der Steine sich gefangen nehmen lasse, und zulezt nichts begehre als diese einzige Schönheit. In dem lezten Grunde hatte mein Freund ganz besonders Recht; denn je mehr ich selber die Steine betrachtete, je mehr ich mit ihnen umging, eine desto größere Macht übten sie auf mich, daß ich begrif, daß es Menschen gibt, welche blos eine Edelsteinsammlung ohne Fas¬ sung anlegen, und sich daran ergözen. Es liegt etwas Zauberhaftes in dem feinen sammtartigen Glanze der Farbe der Edelsteine. Ich zog die farbigen vor, und so sehr die Diamanten funkelten, so ergrif mich doch mehr das einfache reiche tiefe Glühen der farbigen.
Meinen Beruf, den ich im Sommer bei Seite ge¬ sezt hatte, nahm ich wieder auf. Ich machte mir gleichsam Vorwürfe, daß ich ihn so verlassen und mich einem planlosen Leben hatte hingeben können. Ich that das, wozu der Winter gewöhnlich auser¬ sehen war, und sezte die Arbeiten der vorigen Zeiten fort. Das Regelmäßige der Beschäftigung übte bald seine sanfte Wirkung auf mich; denn was ich troz der freudigen Stimmung, in welcher ich aus meinen Er¬ ringungen in der Kunst und in der Wissenschaft war, doch Schmerzliches in mir hatte, das wich zurück, und mußte erblassen vor der festen ernsten strengen
der Steine ſich gefangen nehmen laſſe, und zulezt nichts begehre als dieſe einzige Schönheit. In dem lezten Grunde hatte mein Freund ganz beſonders Recht; denn je mehr ich ſelber die Steine betrachtete, je mehr ich mit ihnen umging, eine deſto größere Macht übten ſie auf mich, daß ich begrif, daß es Menſchen gibt, welche blos eine Edelſteinſammlung ohne Faſ¬ ſung anlegen, und ſich daran ergözen. Es liegt etwas Zauberhaftes in dem feinen ſammtartigen Glanze der Farbe der Edelſteine. Ich zog die farbigen vor, und ſo ſehr die Diamanten funkelten, ſo ergrif mich doch mehr das einfache reiche tiefe Glühen der farbigen.
Meinen Beruf, den ich im Sommer bei Seite ge¬ ſezt hatte, nahm ich wieder auf. Ich machte mir gleichſam Vorwürfe, daß ich ihn ſo verlaſſen und mich einem planloſen Leben hatte hingeben können. Ich that das, wozu der Winter gewöhnlich auser¬ ſehen war, und ſezte die Arbeiten der vorigen Zeiten fort. Das Regelmäßige der Beſchäftigung übte bald ſeine ſanfte Wirkung auf mich; denn was ich troz der freudigen Stimmung, in welcher ich aus meinen Er¬ ringungen in der Kunſt und in der Wiſſenſchaft war, doch Schmerzliches in mir hatte, das wich zurück, und mußte erblaſſen vor der feſten ernſten ſtrengen
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der Steine ſich gefangen nehmen laſſe, und zulezt
nichts begehre als dieſe einzige Schönheit. In dem
lezten Grunde hatte mein Freund ganz beſonders
Recht; denn je mehr ich ſelber die Steine betrachtete, je
mehr ich mit ihnen umging, eine deſto größere Macht
übten ſie auf mich, daß ich begrif, daß es Menſchen
gibt, welche blos eine Edelſteinſammlung ohne Faſ¬
ſung anlegen, und ſich daran ergözen. Es liegt etwas
Zauberhaftes in dem feinen ſammtartigen Glanze der
Farbe der Edelſteine. Ich zog die farbigen vor, und
ſo ſehr die Diamanten funkelten, ſo ergrif mich doch
mehr das einfache reiche tiefe Glühen der farbigen.
Meinen Beruf, den ich im Sommer bei Seite ge¬
ſezt hatte, nahm ich wieder auf. Ich machte mir
gleichſam Vorwürfe, daß ich ihn ſo verlaſſen und
mich einem planloſen Leben hatte hingeben können.
Ich that das, wozu der Winter gewöhnlich auser¬
ſehen war, und ſezte die Arbeiten der vorigen Zeiten
fort. Das Regelmäßige der Beſchäftigung übte bald
ſeine ſanfte Wirkung auf mich; denn was ich troz der
freudigen Stimmung, in welcher ich aus meinen Er¬
ringungen in der Kunſt und in der Wiſſenſchaft war,
doch Schmerzliches in mir hatte, das wich zurück,
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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