Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

denen wir uns zu gewissen Stunden im Reiten üben
konnten. Im Garten hatte ich Gelegenheit, nach
einem Ziele zu springen, auf schmalen Planken zu
gehen, auf Vorrichtungen zu klettern, und mit steiner¬
nen Scheiben nach einem Ziele oder nach größtmög¬
lichster Entfernung zu werfen. Die Schwester, so
sehr sie von der Umgebung als Fräulein behandelt
wurde, liebte es doch sehr, bei sogenannten gröberen
häuslichen Arbeiten zuzugreifen, um zu zeigen, daß sie
diese Dinge nicht nur verstehe, sondern an Kraft auch
die noch übertreffe, welche von Kindheit an bei diesen
Arbeiten gewesen sind. Die Eltern legten ihr bei diesem
Beginnen nicht nur keine Hindernisse in den Weg,
sondern billigten es sogar. Außerdem trieb sie noch
das Lesen ihrer Bücher, machte Musik, besonders auf
dem Klaviere und auf der Harfe, zu der sie auch sang,
und mahlte mit Wasserfarben.

Als ich den lezten Lehrer verlor, der mich in
Sprachen unterrichtet hatte, als ich in denjenigen
wissenschaftlichen Zweigen, in welchen man einen
längeren Unterricht für nöthig gehalten hatte, weil
sie schwieriger oder wichtiger waren, solche Fortschritte
gemacht hatte, daß man einen Lehrer nicht mehr für
nothwendig erachtete, entstand die Frage, wie es in

denen wir uns zu gewiſſen Stunden im Reiten üben
konnten. Im Garten hatte ich Gelegenheit, nach
einem Ziele zu ſpringen, auf ſchmalen Planken zu
gehen, auf Vorrichtungen zu klettern, und mit ſteiner¬
nen Scheiben nach einem Ziele oder nach größtmög¬
lichſter Entfernung zu werfen. Die Schweſter, ſo
ſehr ſie von der Umgebung als Fräulein behandelt
wurde, liebte es doch ſehr, bei ſogenannten gröberen
häuslichen Arbeiten zuzugreifen, um zu zeigen, daß ſie
dieſe Dinge nicht nur verſtehe, ſondern an Kraft auch
die noch übertreffe, welche von Kindheit an bei dieſen
Arbeiten geweſen ſind. Die Eltern legten ihr bei dieſem
Beginnen nicht nur keine Hinderniſſe in den Weg,
ſondern billigten es ſogar. Außerdem trieb ſie noch
das Leſen ihrer Bücher, machte Muſik, beſonders auf
dem Klaviere und auf der Harfe, zu der ſie auch ſang,
und mahlte mit Waſſerfarben.

Als ich den lezten Lehrer verlor, der mich in
Sprachen unterrichtet hatte, als ich in denjenigen
wiſſenſchaftlichen Zweigen, in welchen man einen
längeren Unterricht für nöthig gehalten hatte, weil
ſie ſchwieriger oder wichtiger waren, ſolche Fortſchritte
gemacht hatte, daß man einen Lehrer nicht mehr für
nothwendig erachtete, entſtand die Frage, wie es in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="23"/>
denen wir uns zu gewi&#x017F;&#x017F;en Stunden im Reiten üben<lb/>
konnten. Im Garten hatte ich Gelegenheit, nach<lb/>
einem Ziele zu &#x017F;pringen, auf &#x017F;chmalen Planken zu<lb/>
gehen, auf Vorrichtungen zu klettern, und mit &#x017F;teiner¬<lb/>
nen Scheiben nach einem Ziele oder nach größtmög¬<lb/>
lich&#x017F;ter Entfernung zu werfen. Die Schwe&#x017F;ter, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;ie von der Umgebung als Fräulein behandelt<lb/>
wurde, liebte es doch &#x017F;ehr, bei &#x017F;ogenannten gröberen<lb/>
häuslichen Arbeiten zuzugreifen, um zu zeigen, daß &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;e Dinge nicht nur ver&#x017F;tehe, &#x017F;ondern an Kraft auch<lb/>
die noch übertreffe, welche von Kindheit an bei die&#x017F;en<lb/>
Arbeiten gewe&#x017F;en &#x017F;ind. Die Eltern legten ihr bei die&#x017F;em<lb/>
Beginnen nicht nur keine Hinderni&#x017F;&#x017F;e in den Weg,<lb/>
&#x017F;ondern billigten es &#x017F;ogar. Außerdem trieb &#x017F;ie noch<lb/>
das Le&#x017F;en ihrer Bücher, machte Mu&#x017F;ik, be&#x017F;onders auf<lb/>
dem Klaviere und auf der Harfe, zu der &#x017F;ie auch &#x017F;ang,<lb/>
und mahlte mit Wa&#x017F;&#x017F;erfarben.</p><lb/>
        <p>Als ich den lezten Lehrer verlor, der mich in<lb/>
Sprachen unterrichtet hatte, als ich in denjenigen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Zweigen, in welchen man einen<lb/>
längeren Unterricht für nöthig gehalten hatte, weil<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chwieriger oder wichtiger waren, &#x017F;olche Fort&#x017F;chritte<lb/>
gemacht hatte, daß man einen Lehrer nicht mehr für<lb/>
nothwendig erachtete, ent&#x017F;tand die Frage, wie es in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0037] denen wir uns zu gewiſſen Stunden im Reiten üben konnten. Im Garten hatte ich Gelegenheit, nach einem Ziele zu ſpringen, auf ſchmalen Planken zu gehen, auf Vorrichtungen zu klettern, und mit ſteiner¬ nen Scheiben nach einem Ziele oder nach größtmög¬ lichſter Entfernung zu werfen. Die Schweſter, ſo ſehr ſie von der Umgebung als Fräulein behandelt wurde, liebte es doch ſehr, bei ſogenannten gröberen häuslichen Arbeiten zuzugreifen, um zu zeigen, daß ſie dieſe Dinge nicht nur verſtehe, ſondern an Kraft auch die noch übertreffe, welche von Kindheit an bei dieſen Arbeiten geweſen ſind. Die Eltern legten ihr bei dieſem Beginnen nicht nur keine Hinderniſſe in den Weg, ſondern billigten es ſogar. Außerdem trieb ſie noch das Leſen ihrer Bücher, machte Muſik, beſonders auf dem Klaviere und auf der Harfe, zu der ſie auch ſang, und mahlte mit Waſſerfarben. Als ich den lezten Lehrer verlor, der mich in Sprachen unterrichtet hatte, als ich in denjenigen wiſſenſchaftlichen Zweigen, in welchen man einen längeren Unterricht für nöthig gehalten hatte, weil ſie ſchwieriger oder wichtiger waren, ſolche Fortſchritte gemacht hatte, daß man einen Lehrer nicht mehr für nothwendig erachtete, entſtand die Frage, wie es in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/37
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/37>, abgerufen am 27.04.2024.