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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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oheim, der Verbindungen mit dem Künstler hatte.
Man sagt, diese Bildsäule sei der Anfang zu der
Bildsäulenliebhaberei des Vetters Mathildens gewe¬
sen. Als dieser Mann starb, fand sich ein lezter Wille
geschrieben vor, daß alle Kunstwerke an Kunstkenner
oder Kunstliebhaber nicht aber an Händler verkauft
werden, und daß das Geld dafür und die anderen
Dinge, die er hinterlassen, und zwar leztere nach
einem Schäzungswerthe unter seine entfernten Ver¬
wandten vertheilt werden sollten; denn Kinder oder
nähere Verwandte hatte er nicht. Da nun die Nimphe
weitaus das schönste Kunstwerk war, welches er be¬
saß, da Mathilde es immer bewundert hatte, da sie
schon im Besize des Sternenhofes war, und in dem¬
selben schon schöne Gemälde untergebracht hatte: so
war es ihr nicht schwer, sich als eine Kunstliebhaberin
auszuweisen, und das Bildwerk anzukaufen. Man
gönnte es ihr mehr als einem Fremden, weil auf diese
Weise das Kunstwerk gewissermaßen in der Familie
blieb, und sie überdieß auch mehr in die gemein¬
schaftliche Erbschaft zahlte, als ein Fremder gethan
haben würde. Sie brachte das ihr so liebe Werk in
den Sternenhof und stellte es dort in einem Saale
auf. Erst lange darnach wurde durch Eustachs und

oheim, der Verbindungen mit dem Künſtler hatte.
Man ſagt, dieſe Bildſäule ſei der Anfang zu der
Bildſäulenliebhaberei des Vetters Mathildens gewe¬
ſen. Als dieſer Mann ſtarb, fand ſich ein lezter Wille
geſchrieben vor, daß alle Kunſtwerke an Kunſtkenner
oder Kunſtliebhaber nicht aber an Händler verkauft
werden, und daß das Geld dafür und die anderen
Dinge, die er hinterlaſſen, und zwar leztere nach
einem Schäzungswerthe unter ſeine entfernten Ver¬
wandten vertheilt werden ſollten; denn Kinder oder
nähere Verwandte hatte er nicht. Da nun die Nimphe
weitaus das ſchönſte Kunſtwerk war, welches er be¬
ſaß, da Mathilde es immer bewundert hatte, da ſie
ſchon im Beſize des Sternenhofes war, und in dem¬
ſelben ſchon ſchöne Gemälde untergebracht hatte: ſo
war es ihr nicht ſchwer, ſich als eine Kunſtliebhaberin
auszuweiſen, und das Bildwerk anzukaufen. Man
gönnte es ihr mehr als einem Fremden, weil auf dieſe
Weiſe das Kunſtwerk gewiſſermaßen in der Familie
blieb, und ſie überdieß auch mehr in die gemein¬
ſchaftliche Erbſchaft zahlte, als ein Fremder gethan
haben würde. Sie brachte das ihr ſo liebe Werk in
den Sternenhof und ſtellte es dort in einem Saale
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[358/0372] oheim, der Verbindungen mit dem Künſtler hatte. Man ſagt, dieſe Bildſäule ſei der Anfang zu der Bildſäulenliebhaberei des Vetters Mathildens gewe¬ ſen. Als dieſer Mann ſtarb, fand ſich ein lezter Wille geſchrieben vor, daß alle Kunſtwerke an Kunſtkenner oder Kunſtliebhaber nicht aber an Händler verkauft werden, und daß das Geld dafür und die anderen Dinge, die er hinterlaſſen, und zwar leztere nach einem Schäzungswerthe unter ſeine entfernten Ver¬ wandten vertheilt werden ſollten; denn Kinder oder nähere Verwandte hatte er nicht. Da nun die Nimphe weitaus das ſchönſte Kunſtwerk war, welches er be¬ ſaß, da Mathilde es immer bewundert hatte, da ſie ſchon im Beſize des Sternenhofes war, und in dem¬ ſelben ſchon ſchöne Gemälde untergebracht hatte: ſo war es ihr nicht ſchwer, ſich als eine Kunſtliebhaberin auszuweiſen, und das Bildwerk anzukaufen. Man gönnte es ihr mehr als einem Fremden, weil auf dieſe Weiſe das Kunſtwerk gewiſſermaßen in der Familie blieb, und ſie überdieß auch mehr in die gemein¬ ſchaftliche Erbſchaft zahlte, als ein Fremder gethan haben würde. Sie brachte das ihr ſo liebe Werk in den Sternenhof und ſtellte es dort in einem Saale auf. Erſt lange darnach wurde durch Euſtachs und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/372>, abgerufen am 22.11.2024.