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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver-
bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die
Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine
ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all-
gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig-
keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und
Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu-
gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.

Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht
zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen,
überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie-
den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel-
lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan-
ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen
Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die-
sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was
in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen
hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen,
wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört
zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan-
genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu
beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und
Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe
gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also
als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch
den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel
der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen
ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht-
Lachens haben.

Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi-
gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der
Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß
des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird
sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung:
die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit
den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich-
keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene
Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit
der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt;
sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch

lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver-
bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die
Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine
ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all-
gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig-
keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und
Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu-
gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen.

Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht
zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen,
überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie-
den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel-
lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan-
ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen
Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die-
sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was
in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen
hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen,
wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört
zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan-
genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu
beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und
Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe
gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also
als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch
den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel
der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen
ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht-
Lachens haben.

Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi-
gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der
Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß
des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird
sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung:
die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit
den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich-
keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene
Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit
der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt;
sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch

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[252/0290] lenthätigkeit überhaupt mit Bewegungen; und eine solche Ver- bindung liegt unläugbar in der Sprache vor. Wir haben also die Gattung oder Classe kennen gelernt, zu der die Sprache als eine ganz besondere Art gehört. Fahren wir also nur fort, jene all- gemeine Verbindung von theoretischer und practischer Thätig- keit der Seele näher zu betrachten, in ihr Unterabtheilungen und Arten zu unterscheiden. Wir müssen durch immer mehr hinzu- gefügte Bestimmungen endlich die Art finden, die wir suchen. Unter den angeführten Beispielen können wir schon leicht zwei Classen scheiden. Das Nachahmen der Fechtbewegungen, überhaupt das Ausführen einer Vorstellung ist leicht als verschie- den zu erkennen von dem Erbrechen auf eine ekelhafte Vorstel- lung, vom Lachen auf Kitzel oder einen unerwarteten Gedan- ken, vom Weinen und Schluchzen oder Aechzen auf körperlichen Schmerz oder eine Trauer erregende Vorstellung. Denn in die- sen letztern Fällen wird etwas ganz anderes ausgeführt, als was in der Vorstellung liegt, und Bewegung und Vorstellung stehen hier in gar keinem erkennbaren Zusammenhange. Das Gähnen, wenn es durch den Anblick eines Gähnenden entsteht, gehört zur ersten Classe; das ursprüngliche Gähnen als Erfolg der Lan- genweile gehört zur zweiten. Das Lachen gehört ebenfalls zu beiden Classen; denn es entsteht nicht bloß durch Kitzel und Anblick oder Vorstellung des Lächerlichen, als zur zweiten Classe gehörig, sondern auch durch Nachahmung des Lachenden, also als Ausführung der Vorstellung des Lachens, und selbst durch den Gedanken des Nicht-Lachens. Man denke an das Spiel der Kinder, die sich ernsthaft ins Gesicht sehen und in Lachen ausbrechen, gerade weil sie den Gedanken, die Absicht des Nicht- Lachens haben. Die Sprache gehört offenbar in die zweite der beiden obi- gen Classen, wenigstens nach dem, was wir bis jetzt von der Sprache wissen. Ob und inwiefern wir bei näherer Kenntniß des Wesens der Sprache ihre Stellung anders bestimmen, wird sich später zeigen. Für jetzt genügt uns hier die Bemerkung: die Sprache, als Verbindung von Vorstellung und Laut, hat mit den Erscheinungen der zweiten Classe nicht bloß die Aehnlich- keit, daß die mit der Vorstellung oder Empfindung verbundene Bewegung durchaus keine Analogie, keinen Zusammenhang mit der Vorstellung oder Empfindung zeigt, auf welche sie erfolgt; sondern die Sprache zeigt mit jenen Erscheinungen auch noch

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/290>, abgerufen am 21.11.2024.