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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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dieser Stelle gleiten, ich ließ es an ihr erklingen, und
auch ich hatte das Gefühl, daß es Marmor sei, was
ich eben behandle. Weil der Plaz, an dem die Ver¬
suche gemacht wurden, doch zu augenfällig war, um
weiter gehen zu können, und ihn etwa zu verunstal¬
ten, so beschlossen wir an einem unscheinbareren einen
neuen Versuch zu machen. In der Ferse des linken
Fußes fehlte ein kleines Stückchen, dort mußte jeden¬
falls Gips eingesezt werden, dort beschlossen wir zu
forschen. Wir drehten die Gestalt mit ihrer Scheibe
in eine Lage, in welcher das helle Licht auf die Lücke
an der Ferse fiel. Es zeigte sich, daß neben der klei¬
nen Vertiefung noch ein Stückchen Gips ledig sei,
und bei der leisesten Berührung herab fallen müsse.
Wir sezten das Messer an, das Stück sprang weg,
und es zeigte sich auf dem Grunde, der blos wurde,
ein Stoff, der nicht Gips war. Das Auge sagte, es
sei Marmor. Ich holte ein Vergrößerungsglas, wir
leiteten durch Spiegel ein schimmerndes Licht auf die
Stelle, ich schaute durch das Glas auf sie, und mir
funkelten die feinen Kristalle des weißen Marmors
entgegen. Eustach sah ebenfalls durch die Linse, wir
versuchten an dem Plaze noch andere Mittel, und es
stellte sich fest, daß die untersuchte Fläche Marmor sei.

dieſer Stelle gleiten, ich ließ es an ihr erklingen, und
auch ich hatte das Gefühl, daß es Marmor ſei, was
ich eben behandle. Weil der Plaz, an dem die Ver¬
ſuche gemacht wurden, doch zu augenfällig war, um
weiter gehen zu können, und ihn etwa zu verunſtal¬
ten, ſo beſchloſſen wir an einem unſcheinbareren einen
neuen Verſuch zu machen. In der Ferſe des linken
Fußes fehlte ein kleines Stückchen, dort mußte jeden¬
falls Gips eingeſezt werden, dort beſchloſſen wir zu
forſchen. Wir drehten die Geſtalt mit ihrer Scheibe
in eine Lage, in welcher das helle Licht auf die Lücke
an der Ferſe fiel. Es zeigte ſich, daß neben der klei¬
nen Vertiefung noch ein Stückchen Gips ledig ſei,
und bei der leiſeſten Berührung herab fallen müſſe.
Wir ſezten das Meſſer an, das Stück ſprang weg,
und es zeigte ſich auf dem Grunde, der blos wurde,
ein Stoff, der nicht Gips war. Das Auge ſagte, es
ſei Marmor. Ich holte ein Vergrößerungsglas, wir
leiteten durch Spiegel ein ſchimmerndes Licht auf die
Stelle, ich ſchaute durch das Glas auf ſie, und mir
funkelten die feinen Kriſtalle des weißen Marmors
entgegen. Euſtach ſah ebenfalls durch die Linſe, wir
verſuchten an dem Plaze noch andere Mittel, und es
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[116/0130] dieſer Stelle gleiten, ich ließ es an ihr erklingen, und auch ich hatte das Gefühl, daß es Marmor ſei, was ich eben behandle. Weil der Plaz, an dem die Ver¬ ſuche gemacht wurden, doch zu augenfällig war, um weiter gehen zu können, und ihn etwa zu verunſtal¬ ten, ſo beſchloſſen wir an einem unſcheinbareren einen neuen Verſuch zu machen. In der Ferſe des linken Fußes fehlte ein kleines Stückchen, dort mußte jeden¬ falls Gips eingeſezt werden, dort beſchloſſen wir zu forſchen. Wir drehten die Geſtalt mit ihrer Scheibe in eine Lage, in welcher das helle Licht auf die Lücke an der Ferſe fiel. Es zeigte ſich, daß neben der klei¬ nen Vertiefung noch ein Stückchen Gips ledig ſei, und bei der leiſeſten Berührung herab fallen müſſe. Wir ſezten das Meſſer an, das Stück ſprang weg, und es zeigte ſich auf dem Grunde, der blos wurde, ein Stoff, der nicht Gips war. Das Auge ſagte, es ſei Marmor. Ich holte ein Vergrößerungsglas, wir leiteten durch Spiegel ein ſchimmerndes Licht auf die Stelle, ich ſchaute durch das Glas auf ſie, und mir funkelten die feinen Kriſtalle des weißen Marmors entgegen. Euſtach ſah ebenfalls durch die Linſe, wir verſuchten an dem Plaze noch andere Mittel, und es ſtellte ſich feſt, daß die unterſuchte Fläche Marmor ſei.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/130>, abgerufen am 21.11.2024.