etwa Hoffnung gehabt hat, in den Beziehungen der Begriffe auf den Sprechenden etwas echt Grammatisches gefunden zu haben, so enttäuscht uns Becker S. 173, wo unter denselben begriffen werden "die Zeit- und Raumverhältnisse, die Verhältnisse der Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, der Möglichkeit und Noth- wendigkeit und die Größenverhältnisse" -- Dinge, die doch wohl nicht in der Grammatik erörtert werden können.
Hiermit sei es genug, um zu zeigen, daß bei Becker die Grammatik weder ein eigenthümliches Princip noch einen be- sonderen Inhalt haben kann; daß sie gänzlich von der Lehre des Denkens verschlungen wird. Da nun aber Becker der Gram- matik trotzdem ein eigenthümliches Dasein und Wesen zugesteht, so erklärt er hiermit seine Unfähigkeit, das wahre Wesen der Grammatik zu begreifen. Nach Beckers Princip sollte die Gram- matik bloß Logik sein; dasselbe Princip aber will Princip einer Grammatik sein, die nicht Logik ist; also ist Becker wi- derlegt, indem seine Voraussetzungen das, was sie schaffen sol- len, verläugnen, oder indem jene Voraussetzungen sich als un- fähig erweisen, die Wissenschaft zu begründen, welche sie be- gründen wollen.
B. Widerstand der Grammatik und Logik gegen ihre wechselseitige Vermischung.
§. 43.
"Es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird": darüber hat schon man- cher Deutsche geklagt. Von Zeit zu Zeit könnte man aber wohl se- hen, wohin es führt, wenn ein Deutscher leicht wird und sich die Sa- chen leicht macht. Mag es also ein Fehler sein, daß wir in dem vor- liegenden Werke über der Unterscheidung der Grammatik und Lo- gik von einander schwer werden -- wir sind mit unserm Fehler nicht unzufrieden, zumal wir bei dieser Gelegenheit noch nicht einmal Geschmack finden können an der französischen Leichtigkeit der Logique de Port-Royal, welche ein Capitel über allgemein gram- matische Punkte so einleitet: Il est peu important d'examiner si c'est a la grammaire ou a la logique d'en traiter, et il est plus court de dire, que tout ce qui est utile a la fin de chaque art lui appartient, soit que la connaissance lui en soit particu- liere, soit qu'il y ait aussi d'autres sciences qui s'en servent. -- Sans doute, Mr., antworten wir, das ist sehr kurz; der Deutsche
etwa Hoffnung gehabt hat, in den Beziehungen der Begriffe auf den Sprechenden etwas echt Grammatisches gefunden zu haben, so enttäuscht uns Becker S. 173, wo unter denselben begriffen werden „die Zeit- und Raumverhältnisse, die Verhältnisse der Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, der Möglichkeit und Noth- wendigkeit und die Größenverhältnisse“ — Dinge, die doch wohl nicht in der Grammatik erörtert werden können.
Hiermit sei es genug, um zu zeigen, daß bei Becker die Grammatik weder ein eigenthümliches Princip noch einen be- sonderen Inhalt haben kann; daß sie gänzlich von der Lehre des Denkens verschlungen wird. Da nun aber Becker der Gram- matik trotzdem ein eigenthümliches Dasein und Wesen zugesteht, so erklärt er hiermit seine Unfähigkeit, das wahre Wesen der Grammatik zu begreifen. Nach Beckers Princip sollte die Gram- matik bloß Logik sein; dasselbe Princip aber will Princip einer Grammatik sein, die nicht Logik ist; also ist Becker wi- derlegt, indem seine Voraussetzungen das, was sie schaffen sol- len, verläugnen, oder indem jene Voraussetzungen sich als un- fähig erweisen, die Wissenschaft zu begründen, welche sie be- gründen wollen.
B. Widerstand der Grammatik und Logik gegen ihre wechselseitige Vermischung.
§. 43.
„Es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird“: darüber hat schon man- cher Deutsche geklagt. Von Zeit zu Zeit könnte man aber wohl se- hen, wohin es führt, wenn ein Deutscher leicht wird und sich die Sa- chen leicht macht. Mag es also ein Fehler sein, daß wir in dem vor- liegenden Werke über der Unterscheidung der Grammatik und Lo- gik von einander schwer werden — wir sind mit unserm Fehler nicht unzufrieden, zumal wir bei dieser Gelegenheit noch nicht einmal Geschmack finden können an der französischen Leichtigkeit der Logique de Port-Royal, welche ein Capitel über allgemein gram- matische Punkte so einleitet: Il est peu important d’examiner si c’est à la grammaire ou à la logique d’en traiter, et il est plus court de dire, que tout ce qui est utile à la fin de chaque art lui appartient, soit que la connaissance lui en soit particu- lière, soit qu’il y ait aussi d’autres sciences qui s’en servent. — Sans doute, Mr., antworten wir, das ist sehr kurz; der Deutsche
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etwa Hoffnung gehabt hat, in den Beziehungen der Begriffe auf
den Sprechenden etwas echt Grammatisches gefunden zu haben,
so enttäuscht uns Becker S. 173, wo unter denselben begriffen
werden „die Zeit- und Raumverhältnisse, die Verhältnisse der
Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, der Möglichkeit und Noth-
wendigkeit und die Größenverhältnisse“ — Dinge, die doch
wohl nicht in der Grammatik erörtert werden können.
Hiermit sei es genug, um zu zeigen, daß bei Becker die
Grammatik weder ein eigenthümliches Princip noch einen be-
sonderen Inhalt haben kann; daß sie gänzlich von der Lehre
des Denkens verschlungen wird. Da nun aber Becker der Gram-
matik trotzdem ein eigenthümliches Dasein und Wesen zugesteht,
so erklärt er hiermit seine Unfähigkeit, das wahre Wesen der
Grammatik zu begreifen. Nach Beckers Princip sollte die Gram-
matik bloß Logik sein; dasselbe Princip aber will Princip
einer Grammatik sein, die nicht Logik ist; also ist Becker wi-
derlegt, indem seine Voraussetzungen das, was sie schaffen sol-
len, verläugnen, oder indem jene Voraussetzungen sich als un-
fähig erweisen, die Wissenschaft zu begründen, welche sie be-
gründen wollen.
B. Widerstand der Grammatik und Logik gegen ihre
wechselseitige Vermischung.
§. 43.
„Es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer
werden, daß alles über ihnen schwer wird“: darüber hat schon man-
cher Deutsche geklagt. Von Zeit zu Zeit könnte man aber wohl se-
hen, wohin es führt, wenn ein Deutscher leicht wird und sich die Sa-
chen leicht macht. Mag es also ein Fehler sein, daß wir in dem vor-
liegenden Werke über der Unterscheidung der Grammatik und Lo-
gik von einander schwer werden — wir sind mit unserm Fehler nicht
unzufrieden, zumal wir bei dieser Gelegenheit noch nicht einmal
Geschmack finden können an der französischen Leichtigkeit der
Logique de Port-Royal, welche ein Capitel über allgemein gram-
matische Punkte so einleitet: Il est peu important d’examiner
si c’est à la grammaire ou à la logique d’en traiter, et il est
plus court de dire, que tout ce qui est utile à la fin de chaque
art lui appartient, soit que la connaissance lui en soit particu-
lière, soit qu’il y ait aussi d’autres sciences qui s’en servent. —
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/145>, abgerufen am 18.12.2024.
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