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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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sich in jenem steinernen Schlößchen befunden habe;
denn sonst müßten sie sich entweder in dem Gebäude
oder in der Gegend vorfinden, was beides nicht der
Fall ist, oder sie müßten sehr im Verborgenen sein,
da doch sonst die Nachforschungen, welche nun schon
durch zwei Jahre angestellt und bekannt geworden
seien, die Leute veranlaßt haben dürften, die Sachen
zum Verkaufe um einen guten Kaufschilling zu brin¬
gen. Man müsse also seine Gedanken dahin richten,
daß nichts zu finden sei, und wenn doch noch etwas
gefunden würde, so müsse man es als eine unver¬
hoffte Gunst ansehen. Mein Gastfreund und ich sag¬
ten, daß wir ungefähr auf dieses Ergebniß gefaßt ge¬
wesen seien.

Als der Herbst ziemlich vorgeschritten war, begab
ich mich auf die Rückreise in meine Heimath. Es war
ein sehr heiterer Sonntagsmorgen, den ich zu meiner
Ankunft auserwählt hatte, weil ich wußte, daß an
diesem Tage der Vater zu Hause sein würde, und ich
daher den Nachmittag in dem vollen Kreise der Mei¬
nigen zubringen konnte. Ich war nicht wie gewöhn¬
lich auf einem Schiffe gekommen, sondern ich hatte
meine Wanderung längs des ganzen Gebirges gegen
Sonnenaufgang unternommen, und war dann mitter¬

ſich in jenem ſteinernen Schlößchen befunden habe;
denn ſonſt müßten ſie ſich entweder in dem Gebäude
oder in der Gegend vorfinden, was beides nicht der
Fall iſt, oder ſie müßten ſehr im Verborgenen ſein,
da doch ſonſt die Nachforſchungen, welche nun ſchon
durch zwei Jahre angeſtellt und bekannt geworden
ſeien, die Leute veranlaßt haben dürften, die Sachen
zum Verkaufe um einen guten Kaufſchilling zu brin¬
gen. Man müſſe alſo ſeine Gedanken dahin richten,
daß nichts zu finden ſei, und wenn doch noch etwas
gefunden würde, ſo müſſe man es als eine unver¬
hoffte Gunſt anſehen. Mein Gaſtfreund und ich ſag¬
ten, daß wir ungefähr auf dieſes Ergebniß gefaßt ge¬
weſen ſeien.

Als der Herbſt ziemlich vorgeſchritten war, begab
ich mich auf die Rückreiſe in meine Heimath. Es war
ein ſehr heiterer Sonntagsmorgen, den ich zu meiner
Ankunft auserwählt hatte, weil ich wußte, daß an
dieſem Tage der Vater zu Hauſe ſein würde, und ich
daher den Nachmittag in dem vollen Kreiſe der Mei¬
nigen zubringen konnte. Ich war nicht wie gewöhn¬
lich auf einem Schiffe gekommen, ſondern ich hatte
meine Wanderung längs des ganzen Gebirges gegen
Sonnenaufgang unternommen, und war dann mitter¬

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[191/0205] ſich in jenem ſteinernen Schlößchen befunden habe; denn ſonſt müßten ſie ſich entweder in dem Gebäude oder in der Gegend vorfinden, was beides nicht der Fall iſt, oder ſie müßten ſehr im Verborgenen ſein, da doch ſonſt die Nachforſchungen, welche nun ſchon durch zwei Jahre angeſtellt und bekannt geworden ſeien, die Leute veranlaßt haben dürften, die Sachen zum Verkaufe um einen guten Kaufſchilling zu brin¬ gen. Man müſſe alſo ſeine Gedanken dahin richten, daß nichts zu finden ſei, und wenn doch noch etwas gefunden würde, ſo müſſe man es als eine unver¬ hoffte Gunſt anſehen. Mein Gaſtfreund und ich ſag¬ ten, daß wir ungefähr auf dieſes Ergebniß gefaßt ge¬ weſen ſeien. Als der Herbſt ziemlich vorgeſchritten war, begab ich mich auf die Rückreiſe in meine Heimath. Es war ein ſehr heiterer Sonntagsmorgen, den ich zu meiner Ankunft auserwählt hatte, weil ich wußte, daß an dieſem Tage der Vater zu Hauſe ſein würde, und ich daher den Nachmittag in dem vollen Kreiſe der Mei¬ nigen zubringen konnte. Ich war nicht wie gewöhn¬ lich auf einem Schiffe gekommen, ſondern ich hatte meine Wanderung längs des ganzen Gebirges gegen Sonnenaufgang unternommen, und war dann mitter¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/205>, abgerufen am 17.05.2024.