Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sich an dieser Gefälligkeit des Aeußern unbedingt erfreuen, oder ob man, wie Staffler anführt, mit manchem alten Vater klagen soll, daß der Sohn nebst dem fremden Gelde auch fremde Sitte nach Hause gebracht habe, unverträglich mit der einfachen Denkweise und dem stillen Leben des heimathlichen Thales.

Eine angenehme Mahnung an die Nähe der Schweiz ist die Reinlichkeit; die saubere Haltung im Innern der vorarlbergischen Häuser. Insbesondere thut sich durch solchen Schmuck der Bregenzer Wald und das Montavon hervor. Die Gasthäuser an der Poststraße können sich in Trefflichkeit der Bewirthung fast mit den helvetischen messen und unterscheiden sich von diesen nur merklich durch billigere Zechen.

Bei der nationalen Verschiedenheit der vorarlbergischen Einwohnerschaft ist zu erwarten, daß auch in dem Charakter der einzelnen Gebiete sich Verschiedenheiten aussprechen. Nachbarlicher Scharfblick und selbstschmeichelnde Vergleichung hat sich auch längst darauf verlegt sie heraus zu spüren und die nöthigen Ausdrücke dafür zu finden. Es wäre übrigens boshaft den Vorarlbergern nachzusagen, sie hätten sich selbst sehr glücklich getroffen, wenn sie behaupten, daß die Leute des Bregenzer Waldes stolz und übermüthig, die Walser schlau und verschlagen, die Montavoner noch verschlagener und dazu auch unversöhnlich rachgierig seyen. Unbefangene Beurtheiler werden da vielleicht mildere Bezeichnungen vorziehen, die dann auch besser auf den Durchschnitt passen mögen.

Was die den Montavonern vorgeworfene Verschlagenheit betrifft, so lebt in diesen germanisirten Romanen, wie Männer versichern, die mit ihnen in Geschäften standen, allerdings eine große Gewandtheit, die für ihren Vortheil sprechenden Gründe herauszuheben, alle Bedenken aber, die entgegenstehen, mit Feinheit zu verhüllen. Auch Witz und beißende Satyre werden ihnen allgemein zugeschrieben. Der Verstand der Vorarlberger insgesammt läßt sie aber selten in der Gefahr, von den Montavonern übervortheilt zu werden, umkommen. List und Feinheit, die wohl in allen Bergvölkern schlummern, sind in einzelnen Köpfen allenthalben zum Durchbruch gekommen.

sich an dieser Gefälligkeit des Aeußern unbedingt erfreuen, oder ob man, wie Staffler anführt, mit manchem alten Vater klagen soll, daß der Sohn nebst dem fremden Gelde auch fremde Sitte nach Hause gebracht habe, unverträglich mit der einfachen Denkweise und dem stillen Leben des heimathlichen Thales.

Eine angenehme Mahnung an die Nähe der Schweiz ist die Reinlichkeit; die saubere Haltung im Innern der vorarlbergischen Häuser. Insbesondere thut sich durch solchen Schmuck der Bregenzer Wald und das Montavon hervor. Die Gasthäuser an der Poststraße können sich in Trefflichkeit der Bewirthung fast mit den helvetischen messen und unterscheiden sich von diesen nur merklich durch billigere Zechen.

Bei der nationalen Verschiedenheit der vorarlbergischen Einwohnerschaft ist zu erwarten, daß auch in dem Charakter der einzelnen Gebiete sich Verschiedenheiten aussprechen. Nachbarlicher Scharfblick und selbstschmeichelnde Vergleichung hat sich auch längst darauf verlegt sie heraus zu spüren und die nöthigen Ausdrücke dafür zu finden. Es wäre übrigens boshaft den Vorarlbergern nachzusagen, sie hätten sich selbst sehr glücklich getroffen, wenn sie behaupten, daß die Leute des Bregenzer Waldes stolz und übermüthig, die Walser schlau und verschlagen, die Montavoner noch verschlagener und dazu auch unversöhnlich rachgierig seyen. Unbefangene Beurtheiler werden da vielleicht mildere Bezeichnungen vorziehen, die dann auch besser auf den Durchschnitt passen mögen.

Was die den Montavonern vorgeworfene Verschlagenheit betrifft, so lebt in diesen germanisirten Romanen, wie Männer versichern, die mit ihnen in Geschäften standen, allerdings eine große Gewandtheit, die für ihren Vortheil sprechenden Gründe herauszuheben, alle Bedenken aber, die entgegenstehen, mit Feinheit zu verhüllen. Auch Witz und beißende Satyre werden ihnen allgemein zugeschrieben. Der Verstand der Vorarlberger insgesammt läßt sie aber selten in der Gefahr, von den Montavonern übervortheilt zu werden, umkommen. List und Feinheit, die wohl in allen Bergvölkern schlummern, sind in einzelnen Köpfen allenthalben zum Durchbruch gekommen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="184"/>
sich an dieser Gefälligkeit des Aeußern unbedingt erfreuen, oder ob man, wie Staffler anführt, mit manchem alten Vater klagen soll, daß der Sohn nebst dem fremden Gelde auch fremde Sitte nach Hause gebracht habe, unverträglich mit der einfachen Denkweise und dem stillen Leben des heimathlichen Thales.</p>
        <p>Eine angenehme Mahnung an die Nähe der Schweiz ist die Reinlichkeit; die saubere Haltung im Innern der vorarlbergischen Häuser. Insbesondere thut sich durch solchen Schmuck der Bregenzer Wald und das Montavon hervor. Die Gasthäuser an der Poststraße können sich in Trefflichkeit der Bewirthung fast mit den helvetischen messen und unterscheiden sich von diesen nur merklich durch billigere Zechen.</p>
        <p>Bei der nationalen Verschiedenheit der vorarlbergischen Einwohnerschaft ist zu erwarten, daß auch in dem Charakter der einzelnen Gebiete sich Verschiedenheiten aussprechen. Nachbarlicher Scharfblick und selbstschmeichelnde Vergleichung hat sich auch längst darauf verlegt sie heraus zu spüren und die nöthigen Ausdrücke dafür zu finden. Es wäre übrigens boshaft den Vorarlbergern nachzusagen, sie hätten sich selbst sehr glücklich getroffen, wenn sie behaupten, daß die Leute des Bregenzer Waldes stolz und übermüthig, die Walser schlau und verschlagen, die Montavoner noch verschlagener und dazu auch unversöhnlich rachgierig seyen. Unbefangene Beurtheiler werden da vielleicht mildere Bezeichnungen vorziehen, die dann auch besser auf den Durchschnitt passen mögen.</p>
        <p>Was die den Montavonern vorgeworfene Verschlagenheit betrifft, so lebt in diesen germanisirten Romanen, wie Männer versichern, die mit ihnen in Geschäften standen, allerdings eine große Gewandtheit, die für ihren Vortheil sprechenden Gründe herauszuheben, alle Bedenken aber, die entgegenstehen, mit Feinheit zu verhüllen. Auch Witz und beißende Satyre werden ihnen allgemein zugeschrieben. Der Verstand der Vorarlberger insgesammt läßt sie aber selten in der Gefahr, von den Montavonern übervortheilt zu werden, umkommen. List und Feinheit, die wohl in allen Bergvölkern schlummern, sind in einzelnen Köpfen allenthalben zum Durchbruch gekommen.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0189] sich an dieser Gefälligkeit des Aeußern unbedingt erfreuen, oder ob man, wie Staffler anführt, mit manchem alten Vater klagen soll, daß der Sohn nebst dem fremden Gelde auch fremde Sitte nach Hause gebracht habe, unverträglich mit der einfachen Denkweise und dem stillen Leben des heimathlichen Thales. Eine angenehme Mahnung an die Nähe der Schweiz ist die Reinlichkeit; die saubere Haltung im Innern der vorarlbergischen Häuser. Insbesondere thut sich durch solchen Schmuck der Bregenzer Wald und das Montavon hervor. Die Gasthäuser an der Poststraße können sich in Trefflichkeit der Bewirthung fast mit den helvetischen messen und unterscheiden sich von diesen nur merklich durch billigere Zechen. Bei der nationalen Verschiedenheit der vorarlbergischen Einwohnerschaft ist zu erwarten, daß auch in dem Charakter der einzelnen Gebiete sich Verschiedenheiten aussprechen. Nachbarlicher Scharfblick und selbstschmeichelnde Vergleichung hat sich auch längst darauf verlegt sie heraus zu spüren und die nöthigen Ausdrücke dafür zu finden. Es wäre übrigens boshaft den Vorarlbergern nachzusagen, sie hätten sich selbst sehr glücklich getroffen, wenn sie behaupten, daß die Leute des Bregenzer Waldes stolz und übermüthig, die Walser schlau und verschlagen, die Montavoner noch verschlagener und dazu auch unversöhnlich rachgierig seyen. Unbefangene Beurtheiler werden da vielleicht mildere Bezeichnungen vorziehen, die dann auch besser auf den Durchschnitt passen mögen. Was die den Montavonern vorgeworfene Verschlagenheit betrifft, so lebt in diesen germanisirten Romanen, wie Männer versichern, die mit ihnen in Geschäften standen, allerdings eine große Gewandtheit, die für ihren Vortheil sprechenden Gründe herauszuheben, alle Bedenken aber, die entgegenstehen, mit Feinheit zu verhüllen. Auch Witz und beißende Satyre werden ihnen allgemein zugeschrieben. Der Verstand der Vorarlberger insgesammt läßt sie aber selten in der Gefahr, von den Montavonern übervortheilt zu werden, umkommen. List und Feinheit, die wohl in allen Bergvölkern schlummern, sind in einzelnen Köpfen allenthalben zum Durchbruch gekommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/189
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/189>, abgerufen am 17.05.2024.