Mit diesen Worten gingen wir in das Speise¬ zimmer.
Nach dem Essen wurde ich von Gustav in meine Wohnung geleitet, die immer in reinlichem Stande gehalten wurde, und die jezt von einem schwachen Feuer wohlthätig erwärmt war. Mir that eine Ruhe etwas noth, und die mäßige Wärme erquickte meine Glieder.
Im Laufe des Nachmittages sagte mein Gast¬ freund zu mir: "Es ist nie ein so schöner Spätherbst gewesen als heuer, meine Witterungsbücher weisen keinen solchen seit meinem Hiersein aus, und es sind alle Anzeichen vorhanden, daß dieser Zustand noch mehrere Tage dauern wird. Nirgends aber sind solche klare Spätherbsttage schöner als in unseren nördlichen Hochlanden. Während nicht selten in der Tiefe Mor¬ gennebel liegen, ja der Strom täglich in seinem Thale Morgens den Nebelstreifen führt, schaut auf die Häupter des Hochlandes der wolkenlose Himmel herab, und geht über sie eine reine Sonne auf, die sie auch den ganzen Tag hindurch nicht verläßt. Darum ist es auch in dieser Jahreszeit in den Hoch¬ landen verhältnißmäßig warm, und während die rauhen Nebel in der Tiefgegend schon die Blätter
Mit dieſen Worten gingen wir in das Speiſe¬ zimmer.
Nach dem Eſſen wurde ich von Guſtav in meine Wohnung geleitet, die immer in reinlichem Stande gehalten wurde, und die jezt von einem ſchwachen Feuer wohlthätig erwärmt war. Mir that eine Ruhe etwas noth, und die mäßige Wärme erquickte meine Glieder.
Im Laufe des Nachmittages ſagte mein Gaſt¬ freund zu mir: „Es iſt nie ein ſo ſchöner Spätherbſt geweſen als heuer, meine Witterungsbücher weiſen keinen ſolchen ſeit meinem Hierſein aus, und es ſind alle Anzeichen vorhanden, daß dieſer Zuſtand noch mehrere Tage dauern wird. Nirgends aber ſind ſolche klare Spätherbſttage ſchöner als in unſeren nördlichen Hochlanden. Während nicht ſelten in der Tiefe Mor¬ gennebel liegen, ja der Strom täglich in ſeinem Thale Morgens den Nebelſtreifen führt, ſchaut auf die Häupter des Hochlandes der wolkenloſe Himmel herab, und geht über ſie eine reine Sonne auf, die ſie auch den ganzen Tag hindurch nicht verläßt. Darum iſt es auch in dieſer Jahreszeit in den Hoch¬ landen verhältnißmäßig warm, und während die rauhen Nebel in der Tiefgegend ſchon die Blätter
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0218"n="204"/><p>Mit dieſen Worten gingen wir in das Speiſe¬<lb/>
zimmer.</p><lb/><p>Nach dem Eſſen wurde ich von Guſtav in meine<lb/>
Wohnung geleitet, die immer in reinlichem Stande<lb/>
gehalten wurde, und die jezt von einem ſchwachen<lb/>
Feuer wohlthätig erwärmt war. Mir that eine Ruhe<lb/>
etwas noth, und die mäßige Wärme erquickte meine<lb/>
Glieder.</p><lb/><p>Im Laufe des Nachmittages ſagte mein Gaſt¬<lb/>
freund zu mir: „Es iſt nie ein ſo ſchöner Spätherbſt<lb/>
geweſen als heuer, meine Witterungsbücher weiſen<lb/>
keinen ſolchen ſeit meinem Hierſein aus, und es ſind<lb/>
alle Anzeichen vorhanden, daß dieſer Zuſtand noch<lb/>
mehrere Tage dauern wird. Nirgends aber ſind ſolche<lb/>
klare Spätherbſttage ſchöner als in unſeren nördlichen<lb/>
Hochlanden. Während nicht ſelten in der Tiefe Mor¬<lb/>
gennebel liegen, ja der Strom täglich in ſeinem Thale<lb/>
Morgens den Nebelſtreifen führt, ſchaut auf die<lb/>
Häupter des Hochlandes der wolkenloſe Himmel<lb/>
herab, und geht über ſie eine reine Sonne auf, die<lb/>ſie auch den ganzen Tag hindurch nicht verläßt.<lb/>
Darum iſt es auch in dieſer Jahreszeit in den Hoch¬<lb/>
landen verhältnißmäßig warm, und während die<lb/>
rauhen Nebel in der Tiefgegend ſchon die Blätter<lb/></p></div></body></text></TEI>
[204/0218]
Mit dieſen Worten gingen wir in das Speiſe¬
zimmer.
Nach dem Eſſen wurde ich von Guſtav in meine
Wohnung geleitet, die immer in reinlichem Stande
gehalten wurde, und die jezt von einem ſchwachen
Feuer wohlthätig erwärmt war. Mir that eine Ruhe
etwas noth, und die mäßige Wärme erquickte meine
Glieder.
Im Laufe des Nachmittages ſagte mein Gaſt¬
freund zu mir: „Es iſt nie ein ſo ſchöner Spätherbſt
geweſen als heuer, meine Witterungsbücher weiſen
keinen ſolchen ſeit meinem Hierſein aus, und es ſind
alle Anzeichen vorhanden, daß dieſer Zuſtand noch
mehrere Tage dauern wird. Nirgends aber ſind ſolche
klare Spätherbſttage ſchöner als in unſeren nördlichen
Hochlanden. Während nicht ſelten in der Tiefe Mor¬
gennebel liegen, ja der Strom täglich in ſeinem Thale
Morgens den Nebelſtreifen führt, ſchaut auf die
Häupter des Hochlandes der wolkenloſe Himmel
herab, und geht über ſie eine reine Sonne auf, die
ſie auch den ganzen Tag hindurch nicht verläßt.
Darum iſt es auch in dieſer Jahreszeit in den Hoch¬
landen verhältnißmäßig warm, und während die
rauhen Nebel in der Tiefgegend ſchon die Blätter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/218>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.