Der Häuptling Luku war kurapa und bewirtete sie nicht so glänzend, wie sie sich versprochen hatten, allein mehrere Ostbakairi, unser "Professor" von 1884 an der Spitze, begleiteten sie nach dem Paranatinga. Grosse Furcht hatten die Besucher vor dem Rindvieh, doch grosse Freude auch an den Gastgeschenken, mit denen Felipe nicht kargte. Ich erkundigte mich genau nach dem, was sie mitbekommen hätten. "Alles Eisen, was wir hatten, Hühner (was aber später bestritten wurde), kleine Bananenpflanzen, Mandiokazweige, Mais und Reis haben wir ihnen gegeben." Da sieht man also, wie sofort die erste Ge- legenheit benutzt wird, um die Kulturgewächse zu verpflanzen! Falls der Versuch gelungen ist, werden unsere Nachfolger am Schingu Bananen essen können!
Felipe begab sich im Januar 1887 frohgemut nach Cuyaba, um sich neue Eisenwaaren schenken zu lassen, allein dort hatte man kein Verständnis für seine Hoffnungen und schickte ihn mit leeren Händen heim. Tumayaua erzählte uns 1887, dass die Bakairi des ersten Batovydorfes von Neuem nach dem Paranatinga gegangen seien; sie müssen dort kurze Zeit nach unserm Abmarsch eingetroffen sein. Näheres darüber zu erfahren, hatte ich später keine Gelegenheit mehr.
II. Verschiebung der Karaiben nach Norden.
Hauptsächlich auf sprachliche Beweise gestützt, habe ich schon nach den Ergebnissen der ersten Schingu-Expedition die Hypothese zu vertheidigen gesucht, dass die neu entdeckten Karaiben im Quellgebiet des Tapajoz und Schingu den Ursitzen des Stammes näher wohnten als die Karaiben nördlich des Amazonas, dass diese von Süden her in die Guyanas eingewandert und von hier auf die Kleinen Antillen übergesetzt seien.
Eine gleich gerichtete Bewegung stellte ich nur für die immer neben den Karaiben erscheinenden Nu-Aruak vor, obgleich ich mir wohl bewusst blieb, dass hier eine weit grössere Unsicherheit vorliege, als bei den Karaiben. Vergl. "Durch Centralbrasilien", S. 297. "Ob nun die gemeinsamen Urväter im Norden oder Süden des Streifens gewohnt haben, über den wir die Enkel verbreitet finden, ist bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ziemlich gleichgültig. Mein Gefühl -- das ist alles -- findet sich besser mit der Annahme zurecht, dass die Bewegung von der Hochebene ausgegangen sei." Mein Gefühl hatte mich nun für einen wichtigen Bestandteil der Nu-Aruakgruppe, die Paressi, von denen ich nach Cuyabaner Berichten falsche Vorstellungen hatte, durchaus betrogen; denn wenigstens sie sind nach den Angaben, die ich 1888 aus ihrem Munde erhielt, mit Sicherheit von Norden nach Süden vorgedrungen, mag die Grenze, wie weit ihre Heimat nach Norden zu verlegen ist, auch unbestimmt sein. Die Frage ist für die Nu-Aruak heute noch gar nicht zu übersehen, wir wissen zu wenig von den Moxos und den verwandten Stämmen in Bolivien und Westbrasilien, wir wissen noch weniger von den Chaco-Stämmen und müssen von den Aruak in den
Der Häuptling Luku war kurápa und bewirtete sie nicht so glänzend, wie sie sich versprochen hatten, allein mehrere Ostbakaïrí, unser »Professor« von 1884 an der Spitze, begleiteten sie nach dem Paranatinga. Grosse Furcht hatten die Besucher vor dem Rindvieh, doch grosse Freude auch an den Gastgeschenken, mit denen Felipe nicht kargte. Ich erkundigte mich genau nach dem, was sie mitbekommen hätten. »Alles Eisen, was wir hatten, Hühner (was aber später bestritten wurde), kleine Bananenpflanzen, Mandiokazweige, Mais und Reis haben wir ihnen gegeben.« Da sieht man also, wie sofort die erste Ge- legenheit benutzt wird, um die Kulturgewächse zu verpflanzen! Falls der Versuch gelungen ist, werden unsere Nachfolger am Schingú Bananen essen können!
Felipe begab sich im Januar 1887 frohgemut nach Cuyabá, um sich neue Eisenwaaren schenken zu lassen, allein dort hatte man kein Verständnis für seine Hoffnungen und schickte ihn mit leeren Händen heim. Tumayaua erzählte uns 1887, dass die Bakaïrí des ersten Batovydorfes von Neuem nach dem Paranatinga gegangen seien; sie müssen dort kurze Zeit nach unserm Abmarsch eingetroffen sein. Näheres darüber zu erfahren, hatte ich später keine Gelegenheit mehr.
II. Verschiebung der Karaiben nach Norden.
Hauptsächlich auf sprachliche Beweise gestützt, habe ich schon nach den Ergebnissen der ersten Schingú-Expedition die Hypothese zu vertheidigen gesucht, dass die neu entdeckten Karaiben im Quellgebiet des Tapajoz und Schingú den Ursitzen des Stammes näher wohnten als die Karaiben nördlich des Amazonas, dass diese von Süden her in die Guyanas eingewandert und von hier auf die Kleinen Antillen übergesetzt seien.
Eine gleich gerichtete Bewegung stellte ich nur für die immer neben den Karaiben erscheinenden Nu-Aruak vor, obgleich ich mir wohl bewusst blieb, dass hier eine weit grössere Unsicherheit vorliege, als bei den Karaiben. Vergl. »Durch Centralbrasilien«, S. 297. »Ob nun die gemeinsamen Urväter im Norden oder Süden des Streifens gewohnt haben, über den wir die Enkel verbreitet finden, ist bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ziemlich gleichgültig. Mein Gefühl — das ist alles — findet sich besser mit der Annahme zurecht, dass die Bewegung von der Hochebene ausgegangen sei.« Mein Gefühl hatte mich nun für einen wichtigen Bestandteil der Nu-Aruakgruppe, die Paressí, von denen ich nach Cuyabaner Berichten falsche Vorstellungen hatte, durchaus betrogen; denn wenigstens sie sind nach den Angaben, die ich 1888 aus ihrem Munde erhielt, mit Sicherheit von Norden nach Süden vorgedrungen, mag die Grenze, wie weit ihre Heimat nach Norden zu verlegen ist, auch unbestimmt sein. Die Frage ist für die Nu-Aruak heute noch gar nicht zu übersehen, wir wissen zu wenig von den Moxos und den verwandten Stämmen in Bolivien und Westbrasilien, wir wissen noch weniger von den Chaco-Stämmen und müssen von den Aruak in den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0459"n="395"/><p>Der Häuptling Luku war <hirendition="#i">kurápa</hi> und bewirtete sie nicht so glänzend, wie<lb/>
sie sich versprochen hatten, allein mehrere Ostbakaïrí, unser »Professor« von 1884<lb/>
an der Spitze, begleiteten sie nach dem Paranatinga. Grosse Furcht hatten die<lb/>
Besucher vor dem Rindvieh, doch grosse Freude auch an den Gastgeschenken,<lb/>
mit denen Felipe nicht kargte. Ich erkundigte mich genau nach dem, was sie<lb/>
mitbekommen hätten. »Alles <hirendition="#g">Eisen</hi>, was wir hatten, <hirendition="#g">Hühner</hi> (was aber später<lb/>
bestritten wurde), <hirendition="#g">kleine Bananenpflanzen, Mandiokazweige, Mais</hi> und<lb/><hirendition="#g">Reis</hi> haben wir ihnen gegeben.« Da sieht man also, wie sofort die erste Ge-<lb/>
legenheit benutzt wird, um die Kulturgewächse zu verpflanzen! Falls der Versuch<lb/>
gelungen ist, werden unsere Nachfolger am Schingú Bananen essen können!</p><lb/><p>Felipe begab sich im Januar 1887 frohgemut nach Cuyabá, um sich neue<lb/>
Eisenwaaren schenken zu lassen, allein dort hatte man kein Verständnis für seine<lb/>
Hoffnungen und schickte ihn mit leeren Händen heim. Tumayaua erzählte uns<lb/>
1887, dass die Bakaïrí des ersten Batovydorfes von Neuem nach dem Paranatinga<lb/>
gegangen seien; sie müssen dort kurze Zeit nach unserm Abmarsch eingetroffen<lb/>
sein. Näheres darüber zu erfahren, hatte ich später keine Gelegenheit mehr.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">II. Verschiebung der Karaiben nach Norden.</hi></head><lb/><p>Hauptsächlich auf sprachliche Beweise gestützt, habe ich schon nach den<lb/>
Ergebnissen der ersten Schingú-Expedition die Hypothese zu vertheidigen gesucht,<lb/>
dass die neu entdeckten Karaiben im Quellgebiet des Tapajoz und Schingú den<lb/>
Ursitzen des Stammes näher wohnten als die Karaiben nördlich des Amazonas,<lb/>
dass diese von Süden her in die Guyanas eingewandert und von hier auf die<lb/>
Kleinen Antillen übergesetzt seien.</p><lb/><p>Eine gleich gerichtete Bewegung stellte ich nur für die immer neben den<lb/>
Karaiben erscheinenden <hirendition="#g">Nu-Aruak</hi> vor, obgleich ich mir wohl bewusst blieb,<lb/>
dass hier eine weit grössere Unsicherheit vorliege, als bei den Karaiben. Vergl.<lb/>
»Durch Centralbrasilien«, S. 297. »Ob nun die gemeinsamen Urväter im Norden<lb/>
oder Süden des Streifens gewohnt haben, über den wir die Enkel verbreitet<lb/>
finden, ist bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ziemlich gleichgültig. Mein<lb/>
Gefühl — das ist alles — findet sich besser mit der Annahme zurecht, dass die<lb/>
Bewegung von der Hochebene ausgegangen sei.« Mein Gefühl hatte mich nun<lb/>
für einen wichtigen Bestandteil der Nu-Aruakgruppe, die Paressí, von denen ich<lb/>
nach Cuyabaner Berichten falsche Vorstellungen hatte, durchaus betrogen; denn<lb/>
wenigstens sie sind nach den Angaben, die ich 1888 aus ihrem Munde erhielt,<lb/>
mit Sicherheit von <hirendition="#g">Norden nach Süden</hi> vorgedrungen, mag die Grenze, wie<lb/>
weit ihre Heimat nach Norden zu verlegen ist, auch unbestimmt sein. Die Frage<lb/>
ist für die Nu-Aruak heute noch gar nicht zu übersehen, wir wissen zu wenig von<lb/>
den Moxos und den verwandten Stämmen in Bolivien und Westbrasilien, wir<lb/>
wissen noch weniger von den Chaco-Stämmen und müssen von den Aruak in den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[395/0459]
Der Häuptling Luku war kurápa und bewirtete sie nicht so glänzend, wie
sie sich versprochen hatten, allein mehrere Ostbakaïrí, unser »Professor« von 1884
an der Spitze, begleiteten sie nach dem Paranatinga. Grosse Furcht hatten die
Besucher vor dem Rindvieh, doch grosse Freude auch an den Gastgeschenken,
mit denen Felipe nicht kargte. Ich erkundigte mich genau nach dem, was sie
mitbekommen hätten. »Alles Eisen, was wir hatten, Hühner (was aber später
bestritten wurde), kleine Bananenpflanzen, Mandiokazweige, Mais und
Reis haben wir ihnen gegeben.« Da sieht man also, wie sofort die erste Ge-
legenheit benutzt wird, um die Kulturgewächse zu verpflanzen! Falls der Versuch
gelungen ist, werden unsere Nachfolger am Schingú Bananen essen können!
Felipe begab sich im Januar 1887 frohgemut nach Cuyabá, um sich neue
Eisenwaaren schenken zu lassen, allein dort hatte man kein Verständnis für seine
Hoffnungen und schickte ihn mit leeren Händen heim. Tumayaua erzählte uns
1887, dass die Bakaïrí des ersten Batovydorfes von Neuem nach dem Paranatinga
gegangen seien; sie müssen dort kurze Zeit nach unserm Abmarsch eingetroffen
sein. Näheres darüber zu erfahren, hatte ich später keine Gelegenheit mehr.
II. Verschiebung der Karaiben nach Norden.
Hauptsächlich auf sprachliche Beweise gestützt, habe ich schon nach den
Ergebnissen der ersten Schingú-Expedition die Hypothese zu vertheidigen gesucht,
dass die neu entdeckten Karaiben im Quellgebiet des Tapajoz und Schingú den
Ursitzen des Stammes näher wohnten als die Karaiben nördlich des Amazonas,
dass diese von Süden her in die Guyanas eingewandert und von hier auf die
Kleinen Antillen übergesetzt seien.
Eine gleich gerichtete Bewegung stellte ich nur für die immer neben den
Karaiben erscheinenden Nu-Aruak vor, obgleich ich mir wohl bewusst blieb,
dass hier eine weit grössere Unsicherheit vorliege, als bei den Karaiben. Vergl.
»Durch Centralbrasilien«, S. 297. »Ob nun die gemeinsamen Urväter im Norden
oder Süden des Streifens gewohnt haben, über den wir die Enkel verbreitet
finden, ist bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ziemlich gleichgültig. Mein
Gefühl — das ist alles — findet sich besser mit der Annahme zurecht, dass die
Bewegung von der Hochebene ausgegangen sei.« Mein Gefühl hatte mich nun
für einen wichtigen Bestandteil der Nu-Aruakgruppe, die Paressí, von denen ich
nach Cuyabaner Berichten falsche Vorstellungen hatte, durchaus betrogen; denn
wenigstens sie sind nach den Angaben, die ich 1888 aus ihrem Munde erhielt,
mit Sicherheit von Norden nach Süden vorgedrungen, mag die Grenze, wie
weit ihre Heimat nach Norden zu verlegen ist, auch unbestimmt sein. Die Frage
ist für die Nu-Aruak heute noch gar nicht zu übersehen, wir wissen zu wenig von
den Moxos und den verwandten Stämmen in Bolivien und Westbrasilien, wir
wissen noch weniger von den Chaco-Stämmen und müssen von den Aruak in den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/459>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.