Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn er dergleichen hat, so wie die Preise, die er im
Schießen etwa schon gewonnen, in ihr sind die schöne¬
ren Geschirre der Frau, besonders wenn sie Krüge aus
Zinn oder etwas aus Porzellan hat, und in ihr sind
auch die besseren Bilder des Hauses und sonstige Zier¬
den, zum Beispiel ein schönes Jesukindlein aus Wachs,
welches in weißem feinem Flaume liegt. In einer
solchen oberen Stube des Hauses eines Landmanns
wohnte ich. Das Haus war so weit von der Stadt
entfernt, daß ich die Eltern nur ein einziges Mal mit
Benuzung des Postwagens besuchen konnte, sie aber
gar nie zu mir kamen.

Dieser Aufenthalt brachte Veränderungen in mir
hervor.

Weil ich mit den Meinigen nicht zusammen kom¬
men konnte, so lebte die Sehnsucht nach Mittheilung
viel stärker in mir, als wenn ich zu Hause gewesen
wäre, und sie jeden Augenblick hätte befriedigen können.
Ich schritt also zu ausführlichen Briefen und Berichten.
Ich hatte bisher immer aus Büchern gelernt, deren
ich mir bereits eine ziemliche Menge in meine Bücher¬
kästen von meinem Gelde gekauft hatte; aber ich hatte
mich nie geübt, etwas selber in größerem Zusammen¬
hange zusammen zu stellen. Jezt mußte ich es thun,

wenn er dergleichen hat, ſo wie die Preiſe, die er im
Schießen etwa ſchon gewonnen, in ihr ſind die ſchöne¬
ren Geſchirre der Frau, beſonders wenn ſie Krüge aus
Zinn oder etwas aus Porzellan hat, und in ihr ſind
auch die beſſeren Bilder des Hauſes und ſonſtige Zier¬
den, zum Beiſpiel ein ſchönes Jeſukindlein aus Wachs,
welches in weißem feinem Flaume liegt. In einer
ſolchen oberen Stube des Hauſes eines Landmanns
wohnte ich. Das Haus war ſo weit von der Stadt
entfernt, daß ich die Eltern nur ein einziges Mal mit
Benuzung des Poſtwagens beſuchen konnte, ſie aber
gar nie zu mir kamen.

Dieſer Aufenthalt brachte Veränderungen in mir
hervor.

Weil ich mit den Meinigen nicht zuſammen kom¬
men konnte, ſo lebte die Sehnſucht nach Mittheilung
viel ſtärker in mir, als wenn ich zu Hauſe geweſen
wäre, und ſie jeden Augenblick hätte befriedigen können.
Ich ſchritt alſo zu ausführlichen Briefen und Berichten.
Ich hatte bisher immer aus Büchern gelernt, deren
ich mir bereits eine ziemliche Menge in meine Bücher¬
käſten von meinem Gelde gekauft hatte; aber ich hatte
mich nie geübt, etwas ſelber in größerem Zuſammen¬
hange zuſammen zu ſtellen. Jezt mußte ich es thun,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="32"/>
wenn er dergleichen hat, &#x017F;o wie die Prei&#x017F;e, die er im<lb/>
Schießen etwa &#x017F;chon gewonnen, in ihr &#x017F;ind die &#x017F;chöne¬<lb/>
ren Ge&#x017F;chirre der Frau, be&#x017F;onders wenn &#x017F;ie Krüge aus<lb/>
Zinn oder etwas aus Porzellan hat, und in ihr &#x017F;ind<lb/>
auch die be&#x017F;&#x017F;eren Bilder des Hau&#x017F;es und &#x017F;on&#x017F;tige Zier¬<lb/>
den, zum Bei&#x017F;piel ein &#x017F;chönes Je&#x017F;ukindlein aus Wachs,<lb/>
welches in weißem feinem Flaume liegt. In einer<lb/>
&#x017F;olchen oberen Stube des Hau&#x017F;es eines Landmanns<lb/>
wohnte ich. Das Haus war &#x017F;o weit von der Stadt<lb/>
entfernt, daß ich die Eltern nur ein einziges Mal mit<lb/>
Benuzung des Po&#x017F;twagens be&#x017F;uchen konnte, &#x017F;ie aber<lb/>
gar nie zu mir kamen.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Aufenthalt brachte Veränderungen in mir<lb/>
hervor.</p><lb/>
        <p>Weil ich mit den Meinigen nicht zu&#x017F;ammen kom¬<lb/>
men konnte, &#x017F;o lebte die Sehn&#x017F;ucht nach Mittheilung<lb/>
viel &#x017F;tärker in mir, als wenn ich zu Hau&#x017F;e gewe&#x017F;en<lb/>
wäre, und &#x017F;ie jeden Augenblick hätte befriedigen können.<lb/>
Ich &#x017F;chritt al&#x017F;o zu ausführlichen Briefen und Berichten.<lb/>
Ich hatte bisher immer aus Büchern gelernt, deren<lb/>
ich mir bereits eine ziemliche Menge in meine Bücher¬<lb/>&#x017F;ten von meinem Gelde gekauft hatte; aber ich hatte<lb/>
mich nie geübt, etwas &#x017F;elber in größerem Zu&#x017F;ammen¬<lb/>
hange zu&#x017F;ammen zu &#x017F;tellen. Jezt mußte ich es thun,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0046] wenn er dergleichen hat, ſo wie die Preiſe, die er im Schießen etwa ſchon gewonnen, in ihr ſind die ſchöne¬ ren Geſchirre der Frau, beſonders wenn ſie Krüge aus Zinn oder etwas aus Porzellan hat, und in ihr ſind auch die beſſeren Bilder des Hauſes und ſonſtige Zier¬ den, zum Beiſpiel ein ſchönes Jeſukindlein aus Wachs, welches in weißem feinem Flaume liegt. In einer ſolchen oberen Stube des Hauſes eines Landmanns wohnte ich. Das Haus war ſo weit von der Stadt entfernt, daß ich die Eltern nur ein einziges Mal mit Benuzung des Poſtwagens beſuchen konnte, ſie aber gar nie zu mir kamen. Dieſer Aufenthalt brachte Veränderungen in mir hervor. Weil ich mit den Meinigen nicht zuſammen kom¬ men konnte, ſo lebte die Sehnſucht nach Mittheilung viel ſtärker in mir, als wenn ich zu Hauſe geweſen wäre, und ſie jeden Augenblick hätte befriedigen können. Ich ſchritt alſo zu ausführlichen Briefen und Berichten. Ich hatte bisher immer aus Büchern gelernt, deren ich mir bereits eine ziemliche Menge in meine Bücher¬ käſten von meinem Gelde gekauft hatte; aber ich hatte mich nie geübt, etwas ſelber in größerem Zuſammen¬ hange zuſammen zu ſtellen. Jezt mußte ich es thun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/46
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/46>, abgerufen am 28.04.2024.