a) Weil die Deutsche, Spanische, Engel- ländische, Schwedische, Dänische, Pohlnische, Moscowitische etc. Sprachen sich nicht viel wei- ter erstrecken, und geredet werden, als in den Rei- chen, darinnen sie das Bürger-Recht besitzen: aus- ser ihrem Vaterlande aber wenig, was sonderlich das Reden betrifft, gebräuchlich, und der Jugend nicht beygebracht werden; dahingegen fast kein Hoff, Universität, Ritter-Academie, und Tri- vial-Schule zu finden, an welchen man nicht Pro- fessores, Lectores, oder Sprach-Meister, theils salariret, theils toleriret, der Jugend, sonderlich der Adelichen, und welche den Hoff zu frequen- tiren gesonnen, die Frantzösische und Jtaliänische Sprache beyzubringen: dergleichen Glücke das Latein nicht allerwegen, wenigstens nicht mit so guten Profit der Lehrenden hat.
b) Jst das viele Reisen der jungen Cavalliers nach Franckreich eine nicht geringe Ursache, daß die Frantzösische Sprache allen Nationen so fa- miliair worden. Denn weil man keinen für voll- kommen achtet, welcher nicht eine Zeit seine Exer- citia und Sprachen in Franckreich getrieben und erlernet, hätte er auch gleich sonsten ausser Franck- reich die gantze Welt durchwandert; so ist es fast ein malum necessarium worden, in benentes Königreich auf eine Zeit zu gehen, von dannen
man
Europaͤiſches
rain ſo ſehr als andere Nationen ſelber Schuld.
a) Weil die Deutſche, Spaniſche, Engel- laͤndiſche, Schwediſche, Daͤniſche, Pohlniſche, Moſcowitiſche ꝛc. Sprachen ſich nicht viel wei- ter erſtrecken, und geredet werden, als in den Rei- chen, darinnen ſie das Buͤrger-Recht beſitzen: auſ- ſer ihrem Vaterlande aber wenig, was ſonderlich das Reden betrifft, gebraͤuchlich, und der Jugend nicht beygebracht werden; dahingegen faſt kein Hoff, Univerſitaͤt, Ritter-Academie, und Tri- vial-Schule zu finden, an welchen man nicht Pro- feſſores, Lectores, oder Sprach-Meiſter, theils ſalariret, theils toleriret, der Jugend, ſonderlich der Adelichen, und welche den Hoff zu frequen- tiren geſonnen, die Frantzoͤſiſche und Jtaliaͤniſche Sprache beyzubringen: dergleichen Gluͤcke das Latein nicht allerwegen, wenigſtens nicht mit ſo guten Profit der Lehrenden hat.
b) Jſt das viele Reiſen der jungen Cavalliers nach Franckreich eine nicht geringe Urſache, daß die Frantzoͤſiſche Sprache allen Nationen ſo fa- miliair worden. Denn weil man keinen fuͤr voll- kommen achtet, welcher nicht eine Zeit ſeine Exer- citia und Sprachen in Franckreich getrieben und erlernet, haͤtte er auch gleich ſonſten auſſer Franck- reich die gantze Welt durchwandert; ſo iſt es faſt ein malum neceſſarium worden, in benentes Koͤnigreich auf eine Zeit zu gehen, von dannen
man
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Europaͤiſches
rain ſo ſehr als andere Nationen ſelber
Schuld.
a) Weil die Deutſche, Spaniſche, Engel-
laͤndiſche, Schwediſche, Daͤniſche, Pohlniſche,
Moſcowitiſche ꝛc. Sprachen ſich nicht viel wei-
ter erſtrecken, und geredet werden, als in den Rei-
chen, darinnen ſie das Buͤrger-Recht beſitzen: auſ-
ſer ihrem Vaterlande aber wenig, was ſonderlich
das Reden betrifft, gebraͤuchlich, und der Jugend
nicht beygebracht werden; dahingegen faſt kein
Hoff, Univerſitaͤt, Ritter-Academie, und Tri-
vial-Schule zu finden, an welchen man nicht Pro-
feſſores, Lectores, oder Sprach-Meiſter, theils
ſalariret, theils toleriret, der Jugend, ſonderlich
der Adelichen, und welche den Hoff zu frequen-
tiren geſonnen, die Frantzoͤſiſche und Jtaliaͤniſche
Sprache beyzubringen: dergleichen Gluͤcke das
Latein nicht allerwegen, wenigſtens nicht mit ſo
guten Profit der Lehrenden hat.
b) Jſt das viele Reiſen der jungen Cavalliers
nach Franckreich eine nicht geringe Urſache, daß
die Frantzoͤſiſche Sprache allen Nationen ſo fa-
miliair worden. Denn weil man keinen fuͤr voll-
kommen achtet, welcher nicht eine Zeit ſeine Exer-
citia und Sprachen in Franckreich getrieben und
erlernet, haͤtte er auch gleich ſonſten auſſer Franck-
reich die gantze Welt durchwandert; ſo iſt es faſt
ein malum neceſſarium worden, in benentes
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/384>, abgerufen am 24.11.2024.
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