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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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ich that es gerne, und freute mich, nach und nach die
Gabe der Darstellung und Erzählung in mir wachsen
zu fühlen. Ich schritt zu immer zusammengesezteren
und geordneteren Schilderungen.

Auch eine andere Veränderung trat ein.

Ich war schon als Knabe ein großer Freund der
Wirklichkeit der Dinge gewesen, wie sie sich so in der
Schöpfung oder in dem geregelten Gange des mensch¬
lichen Lebens darstellte. Dies war oft eine große Un¬
annehmlichkeit für meine Umgebung gewesen. Ich
fragte unaufhörlich um die Namen der Dinge um ihr
Herkommen und ihren Gebrauch, und konnte mich
nicht beruhigen, wenn die Antwort eine hinausschie¬
bende war. Auch konnte ich es nicht leiden, wenn
man einen Gegenstand zu etwas Anderem machte, als
er war. Besonders kränkte es mich, wenn er, wie ich
meinte, durch seine Veränderung schlechter wurde.
Es machte mir Kummer, als man einmal einen alten
Baum des Gartens fällte, und ihn in lauter Klöze
zerlegte. Die Klöze waren nun kein Baum mehr,
und da sie morsch waren, konnte man keinen Schemel
keinen Tisch kein Kreuz kein Pferd daraus schnizen.
Als ich einmal das offene Land kennen gelernt, und
Fichten und Tannen auf den Bergen stehen gesehen

Stifter, Nachsommer. I. 3

ich that es gerne, und freute mich, nach und nach die
Gabe der Darſtellung und Erzählung in mir wachſen
zu fühlen. Ich ſchritt zu immer zuſammengeſezteren
und geordneteren Schilderungen.

Auch eine andere Veränderung trat ein.

Ich war ſchon als Knabe ein großer Freund der
Wirklichkeit der Dinge geweſen, wie ſie ſich ſo in der
Schöpfung oder in dem geregelten Gange des menſch¬
lichen Lebens darſtellte. Dies war oft eine große Un¬
annehmlichkeit für meine Umgebung geweſen. Ich
fragte unaufhörlich um die Namen der Dinge um ihr
Herkommen und ihren Gebrauch, und konnte mich
nicht beruhigen, wenn die Antwort eine hinausſchie¬
bende war. Auch konnte ich es nicht leiden, wenn
man einen Gegenſtand zu etwas Anderem machte, als
er war. Beſonders kränkte es mich, wenn er, wie ich
meinte, durch ſeine Veränderung ſchlechter wurde.
Es machte mir Kummer, als man einmal einen alten
Baum des Gartens fällte, und ihn in lauter Klöze
zerlegte. Die Klöze waren nun kein Baum mehr,
und da ſie morſch waren, konnte man keinen Schemel
keinen Tiſch kein Kreuz kein Pferd daraus ſchnizen.
Als ich einmal das offene Land kennen gelernt, und
Fichten und Tannen auf den Bergen ſtehen geſehen

Stifter, Nachſommer. I. 3
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[33/0047] ich that es gerne, und freute mich, nach und nach die Gabe der Darſtellung und Erzählung in mir wachſen zu fühlen. Ich ſchritt zu immer zuſammengeſezteren und geordneteren Schilderungen. Auch eine andere Veränderung trat ein. Ich war ſchon als Knabe ein großer Freund der Wirklichkeit der Dinge geweſen, wie ſie ſich ſo in der Schöpfung oder in dem geregelten Gange des menſch¬ lichen Lebens darſtellte. Dies war oft eine große Un¬ annehmlichkeit für meine Umgebung geweſen. Ich fragte unaufhörlich um die Namen der Dinge um ihr Herkommen und ihren Gebrauch, und konnte mich nicht beruhigen, wenn die Antwort eine hinausſchie¬ bende war. Auch konnte ich es nicht leiden, wenn man einen Gegenſtand zu etwas Anderem machte, als er war. Beſonders kränkte es mich, wenn er, wie ich meinte, durch ſeine Veränderung ſchlechter wurde. Es machte mir Kummer, als man einmal einen alten Baum des Gartens fällte, und ihn in lauter Klöze zerlegte. Die Klöze waren nun kein Baum mehr, und da ſie morſch waren, konnte man keinen Schemel keinen Tiſch kein Kreuz kein Pferd daraus ſchnizen. Als ich einmal das offene Land kennen gelernt, und Fichten und Tannen auf den Bergen ſtehen geſehen Stifter, Nachſommer. I. 3

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/47>, abgerufen am 28.04.2024.