Betrachten wir jetzt Beckers Darstellung des objectiven Satz- verhältnisses (§. 74.) Wie alles andere, so kann er auch dieses nur mit dem Allgemeinen und Besondern abthun. Er sagt (S. 307.): "In dem objectiven Satzverhältnisse werden eben so, wie in dem attributiven Satzverhältnisse, Artbegriffe auf Un- terarten und auf Individuen, Allgemeines auf Besonderes zurückgeführt". -- Also kann Becker das objective Satzverhält- niß vom attributiven nicht unterscheiden, und folglich auch nicht vom prädicativen.
§. 75. Das Prädicat.
Gehen wir endlich an das prädicative Verhältniß. Becker sagt (§. 61. S. 230.): "Der Satz ist der Ausdruck eines Gedankens, und der Gedanke ein Act des menschlichen Gei- stes, durch welchen ein Sein als ein Besonderes in eine Thä- tigkeit als ein Allgemeines aufgenommen, und die Thätigkeit als die Thätigkeit des Seins angeschaut (von dem Sein prä- dicirt) wird." Wenn aber ein Sein in eine Thätigkeit aufge- nommen wird, so wird nicht die Thätigkeit als die Thätigkeit des Seins angeschaut, sondern das Sein als das Sein der Thä- tigkeit. Zugestanden aber, wir erhielten durch die Aufnahme des Seins in eine Thätigkeit eine Thätigkeit, welche als die Thätigkeit des Seins angeschaut wird, so würde der Artbegriff der Thätigkeit zu einer Unterart besondert, aber nicht von einem Sein prädicirt. Weiter! "Das Prädicat als das Allge- meine, in welches das Sein als ein Besonderes aufgenommen wird, macht den eigentlichen Inhalt des Gedankens aus, und ist der Hauptbegriff des Satzes." Man denkt aber gewöhnlich um- gekehrt: nicht das allgemeine Element, sondern das besondere macht den eigentlichen Inhalt jedweden Wesens aus und ist der Hauptbegriff, das Specifische in ihm. Doch von Beckers wunderlicher Weise, wie er die Begriffe als Allgemeines und Besonderes betrachtet, bald dieses als durch jenes, bald jenes als durch dieses näher bestimmt ansieht, und bald dieses jenem, bald jenes diesem unterordnet; wie er unterscheidet zwischen: eins in das andere aufgenommen sein und eins auf das andere bezogen sein (vergl. bei ihm S. 162, 163): von alle dem war schon die Rede, und ich vermuthe, daß man, um diese Dinge zu begreifen, gerade wie für die Hegelsche Philosophie, einen besonderen Sinn, eine besondere grammatisch-speculative Ver- nunft haben müsse, wie ich sie leider nicht habe.
Betrachten wir jetzt Beckers Darstellung des objectiven Satz- verhältnisses (§. 74.) Wie alles andere, so kann er auch dieses nur mit dem Allgemeinen und Besondern abthun. Er sagt (S. 307.): „In dem objectiven Satzverhältnisse werden eben so, wie in dem attributiven Satzverhältnisse, Artbegriffe auf Un- terarten und auf Individuen, Allgemeines auf Besonderes zurückgeführt“. — Also kann Becker das objective Satzverhält- niß vom attributiven nicht unterscheiden, und folglich auch nicht vom prädicativen.
§. 75. Das Prädicat.
Gehen wir endlich an das prädicative Verhältniß. Becker sagt (§. 61. S. 230.): „Der Satz ist der Ausdruck eines Gedankens, und der Gedanke ein Act des menschlichen Gei- stes, durch welchen ein Sein als ein Besonderes in eine Thä- tigkeit als ein Allgemeines aufgenommen, und die Thätigkeit als die Thätigkeit des Seins angeschaut (von dem Sein prä- dicirt) wird.“ Wenn aber ein Sein in eine Thätigkeit aufge- nommen wird, so wird nicht die Thätigkeit als die Thätigkeit des Seins angeschaut, sondern das Sein als das Sein der Thä- tigkeit. Zugestanden aber, wir erhielten durch die Aufnahme des Seins in eine Thätigkeit eine Thätigkeit, welche als die Thätigkeit des Seins angeschaut wird, so würde der Artbegriff der Thätigkeit zu einer Unterart besondert, aber nicht von einem Sein prädicirt. Weiter! „Das Prädicat als das Allge- meine, in welches das Sein als ein Besonderes aufgenommen wird, macht den eigentlichen Inhalt des Gedankens aus, und ist der Hauptbegriff des Satzes.“ Man denkt aber gewöhnlich um- gekehrt: nicht das allgemeine Element, sondern das besondere macht den eigentlichen Inhalt jedweden Wesens aus und ist der Hauptbegriff, das Specifische in ihm. Doch von Beckers wunderlicher Weise, wie er die Begriffe als Allgemeines und Besonderes betrachtet, bald dieses als durch jenes, bald jenes als durch dieses näher bestimmt ansieht, und bald dieses jenem, bald jenes diesem unterordnet; wie er unterscheidet zwischen: eins in das andere aufgenommen sein und eins auf das andere bezogen sein (vergl. bei ihm S. 162, 163): von alle dem war schon die Rede, und ich vermuthe, daß man, um diese Dinge zu begreifen, gerade wie für die Hegelsche Philosophie, einen besonderen Sinn, eine besondere grammatisch-speculative Ver- nunft haben müsse, wie ich sie leider nicht habe.
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Betrachten wir jetzt Beckers Darstellung des objectiven Satz-
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nur mit dem Allgemeinen und Besondern abthun. Er sagt
(S. 307.): „In dem objectiven Satzverhältnisse werden eben so,
wie in dem attributiven Satzverhältnisse, Artbegriffe auf Un-
terarten und auf Individuen, Allgemeines auf Besonderes
zurückgeführt“. — Also kann Becker das objective Satzverhält-
niß vom attributiven nicht unterscheiden, und folglich auch nicht
vom prädicativen.
§. 75. Das Prädicat.
Gehen wir endlich an das prädicative Verhältniß.
Becker sagt (§. 61. S. 230.): „Der Satz ist der Ausdruck eines
Gedankens, und der Gedanke ein Act des menschlichen Gei-
stes, durch welchen ein Sein als ein Besonderes in eine Thä-
tigkeit als ein Allgemeines aufgenommen, und die Thätigkeit
als die Thätigkeit des Seins angeschaut (von dem Sein prä-
dicirt) wird.“ Wenn aber ein Sein in eine Thätigkeit aufge-
nommen wird, so wird nicht die Thätigkeit als die Thätigkeit
des Seins angeschaut, sondern das Sein als das Sein der Thä-
tigkeit. Zugestanden aber, wir erhielten durch die Aufnahme
des Seins in eine Thätigkeit eine Thätigkeit, welche als die
Thätigkeit des Seins angeschaut wird, so würde der Artbegriff
der Thätigkeit zu einer Unterart besondert, aber nicht von
einem Sein prädicirt. Weiter! „Das Prädicat als das Allge-
meine, in welches das Sein als ein Besonderes aufgenommen
wird, macht den eigentlichen Inhalt des Gedankens aus, und ist
der Hauptbegriff des Satzes.“ Man denkt aber gewöhnlich um-
gekehrt: nicht das allgemeine Element, sondern das besondere
macht den eigentlichen Inhalt jedweden Wesens aus und ist
der Hauptbegriff, das Specifische in ihm. Doch von Beckers
wunderlicher Weise, wie er die Begriffe als Allgemeines und
Besonderes betrachtet, bald dieses als durch jenes, bald jenes
als durch dieses näher bestimmt ansieht, und bald dieses jenem,
bald jenes diesem unterordnet; wie er unterscheidet zwischen:
eins in das andere aufgenommen sein und eins auf das andere
bezogen sein (vergl. bei ihm S. 162, 163): von alle dem war
schon die Rede, und ich vermuthe, daß man, um diese Dinge
zu begreifen, gerade wie für die Hegelsche Philosophie, einen
besonderen Sinn, eine besondere grammatisch-speculative Ver-
nunft haben müsse, wie ich sie leider nicht habe.
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/228>, abgerufen am 21.11.2024.
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