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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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so viel Vermögen, um unabhängig leben zu können,
und gehe in der Welt herum, um sie anzusehen. Ich
habe wohl vor Kurzem alle Wissenschaften angefan¬
gen; aber davon bin ich zurückgekommen, und habe
mir nur hauptsächlich die einzelne Wissenschaft der
Erdbildung zur Aufgabe gemacht. Um die Werke,
welche ich hierin lese, zu ergänzen, suche ich auf
den Reisen, die ich in verschiedene Landestheile
mache, zu beobachten, schreibe meine Erfahrungen
auf, und verfertige Zeichnungen. Da die Werke vor¬
züglich von Gebirgen handeln, so suche ich auch vor¬
züglich die Gebirge auf. Sie enthalten sonst auch vie¬
les, das mir lieb ist."

"Diese Wissenschaft ist eine sehr weite," entgeg¬
nete mein Gastfreund, "wenn sie in der Bedeutung der
Erdgeschichte genommen wird. Sie schließt manche
Wissenschaften ein, und sezt manche voraus. Die
Berge sind wohl jezt, wo diese Wissenschaft noch jung
ist, und wo man ihre ersten und greifbarsten Züge
sammelt, von der größten Bedeutung; aber es wird
auch die Ebene an die Reihe kommen, und ihre ein¬
fache und schwerer zu entziffernde Frage wird gewiß
nicht von geringerer Wichtigkeit sein."

"Sie wird gewiß wichtig sein," antwortete ich.

ſo viel Vermögen, um unabhängig leben zu können,
und gehe in der Welt herum, um ſie anzuſehen. Ich
habe wohl vor Kurzem alle Wiſſenſchaften angefan¬
gen; aber davon bin ich zurückgekommen, und habe
mir nur hauptſächlich die einzelne Wiſſenſchaft der
Erdbildung zur Aufgabe gemacht. Um die Werke,
welche ich hierin leſe, zu ergänzen, ſuche ich auf
den Reiſen, die ich in verſchiedene Landestheile
mache, zu beobachten, ſchreibe meine Erfahrungen
auf, und verfertige Zeichnungen. Da die Werke vor¬
züglich von Gebirgen handeln, ſo ſuche ich auch vor¬
züglich die Gebirge auf. Sie enthalten ſonſt auch vie¬
les, das mir lieb iſt.“

„Dieſe Wiſſenſchaft iſt eine ſehr weite,“ entgeg¬
nete mein Gaſtfreund, „wenn ſie in der Bedeutung der
Erdgeſchichte genommen wird. Sie ſchließt manche
Wiſſenſchaften ein, und ſezt manche voraus. Die
Berge ſind wohl jezt, wo dieſe Wiſſenſchaft noch jung
iſt, und wo man ihre erſten und greifbarſten Züge
ſammelt, von der größten Bedeutung; aber es wird
auch die Ebene an die Reihe kommen, und ihre ein¬
fache und ſchwerer zu entziffernde Frage wird gewiß
nicht von geringerer Wichtigkeit ſein.“

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[188/0202] ſo viel Vermögen, um unabhängig leben zu können, und gehe in der Welt herum, um ſie anzuſehen. Ich habe wohl vor Kurzem alle Wiſſenſchaften angefan¬ gen; aber davon bin ich zurückgekommen, und habe mir nur hauptſächlich die einzelne Wiſſenſchaft der Erdbildung zur Aufgabe gemacht. Um die Werke, welche ich hierin leſe, zu ergänzen, ſuche ich auf den Reiſen, die ich in verſchiedene Landestheile mache, zu beobachten, ſchreibe meine Erfahrungen auf, und verfertige Zeichnungen. Da die Werke vor¬ züglich von Gebirgen handeln, ſo ſuche ich auch vor¬ züglich die Gebirge auf. Sie enthalten ſonſt auch vie¬ les, das mir lieb iſt.“ „Dieſe Wiſſenſchaft iſt eine ſehr weite,“ entgeg¬ nete mein Gaſtfreund, „wenn ſie in der Bedeutung der Erdgeſchichte genommen wird. Sie ſchließt manche Wiſſenſchaften ein, und ſezt manche voraus. Die Berge ſind wohl jezt, wo dieſe Wiſſenſchaft noch jung iſt, und wo man ihre erſten und greifbarſten Züge ſammelt, von der größten Bedeutung; aber es wird auch die Ebene an die Reihe kommen, und ihre ein¬ fache und ſchwerer zu entziffernde Frage wird gewiß nicht von geringerer Wichtigkeit ſein.“ „Sie wird gewiß wichtig ſein,“ antwortete ich.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/202>, abgerufen am 13.05.2024.