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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Zukunft mit mir zu geschehen habe, und da that der
Vater etwas, was ihm von vielen Leuten sehr übel ge¬
nommen wurde. Er bestimmte mich nehmlich zu einem
Wissenschafter im Allgemeinen. Ich hatte bisher sehr
fleißig gelernt, und jeden neuen Gegenstand, der von
den Lehrern vorgenommen wurde, mit großem Eifer
ergriffen, so daß, wenn die Frage war, wie ich in
einem Unterrichtszweige genügt habe, das Urtheil der
Lehrer immer auf großes Lob lautete. Ich hatte den
angedeuteten Lebensberuf von dem Vater selber ver¬
langt, und er dem Verlangten zugestimmt. Ich hatte
ihn verlangt, weil mich ein gewisser Drang mei¬
nes Herzens dazu trieb. Das sah ich wohl troz mei¬
ner Jugend schon ein, daß ich nicht alle Wissenschaften
würde erlernen können; aber was und wie viel ich ler¬
nen würde, das war mir eben so unbestimmt, als mein
Gefühl unbestimmt war, welches mich zu diesen Din¬
gen trieb. Mir schwebte auch nicht ein besonderer
Nuzen vor, den ich durch mein Bestreben erreichen
wollte, sondern es war mir nur, als müßte ich so
thun, als liege etwas innerlich Gültiges und Wichti¬
ges in der Zukunft. Was ich aber im Einzelnen be¬
ginnen, und an welchem Ende ich die Sache anfassen
sollte, das wußte weder ich, noch wußten es die Mei¬

Zukunft mit mir zu geſchehen habe, und da that der
Vater etwas, was ihm von vielen Leuten ſehr übel ge¬
nommen wurde. Er beſtimmte mich nehmlich zu einem
Wiſſenſchafter im Allgemeinen. Ich hatte bisher ſehr
fleißig gelernt, und jeden neuen Gegenſtand, der von
den Lehrern vorgenommen wurde, mit großem Eifer
ergriffen, ſo daß, wenn die Frage war, wie ich in
einem Unterrichtszweige genügt habe, das Urtheil der
Lehrer immer auf großes Lob lautete. Ich hatte den
angedeuteten Lebensberuf von dem Vater ſelber ver¬
langt, und er dem Verlangten zugeſtimmt. Ich hatte
ihn verlangt, weil mich ein gewiſſer Drang mei¬
nes Herzens dazu trieb. Das ſah ich wohl troz mei¬
ner Jugend ſchon ein, daß ich nicht alle Wiſſenſchaften
würde erlernen können; aber was und wie viel ich ler¬
nen würde, das war mir eben ſo unbeſtimmt, als mein
Gefühl unbeſtimmt war, welches mich zu dieſen Din¬
gen trieb. Mir ſchwebte auch nicht ein beſonderer
Nuzen vor, den ich durch mein Beſtreben erreichen
wollte, ſondern es war mir nur, als müßte ich ſo
thun, als liege etwas innerlich Gültiges und Wichti¬
ges in der Zukunft. Was ich aber im Einzelnen be¬
ginnen, und an welchem Ende ich die Sache anfaſſen
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[15/0029] Zukunft mit mir zu geſchehen habe, und da that der Vater etwas, was ihm von vielen Leuten ſehr übel ge¬ nommen wurde. Er beſtimmte mich nehmlich zu einem Wiſſenſchafter im Allgemeinen. Ich hatte bisher ſehr fleißig gelernt, und jeden neuen Gegenſtand, der von den Lehrern vorgenommen wurde, mit großem Eifer ergriffen, ſo daß, wenn die Frage war, wie ich in einem Unterrichtszweige genügt habe, das Urtheil der Lehrer immer auf großes Lob lautete. Ich hatte den angedeuteten Lebensberuf von dem Vater ſelber ver¬ langt, und er dem Verlangten zugeſtimmt. Ich hatte ihn verlangt, weil mich ein gewiſſer Drang mei¬ nes Herzens dazu trieb. Das ſah ich wohl troz mei¬ ner Jugend ſchon ein, daß ich nicht alle Wiſſenſchaften würde erlernen können; aber was und wie viel ich ler¬ nen würde, das war mir eben ſo unbeſtimmt, als mein Gefühl unbeſtimmt war, welches mich zu dieſen Din¬ gen trieb. Mir ſchwebte auch nicht ein beſonderer Nuzen vor, den ich durch mein Beſtreben erreichen wollte, ſondern es war mir nur, als müßte ich ſo thun, als liege etwas innerlich Gültiges und Wichti¬ ges in der Zukunft. Was ich aber im Einzelnen be¬ ginnen, und an welchem Ende ich die Sache anfaſſen ſollte, das wußte weder ich, noch wußten es die Mei¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/29>, abgerufen am 28.04.2024.