Aus der güldenen Bulla Caroli IV. cap. 30. §. 2., welche An. 1356. zu Nürnberg verfertiget worden, ist zu ersehen: welcher gestalt man der vier weltlichen Churfürsten, nemlich des Königes von Böhmen, des Pfaltz-Graffens beym Rhein, des Hertzogs von Sachsen, und des Marggraffens zu Brandenburg, Söhne, Erben und Nachfolger, obligiret, sich nebst ihrer Deut- schen Mutter-Sprache, auch in der Grammatica (wodurch sonder Zweifel die Lateinische Sprache verstanden wird) Jtaliänischen und Sclavoni- schen instruiren zu lassen, dergestalt: daß sie noch für dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra- chen pefectioniret würden. Woraus gar deut- lich abzunehmen, daß man der Lateinischen den Vorzug für den andern zugeeignet, massen denn die güldene Bulla selbst in dieser Sprache verfer- tiget worden; die Jtaliänische aber deswegen er- lernet werden müssen, weil die Lombardie, als der gröste Theil Jtaliens, zu dem Römi- schen Reiche gehörig, auch der Churfürst von Cöln über solches Reich Cantzler gewesen, und sonder Zweifel ein besonderes Archiv dieses Reichs wird gehabt haben. Die Sclavonische Sprache aber hielte man deswegen für die Chur- fürsten und derer Printzen nöthig, weil selbige eine der so genenneten lingvarum cardinalium, die damahlige Hof-Sprache, (so wie heut zu Tage die Frantzösische) und im Königreich und respe-
ctive
Hoff-Ceremoniel.
§. 13.
Aus der guͤldenen Bulla Caroli IV. cap. 30. §. 2., welche An. 1356. zu Nuͤrnberg verfertiget worden, iſt zu erſehen: welcher geſtalt man der vier weltlichen Churfuͤrſten, nemlich des Koͤniges von Boͤhmen, des Pfaltz-Graffens beym Rhein, des Hertzogs von Sachſen, und des Marggraffens zu Brandenburg, Soͤhne, Erben und Nachfolger, obligiret, ſich nebſt ihrer Deut- ſchen Mutter-Sprache, auch in der Grammatica (wodurch ſonder Zweifel die Lateiniſche Sprache verſtanden wird) Jtaliaͤniſchen und Sclavoni- ſchen inſtruiren zu laſſen, dergeſtalt: daß ſie noch fuͤr dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra- chen pefectioniret wuͤrden. Woraus gar deut- lich abzunehmen, daß man der Lateiniſchen den Vorzug fuͤr den andern zugeeignet, maſſen denn die guͤldene Bulla ſelbſt in dieſer Sprache verfer- tiget worden; die Jtaliaͤniſche aber deswegen er- lernet werden muͤſſen, weil die Lombardie, als der groͤſte Theil Jtaliens, zu dem Roͤmi- ſchen Reiche gehoͤrig, auch der Churfuͤrſt von Coͤln uͤber ſolches Reich Cantzler geweſen, und ſonder Zweifel ein beſonderes Archiv dieſes Reichs wird gehabt haben. Die Sclavoniſche Sprache aber hielte man deswegen fuͤr die Chur- fuͤrſten und derer Printzen noͤthig, weil ſelbige eine der ſo genenneten lingvarum cardinalium, die damahlige Hof-Sprache, (ſo wie heut zu Tage die Frantzoͤſiſche) und im Koͤnigreich und reſpe-
ctive
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0375"n="347"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Hoff-</hi><hirendition="#aq">Ceremoniel.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 13.</head><p>Aus der guͤldenen Bulla <hirendition="#aq">Caroli IV.<lb/>
cap.</hi> 30. §. 2., welche <hirendition="#aq">An.</hi> 1356. zu Nuͤrnberg<lb/>
verfertiget worden, iſt zu erſehen: welcher geſtalt<lb/>
man der vier weltlichen Churfuͤrſten, nemlich des<lb/>
Koͤniges von Boͤhmen, des Pfaltz-Graffens<lb/>
beym Rhein, des Hertzogs von Sachſen, und des<lb/>
Marggraffens zu Brandenburg, Soͤhne, Erben<lb/>
und Nachfolger, <hirendition="#aq">obligi</hi>ret, ſich nebſt ihrer Deut-<lb/>ſchen Mutter-Sprache, auch in der <hirendition="#aq">Grammatica</hi><lb/>
(wodurch ſonder Zweifel die Lateiniſche Sprache<lb/>
verſtanden wird) Jtaliaͤniſchen und Sclavoni-<lb/>ſchen <hirendition="#aq">inſtrui</hi>ren zu laſſen, dergeſtalt: daß ſie noch<lb/>
fuͤr dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra-<lb/>
chen <hirendition="#aq">pefectioni</hi>ret wuͤrden. Woraus gar deut-<lb/>
lich abzunehmen, daß man der Lateiniſchen den<lb/>
Vorzug fuͤr den andern zugeeignet, maſſen denn<lb/>
die guͤldene Bulla ſelbſt in dieſer Sprache verfer-<lb/>
tiget worden; die Jtaliaͤniſche aber deswegen er-<lb/>
lernet werden muͤſſen, weil die <hirendition="#aq">Lombard</hi>ie,<lb/>
als der groͤſte Theil Jtaliens, zu dem Roͤmi-<lb/>ſchen Reiche gehoͤrig, auch der Churfuͤrſt von<lb/>
Coͤln uͤber ſolches Reich Cantzler geweſen, und<lb/>ſonder Zweifel ein beſonderes <hirendition="#aq">Arch</hi>iv dieſes<lb/>
Reichs wird gehabt haben. Die Sclavoniſche<lb/>
Sprache aber hielte man deswegen fuͤr die Chur-<lb/>
fuͤrſten und derer Printzen noͤthig, weil ſelbige eine<lb/>
der ſo genenneten <hirendition="#aq">lingvarum cardinalium,</hi> die<lb/>
damahlige Hof-Sprache, (ſo wie heut zu Tage<lb/>
die Frantzoͤſiſche) und im Koͤnigreich und <hirendition="#aq">reſpe-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">ctive</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[347/0375]
Hoff-Ceremoniel.
§. 13. Aus der guͤldenen Bulla Caroli IV.
cap. 30. §. 2., welche An. 1356. zu Nuͤrnberg
verfertiget worden, iſt zu erſehen: welcher geſtalt
man der vier weltlichen Churfuͤrſten, nemlich des
Koͤniges von Boͤhmen, des Pfaltz-Graffens
beym Rhein, des Hertzogs von Sachſen, und des
Marggraffens zu Brandenburg, Soͤhne, Erben
und Nachfolger, obligiret, ſich nebſt ihrer Deut-
ſchen Mutter-Sprache, auch in der Grammatica
(wodurch ſonder Zweifel die Lateiniſche Sprache
verſtanden wird) Jtaliaͤniſchen und Sclavoni-
ſchen inſtruiren zu laſſen, dergeſtalt: daß ſie noch
fuͤr dem vierzehenden Jahre in gemeldten Spra-
chen pefectioniret wuͤrden. Woraus gar deut-
lich abzunehmen, daß man der Lateiniſchen den
Vorzug fuͤr den andern zugeeignet, maſſen denn
die guͤldene Bulla ſelbſt in dieſer Sprache verfer-
tiget worden; die Jtaliaͤniſche aber deswegen er-
lernet werden muͤſſen, weil die Lombardie,
als der groͤſte Theil Jtaliens, zu dem Roͤmi-
ſchen Reiche gehoͤrig, auch der Churfuͤrſt von
Coͤln uͤber ſolches Reich Cantzler geweſen, und
ſonder Zweifel ein beſonderes Archiv dieſes
Reichs wird gehabt haben. Die Sclavoniſche
Sprache aber hielte man deswegen fuͤr die Chur-
fuͤrſten und derer Printzen noͤthig, weil ſelbige eine
der ſo genenneten lingvarum cardinalium, die
damahlige Hof-Sprache, (ſo wie heut zu Tage
die Frantzoͤſiſche) und im Koͤnigreich und reſpe-
ctive
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/375>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.