die,
dass sich die Stämme durch ihre Pfeile unterscheiden. Der Pfeil ist ferner das
charakteristische Merkmal des Mannes. Die Frauen dagegen entstehen, indem
Maisstampfer geschnitzt, aufrecht an den Mörser gestellt werden und durch An-
blasen den Lebenshauch gewinnen; die aus gutem Holz geschnitzten fangen sofort
an zu arbeiten, andere faulenzen.
Weder Pfeilen noch Stampfern wird eine »Seele« mitgeteilt, sondern die
ganze »Person«. Wenn der Zauberer fertig ist, steht der Mann neben seinem
Pfeil, die Frau neben ihrem Stampfer. Ganz geheuer scheint dem Erzähler selbst
bei dem Vorgang nicht zu sein; denn der Zauberer, sobald er geblasen hat, »geht
ein wenig beiseite« und findet die Männer oder Frauen bei seiner Rückkehr fertig.
Ein Insekt, das durch Mimikry das Aussehen eines Jatobáblattes erhalten hat und
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»wandelndes Blatt«. Es wird zu dem bereits vorhandenen Rohr, Holz, Blatt die
Person hinzugeliefert.
Ich meine, diese Fälle seien wesentlich von denen verschieden, wo in den
Legenden Dinge »personifiziert« werden, das heisst ebenso sprechen und handeln
wie Tier und Menschen. Die herabfallende Schildkröte der Amazonassage sieht
einen Felsblock in ihrer Fallrichtung und ruft ihm zu: »mach’, dass Du weg-
kommst!« Gehorsam entfernt sich der Stein und sie fällt auf weichen Boden.
Der Stein, der ihre Worte versteht, hätte auch etwas antworten können. Keri
streitet sich mit dem Himmel herum und geht erzürnt mit seinen Leuten auf die
Erde hinüber, wo die Bakaïrí deshalb heute wohnen. Der Wind wird gerufen,
einen Baum umzureissen. Hier wird nicht geblasen oder gezaubert. Der Erzähler
lässt die Dinge hören, sprechen, um auszudrücken, dass sie irgend etwas wollen oder
nicht wollen, gefügig sind oder sich widersetzen, und braucht sich nicht darüber klar
zu sein, wie wir es sind, dass er ihnen damit eine »Seele« zuschreibt. »Wie konnte
denn der Himmel sprechen?« »Ich weiss es nicht, damals hat er gesprochen.«
Mehr war von Antonio nicht zu erfahren. Wenn heute im alltäglichen Leben ein
Ding plötzlich Schaden anstiftet, so ist das Schuld eines bösen Zauberers, während
ein Tier aus sich selbst heraus handelt.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/427>, abgerufen am 24.11.2024.
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