Umstände mit sich, daß alle Nerven des Körpers und mit ihnen die Centralorgane eine bedeutende Veränderung ihres Erregungs- zustandes erfahren müssen; eine Mannigfaltigkeit von Bewegun- gen begleitet daher ebenso wie mancherlei Gefühle der Unlust, die ersten Lebensaugenblicke unvermeidlich. Doch die Seele würde bei der Ueberzahl der gleichzeitigen Eindrücke, die hier auf sie einstürmen, und bei der Stumpfheit ihrer ungeübten Wahr- nehmungskraft wenig Nutzen von ihnen ziehen, wenn nicht auch späterhin die Bewegungen der Glieder noch häufig auf diesem mechanischen Wege durch das periodische Wachsen der physi- schen Nervenerregungen sich wiederholten. Und da diese Be- wegungen von den Centraltheilen ausgehen, in denen die Nerven so verflochten sind, daß ein einzelner Anstoß sie gruppenweis in zweckmäßiger Verbindung anregt, so wird dieser physiologi- sche Mechanismus jedem Thiere die seiner Gattung eigenthüm- lichen Bewegungen öfter wieder vorführen, ehe es lernt, sie für seine Zwecke zu benutzen.... Dieselben Bewegungen, die wir durch innere Erregung der Centralorgane zwecklos und ohne Bezug auf äußere Objecte entstehen sahen, werden jedoch auch auf demselben automatischen Wege durch äußere Reize erweckt. Sensible Nerven leiten ihre Erschütterung bis zu den Central- organen; dort kann der Strom der Erregung sich in zwei Arme theilen, deren einer zu dem Sitze der Seele dringend, in ihr eine Empfindung des Reizes erweckt, während der andere unmittel- bar auf die motorischen Organe fortwirkend, in ihnen mit me- chanischer Nothwendigkeit eine zweckmäßig gruppirte Bewe- gung erzeugt." (S. 291.) "Diese Reflexbewegungen erscheinen daher, wie die Buchstaben des Alphabets, als die einfachen Ele- mente der Zweckmäßigkeit, welche die Natur mechanisch deter- minirt der Seele zu Gebote stellt, indem sie es ihr überläßt, unter dem vereinigten Einflusse der Sinnesempfindungen und der Ueberlegung sie zu hinlänglich feinen und lenksamen Mitteln zu combiniren, um der unendlichen Mannigfaltigkeit möglicher Reize gewachsen zu sein ... Nur die Beherrschung eines gegebenen Mechanismus kann für die Seele von Werth sein; ihn selbst her- vorzubringen und zu dirigiren, würde nur eine lästige und über- flüssige Erschwerung ihrer Aufgabe sein ... Wie schlecht würde es um unser Leben stehen, sollte die Ueberlegung es vertheidi- gen, und nicht der Mechanismus! Man frage Jemand, wie er es anfangen würde, um fremde Körper aus der Luftröhre zu
Umstände mit sich, daß alle Nerven des Körpers und mit ihnen die Centralorgane eine bedeutende Veränderung ihres Erregungs- zustandes erfahren müssen; eine Mannigfaltigkeit von Bewegun- gen begleitet daher ebenso wie mancherlei Gefühle der Unlust, die ersten Lebensaugenblicke unvermeidlich. Doch die Seele würde bei der Ueberzahl der gleichzeitigen Eindrücke, die hier auf sie einstürmen, und bei der Stumpfheit ihrer ungeübten Wahr- nehmungskraft wenig Nutzen von ihnen ziehen, wenn nicht auch späterhin die Bewegungen der Glieder noch häufig auf diesem mechanischen Wege durch das periodische Wachsen der physi- schen Nervenerregungen sich wiederholten. Und da diese Be- wegungen von den Centraltheilen ausgehen, in denen die Nerven so verflochten sind, daß ein einzelner Anstoß sie gruppenweis in zweckmäßiger Verbindung anregt, so wird dieser physiologi- sche Mechanismus jedem Thiere die seiner Gattung eigenthüm- lichen Bewegungen öfter wieder vorführen, ehe es lernt, sie für seine Zwecke zu benutzen.... Dieselben Bewegungen, die wir durch innere Erregung der Centralorgane zwecklos und ohne Bezug auf äußere Objecte entstehen sahen, werden jedoch auch auf demselben automatischen Wege durch äußere Reize erweckt. Sensible Nerven leiten ihre Erschütterung bis zu den Central- organen; dort kann der Strom der Erregung sich in zwei Arme theilen, deren einer zu dem Sitze der Seele dringend, in ihr eine Empfindung des Reizes erweckt, während der andere unmittel- bar auf die motorischen Organe fortwirkend, in ihnen mit me- chanischer Nothwendigkeit eine zweckmäßig gruppirte Bewe- gung erzeugt.“ (S. 291.) „Diese Reflexbewegungen erscheinen daher, wie die Buchstaben des Alphabets, als die einfachen Ele- mente der Zweckmäßigkeit, welche die Natur mechanisch deter- minirt der Seele zu Gebote stellt, indem sie es ihr überläßt, unter dem vereinigten Einflusse der Sinnesempfindungen und der Ueberlegung sie zu hinlänglich feinen und lenksamen Mitteln zu combiniren, um der unendlichen Mannigfaltigkeit möglicher Reize gewachsen zu sein … Nur die Beherrschung eines gegebenen Mechanismus kann für die Seele von Werth sein; ihn selbst her- vorzubringen und zu dirigiren, würde nur eine lästige und über- flüssige Erschwerung ihrer Aufgabe sein … Wie schlecht würde es um unser Leben stehen, sollte die Ueberlegung es vertheidi- gen, und nicht der Mechanismus! Man frage Jemand, wie er es anfangen würde, um fremde Körper aus der Luftröhre zu
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Umstände mit sich, daß alle Nerven des Körpers und mit ihnen
die Centralorgane eine bedeutende Veränderung ihres Erregungs-
zustandes erfahren müssen; eine Mannigfaltigkeit von Bewegun-
gen begleitet daher ebenso wie mancherlei Gefühle der Unlust,
die ersten Lebensaugenblicke unvermeidlich. Doch die Seele
würde bei der Ueberzahl der gleichzeitigen Eindrücke, die hier
auf sie einstürmen, und bei der Stumpfheit ihrer ungeübten Wahr-
nehmungskraft wenig Nutzen von ihnen ziehen, wenn nicht auch
späterhin die Bewegungen der Glieder noch häufig auf diesem
mechanischen Wege durch das periodische Wachsen der physi-
schen Nervenerregungen sich wiederholten. Und da diese Be-
wegungen von den Centraltheilen ausgehen, in denen die Nerven
so verflochten sind, daß ein einzelner Anstoß sie gruppenweis
in zweckmäßiger Verbindung anregt, so wird dieser physiologi-
sche Mechanismus jedem Thiere die seiner Gattung eigenthüm-
lichen Bewegungen öfter wieder vorführen, ehe es lernt, sie für
seine Zwecke zu benutzen.... Dieselben Bewegungen, die wir
durch innere Erregung der Centralorgane zwecklos und ohne
Bezug auf äußere Objecte entstehen sahen, werden jedoch auch
auf demselben automatischen Wege durch äußere Reize erweckt.
Sensible Nerven leiten ihre Erschütterung bis zu den Central-
organen; dort kann der Strom der Erregung sich in zwei Arme
theilen, deren einer zu dem Sitze der Seele dringend, in ihr eine
Empfindung des Reizes erweckt, während der andere unmittel-
bar auf die motorischen Organe fortwirkend, in ihnen mit me-
chanischer Nothwendigkeit eine zweckmäßig gruppirte Bewe-
gung erzeugt.“ (S. 291.) „Diese Reflexbewegungen erscheinen
daher, wie die Buchstaben des Alphabets, als die einfachen Ele-
mente der Zweckmäßigkeit, welche die Natur mechanisch deter-
minirt der Seele zu Gebote stellt, indem sie es ihr überläßt,
unter dem vereinigten Einflusse der Sinnesempfindungen und der
Ueberlegung sie zu hinlänglich feinen und lenksamen Mitteln zu
combiniren, um der unendlichen Mannigfaltigkeit möglicher Reize
gewachsen zu sein … Nur die Beherrschung eines gegebenen
Mechanismus kann für die Seele von Werth sein; ihn selbst her-
vorzubringen und zu dirigiren, würde nur eine lästige und über-
flüssige Erschwerung ihrer Aufgabe sein … Wie schlecht würde
es um unser Leben stehen, sollte die Ueberlegung es vertheidi-
gen, und nicht der Mechanismus! Man frage Jemand, wie er
es anfangen würde, um fremde Körper aus der Luftröhre zu
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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