Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

durch das Wandern wieder hungrig geworden. Ich
genoß daher von dem Aufgesezten.

Mein Beherberger sezte sich zu mir, leistete mir
Gesellschaft, aß und trank aber nichts.

Da ich fertig war, und die Eßgeräthe hingelegt
hatte, both er mir an, wenn ich nicht zu müde sei,
mich in den Garten zu führen.

Ich nahm es an.

Er läutete wieder mit dem Glöcklein, um den Be¬
fehl zu geben, daß man abräume, und führte mich
nun nicht durch den Gang, durch welchen wir herein
gekommen waren, sondern durch einen mit gewöhn¬
lichen Steinen gepflasterten in den Garten. Er hatte
jezt ein kleines Häubchen von durchbrochener Arbeit
auf seinen weißen Haaren, wie man sie gerne Kindern
aufsezt, um ihre Locken gleichsam wie in einem Neze
einzufangen.

Als wir in das Freie kamen, sah ich, daß, wäh¬
rend ich aß, die Sonne auf das Haus zu scheinen
aufgehört hatte, sie war von der Gewitterwand über¬
holt worden. Auf dem Garten so wie auf der Gegend
lag der warme trockene Schatten, wie er bei solchen
Gelegenheiten immer erscheint. Aber die Gewitter¬
wand hatte sich während meines Aufenthaltes in dem

durch das Wandern wieder hungrig geworden. Ich
genoß daher von dem Aufgeſezten.

Mein Beherberger ſezte ſich zu mir, leiſtete mir
Geſellſchaft, aß und trank aber nichts.

Da ich fertig war, und die Eßgeräthe hingelegt
hatte, both er mir an, wenn ich nicht zu müde ſei,
mich in den Garten zu führen.

Ich nahm es an.

Er läutete wieder mit dem Glöcklein, um den Be¬
fehl zu geben, daß man abräume, und führte mich
nun nicht durch den Gang, durch welchen wir herein
gekommen waren, ſondern durch einen mit gewöhn¬
lichen Steinen gepflaſterten in den Garten. Er hatte
jezt ein kleines Häubchen von durchbrochener Arbeit
auf ſeinen weißen Haaren, wie man ſie gerne Kindern
aufſezt, um ihre Locken gleichſam wie in einem Neze
einzufangen.

Als wir in das Freie kamen, ſah ich, daß, wäh¬
rend ich aß, die Sonne auf das Haus zu ſcheinen
aufgehört hatte, ſie war von der Gewitterwand über¬
holt worden. Auf dem Garten ſo wie auf der Gegend
lag der warme trockene Schatten, wie er bei ſolchen
Gelegenheiten immer erſcheint. Aber die Gewitter¬
wand hatte ſich während meines Aufenthaltes in dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="82"/>
durch das Wandern wieder hungrig geworden. Ich<lb/>
genoß daher von dem Aufge&#x017F;ezten.</p><lb/>
        <p>Mein Beherberger &#x017F;ezte &#x017F;ich zu mir, lei&#x017F;tete mir<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, aß und trank aber nichts.</p><lb/>
        <p>Da ich fertig war, und die Eßgeräthe hingelegt<lb/>
hatte, both er mir an, wenn ich nicht zu müde &#x017F;ei,<lb/>
mich in den Garten zu führen.</p><lb/>
        <p>Ich nahm es an.</p><lb/>
        <p>Er läutete wieder mit dem Glöcklein, um den Be¬<lb/>
fehl zu geben, daß man abräume, und führte mich<lb/>
nun nicht durch den Gang, durch welchen wir herein<lb/>
gekommen waren, &#x017F;ondern durch einen mit gewöhn¬<lb/>
lichen Steinen gepfla&#x017F;terten in den Garten. Er hatte<lb/>
jezt ein kleines Häubchen von durchbrochener Arbeit<lb/>
auf &#x017F;einen weißen Haaren, wie man &#x017F;ie gerne Kindern<lb/>
auf&#x017F;ezt, um ihre Locken gleich&#x017F;am wie in einem Neze<lb/>
einzufangen.</p><lb/>
        <p>Als wir in das Freie kamen, &#x017F;ah ich, daß, wäh¬<lb/>
rend ich aß, die Sonne auf das Haus zu &#x017F;cheinen<lb/>
aufgehört hatte, &#x017F;ie war von der Gewitterwand über¬<lb/>
holt worden. Auf dem Garten &#x017F;o wie auf der Gegend<lb/>
lag der warme trockene Schatten, wie er bei &#x017F;olchen<lb/>
Gelegenheiten immer er&#x017F;cheint. Aber die Gewitter¬<lb/>
wand hatte &#x017F;ich während meines Aufenthaltes in dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0096] durch das Wandern wieder hungrig geworden. Ich genoß daher von dem Aufgeſezten. Mein Beherberger ſezte ſich zu mir, leiſtete mir Geſellſchaft, aß und trank aber nichts. Da ich fertig war, und die Eßgeräthe hingelegt hatte, both er mir an, wenn ich nicht zu müde ſei, mich in den Garten zu führen. Ich nahm es an. Er läutete wieder mit dem Glöcklein, um den Be¬ fehl zu geben, daß man abräume, und führte mich nun nicht durch den Gang, durch welchen wir herein gekommen waren, ſondern durch einen mit gewöhn¬ lichen Steinen gepflaſterten in den Garten. Er hatte jezt ein kleines Häubchen von durchbrochener Arbeit auf ſeinen weißen Haaren, wie man ſie gerne Kindern aufſezt, um ihre Locken gleichſam wie in einem Neze einzufangen. Als wir in das Freie kamen, ſah ich, daß, wäh¬ rend ich aß, die Sonne auf das Haus zu ſcheinen aufgehört hatte, ſie war von der Gewitterwand über¬ holt worden. Auf dem Garten ſo wie auf der Gegend lag der warme trockene Schatten, wie er bei ſolchen Gelegenheiten immer erſcheint. Aber die Gewitter¬ wand hatte ſich während meines Aufenthaltes in dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/96
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/96>, abgerufen am 21.11.2024.