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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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in das Speisezimmer hinab begeben hatte, fand ich
dort eine Magd mit den Vorbereitungen zu dem
Frühmale beschäftigt, und fragte nach dem Herrn.

"Er ist in dem Garten auf der Fütterungstenne,"
sagte sie.

"Und wo ist die Fütterungstenne, wie du es
nennst?" fragte ich.

"Gleich hinter dem Hause und nicht weit von den
Glashäusern," erwiederte sie.

Ich ging hinaus, und schlug die Richtung gegen
das Gewächshaus ein.

Vor demselben fand ich meinen Gastfreund auf
einem Sandplaze. Es war derselbe Plaz, von dem
aus ich schon gestern das Gewächshaus mit seiner
schmalen Seite und dem kleinen Schornsteine gesehen
hatte. Diese Seite war mit Rosen bekleidet, daß das
Haus wie ein zweites kleines Rosenhäuschen hervor
sah. Mein Gastfreund war in einer seltsamen Be¬
schäftigung begriffen. Eine Unzahl Vögel befand sich
vor ihm auf dem Sande. Er hatte eine Art von
länglichem geflochtenem Korbdeckel in der Hand, und
streuete aus demselben Futter unter die Vögel. Er
schien sich daran zu ergözen, wie sie pickten, sich über¬
kletterten, überstürzten und kollerten, wie die gesättig¬

in das Speiſezimmer hinab begeben hatte, fand ich
dort eine Magd mit den Vorbereitungen zu dem
Frühmale beſchäftigt, und fragte nach dem Herrn.

„Er iſt in dem Garten auf der Fütterungstenne,“
ſagte ſie.

„Und wo iſt die Fütterungstenne, wie du es
nennſt?“ fragte ich.

„Gleich hinter dem Hauſe und nicht weit von den
Glashäuſern,“ erwiederte ſie.

Ich ging hinaus, und ſchlug die Richtung gegen
das Gewächshaus ein.

Vor demſelben fand ich meinen Gaſtfreund auf
einem Sandplaze. Es war derſelbe Plaz, von dem
aus ich ſchon geſtern das Gewächshaus mit ſeiner
ſchmalen Seite und dem kleinen Schornſteine geſehen
hatte. Dieſe Seite war mit Roſen bekleidet, daß das
Haus wie ein zweites kleines Roſenhäuschen hervor
ſah. Mein Gaſtfreund war in einer ſeltſamen Be¬
ſchäftigung begriffen. Eine Unzahl Vögel befand ſich
vor ihm auf dem Sande. Er hatte eine Art von
länglichem geflochtenem Korbdeckel in der Hand, und
ſtreuete aus demſelben Futter unter die Vögel. Er
ſchien ſich daran zu ergözen, wie ſie pickten, ſich über¬
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[119/0133] in das Speiſezimmer hinab begeben hatte, fand ich dort eine Magd mit den Vorbereitungen zu dem Frühmale beſchäftigt, und fragte nach dem Herrn. „Er iſt in dem Garten auf der Fütterungstenne,“ ſagte ſie. „Und wo iſt die Fütterungstenne, wie du es nennſt?“ fragte ich. „Gleich hinter dem Hauſe und nicht weit von den Glashäuſern,“ erwiederte ſie. Ich ging hinaus, und ſchlug die Richtung gegen das Gewächshaus ein. Vor demſelben fand ich meinen Gaſtfreund auf einem Sandplaze. Es war derſelbe Plaz, von dem aus ich ſchon geſtern das Gewächshaus mit ſeiner ſchmalen Seite und dem kleinen Schornſteine geſehen hatte. Dieſe Seite war mit Roſen bekleidet, daß das Haus wie ein zweites kleines Roſenhäuschen hervor ſah. Mein Gaſtfreund war in einer ſeltſamen Be¬ ſchäftigung begriffen. Eine Unzahl Vögel befand ſich vor ihm auf dem Sande. Er hatte eine Art von länglichem geflochtenem Korbdeckel in der Hand, und ſtreuete aus demſelben Futter unter die Vögel. Er ſchien ſich daran zu ergözen, wie ſie pickten, ſich über¬ kletterten, überſtürzten und kollerten, wie die geſättig¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/133>, abgerufen am 13.05.2024.