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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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etwas weit Schöneres gebracht habe, als ich wußte.
Ich nahm mir vor, im nächsten Frühlinge viel ge¬
nauer nach den zu diesen Verkleidungen noch gehören¬
den Theilen zu forschen; ich hatte früher nur im All¬
gemeinen gefragt, jezt wollte ich aber auf das Sorg¬
fältigste in der ganzen Gegend suchen. Nachdem wir
noch eine Weile über das Werk geredet hatten, führte
mich die Mutter durch alle meine Zimmer, und zeigte
mir, was man während meiner Abwesenheit gethan
habe, um mir den Winteraufenthalt recht angenehm
zu machen. Die Schwester kam dazu, und da die
Mutter fortgegangen war, schlang sie beide Arme um
meinen Hals, küßte mich, und sagte, daß ich so gut
sei, und daß sie mich nach Vater und Mutter unter
allen Dingen, die auf der Welt sein können, am mei¬
sten und am außerordentlichsten liebe. Mir wären bei
dieser Rede bald die Thränen in die Augen getreten.

Als ich später in meinem Zimmer allein auf und
ab ging, wollte mir mein Herz immer sagen: "jezt ist
alles gut, jezt ist alles gut."

Ich kaufte mir am andern Tage eine spanische
Sprachlehre, welche mir ein Freund, der sich seit meh¬
reren Jahren mit diesen Dingen abgegeben hatte, an¬
rieth. Ich begann neben meinen anderen Arbeiten

etwas weit Schöneres gebracht habe, als ich wußte.
Ich nahm mir vor, im nächſten Frühlinge viel ge¬
nauer nach den zu dieſen Verkleidungen noch gehören¬
den Theilen zu forſchen; ich hatte früher nur im All¬
gemeinen gefragt‚ jezt wollte ich aber auf das Sorg¬
fältigſte in der ganzen Gegend ſuchen. Nachdem wir
noch eine Weile über das Werk geredet hatten, führte
mich die Mutter durch alle meine Zimmer, und zeigte
mir, was man während meiner Abweſenheit gethan
habe, um mir den Winteraufenthalt recht angenehm
zu machen. Die Schweſter kam dazu, und da die
Mutter fortgegangen war, ſchlang ſie beide Arme um
meinen Hals, küßte mich, und ſagte, daß ich ſo gut
ſei, und daß ſie mich nach Vater und Mutter unter
allen Dingen, die auf der Welt ſein können, am mei¬
ſten und am außerordentlichſten liebe. Mir wären bei
dieſer Rede bald die Thränen in die Augen getreten.

Als ich ſpäter in meinem Zimmer allein auf und
ab ging, wollte mir mein Herz immer ſagen: „jezt iſt
alles gut, jezt iſt alles gut.“

Ich kaufte mir am andern Tage eine ſpaniſche
Sprachlehre, welche mir ein Freund, der ſich ſeit meh¬
reren Jahren mit dieſen Dingen abgegeben hatte, an¬
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[13/0027] etwas weit Schöneres gebracht habe, als ich wußte. Ich nahm mir vor, im nächſten Frühlinge viel ge¬ nauer nach den zu dieſen Verkleidungen noch gehören¬ den Theilen zu forſchen; ich hatte früher nur im All¬ gemeinen gefragt‚ jezt wollte ich aber auf das Sorg¬ fältigſte in der ganzen Gegend ſuchen. Nachdem wir noch eine Weile über das Werk geredet hatten, führte mich die Mutter durch alle meine Zimmer, und zeigte mir, was man während meiner Abweſenheit gethan habe, um mir den Winteraufenthalt recht angenehm zu machen. Die Schweſter kam dazu, und da die Mutter fortgegangen war, ſchlang ſie beide Arme um meinen Hals, küßte mich, und ſagte, daß ich ſo gut ſei, und daß ſie mich nach Vater und Mutter unter allen Dingen, die auf der Welt ſein können, am mei¬ ſten und am außerordentlichſten liebe. Mir wären bei dieſer Rede bald die Thränen in die Augen getreten. Als ich ſpäter in meinem Zimmer allein auf und ab ging, wollte mir mein Herz immer ſagen: „jezt iſt alles gut, jezt iſt alles gut.“ Ich kaufte mir am andern Tage eine ſpaniſche Sprachlehre, welche mir ein Freund, der ſich ſeit meh¬ reren Jahren mit dieſen Dingen abgegeben hatte, an¬ rieth. Ich begann neben meinen anderen Arbeiten

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/27>, abgerufen am 21.11.2024.