Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn sie auch später Sämereien fressen, nähren doch ihre Jungen von Raupen Insekten Würmern, und da diese Jungen so schnell wachsen, und so zu sagen unauf¬ hörlich essen, so bringt ein einziges Paar in einem einzigen Tage eine erkleckliche Menge von solchen Thierchen in das Nest, was erst hundert Paare in zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬ gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬ len, wie zahlreich sie auch sein können, werden von den geschäftigen Eltern durchsucht. Sprechen wir von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬ ven und Eier mögen noch so klein sein, von den scharfen spähenden Augen eines Vogels werden sie entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinsten Nahrungsstückchen bringen, weil dieselben, wenn sie dem Ei entschlüpft sind, selber kaum so groß wie eine Fliege oder eine kleine Spinne sind. Gehen wir end¬ lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der Aufenthaltsorte der Insekten über, so sind sie dadurch nicht vor dem Schnabel der Vögel geschüzt, wenn sie für ihre Jungen oder sich Nahrung brauchen. Was wäre einem Vogel leicht unzugänglich? In die höchsten
Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn ſie auch ſpäter Sämereien freſſen, nähren doch ihre Jungen von Raupen Inſekten Würmern, und da dieſe Jungen ſo ſchnell wachſen, und ſo zu ſagen unauf¬ hörlich eſſen, ſo bringt ein einziges Paar in einem einzigen Tage eine erkleckliche Menge von ſolchen Thierchen in das Neſt, was erſt hundert Paare in zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬ gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬ len, wie zahlreich ſie auch ſein können, werden von den geſchäftigen Eltern durchſucht. Sprechen wir von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬ ven und Eier mögen noch ſo klein ſein, von den ſcharfen ſpähenden Augen eines Vogels werden ſie entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinſten Nahrungsſtückchen bringen, weil dieſelben, wenn ſie dem Ei entſchlüpft ſind, ſelber kaum ſo groß wie eine Fliege oder eine kleine Spinne ſind. Gehen wir end¬ lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der Aufenthaltsorte der Inſekten über, ſo ſind ſie dadurch nicht vor dem Schnabel der Vögel geſchüzt, wenn ſie für ihre Jungen oder ſich Nahrung brauchen. Was wäre einem Vogel leicht unzugänglich? In die höchſten
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Sprechen wir von der Menge. Alle Singvögel, wenn
ſie auch ſpäter Sämereien freſſen, nähren doch ihre
Jungen von Raupen Inſekten Würmern, und da dieſe
Jungen ſo ſchnell wachſen, und ſo zu ſagen unauf¬
hörlich eſſen, ſo bringt ein einziges Paar in einem
einzigen Tage eine erkleckliche Menge von ſolchen
Thierchen in das Neſt, was erſt hundert Paare in
zehn vierzehn zwanzig Tagen. So lange brauchen un¬
gefähr die Jungen zum Flüggewerden. Und alle Stel¬
len, wie zahlreich ſie auch ſein können, werden von
den geſchäftigen Eltern durchſucht. Sprechen wir
von der Kleinheit der Thierchen. Sie oder ihre Lar¬
ven und Eier mögen noch ſo klein ſein, von den
ſcharfen ſpähenden Augen eines Vogels werden ſie
entdeckt. Ja manche Vögel, wie das Goldhähnchen
der Zaunkönig, dürfen ihren Jungen nur die kleinſten
Nahrungsſtückchen bringen, weil dieſelben, wenn ſie
dem Ei entſchlüpft ſind, ſelber kaum ſo groß wie eine
Fliege oder eine kleine Spinne ſind. Gehen wir end¬
lich auf die Abgelegenheit und Unerreichbarkeit der
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/256>, abgerufen am 21.11.2024.
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