Ich sagte wieder: "Da ich euch nun einmal beun¬ ruhigt habe, wenn auch gegen meinen Willen, so werdet ihr mir es wohl gütig verzeihen, und ich werde mich sogleich entfernen."
"Ach nein, nein," sagte sie.
Da ich schwankte, und die Bedeutung der Worte nicht erkannte, fragte ich: "Zürnet ihr mir, Natalie?"
"Nein, ich zürne euch nicht," antwortete sie, und richtete die Augen, die sie eben niedergeschlagen hatte, wieder auf mich.
"Ihr seid auf diesen Plaz gegangen, um allein zu sein," sagte ich, "also muß ich euch verlassen."
"Wenn ihr mich nicht aus Absicht meidet, so ist es nicht ein Müssen, daß ihr mich verlasset," antwortete sie.
"Wenn es nicht eine Pflicht ist, euch zu verlassen," erwiederte ich, "so müßt ihr euren Plaz wieder ein¬ nehmen, von dem ich euch verscheucht habe. Thut es, Natalie, sezt euch auf eure frühere Stelle nieder."
Sie ließ sich auf das Bänkchen nieder ganz vorn gegen den Ausgang, und stüzte sich auf die Marmor¬ lehne.
Ich kam nun auf diese Weise zwischen sie und die Gestalt zu stehen. Da ich dieses für unschicklich hielt, so trat ich ein wenig gegen den Hintergrund. Allein
Ich ſagte wieder: „Da ich euch nun einmal beun¬ ruhigt habe, wenn auch gegen meinen Willen, ſo werdet ihr mir es wohl gütig verzeihen, und ich werde mich ſogleich entfernen.“
„Ach nein, nein,“ ſagte ſie.
Da ich ſchwankte, und die Bedeutung der Worte nicht erkannte, fragte ich: „Zürnet ihr mir, Natalie?“
„Nein, ich zürne euch nicht,“ antwortete ſie, und richtete die Augen, die ſie eben niedergeſchlagen hatte, wieder auf mich.
„Ihr ſeid auf dieſen Plaz gegangen, um allein zu ſein,“ ſagte ich, „alſo muß ich euch verlaſſen.“
„Wenn ihr mich nicht aus Abſicht meidet, ſo iſt es nicht ein Müſſen, daß ihr mich verlaſſet,“ antwortete ſie.
„Wenn es nicht eine Pflicht iſt, euch zu verlaſſen,“ erwiederte ich, „ſo müßt ihr euren Plaz wieder ein¬ nehmen, von dem ich euch verſcheucht habe. Thut es, Natalie, ſezt euch auf eure frühere Stelle nieder.“
Sie ließ ſich auf das Bänkchen nieder ganz vorn gegen den Ausgang, und ſtüzte ſich auf die Marmor¬ lehne.
Ich kam nun auf dieſe Weiſe zwiſchen ſie und die Geſtalt zu ſtehen. Da ich dieſes für unſchicklich hielt, ſo trat ich ein wenig gegen den Hintergrund. Allein
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0408"n="394"/><p>Ich ſagte wieder: „Da ich euch nun einmal beun¬<lb/>
ruhigt habe, wenn auch gegen meinen Willen, ſo<lb/>
werdet ihr mir es wohl gütig verzeihen, und ich werde<lb/>
mich ſogleich entfernen.“</p><lb/><p>„Ach nein, nein,“ſagte ſie.</p><lb/><p>Da ich ſchwankte, und die Bedeutung der Worte<lb/>
nicht erkannte, fragte ich: „Zürnet ihr mir, Natalie?“</p><lb/><p>„Nein, ich zürne euch nicht,“ antwortete ſie, und<lb/>
richtete die Augen, die ſie eben niedergeſchlagen hatte,<lb/>
wieder auf mich.</p><lb/><p>„Ihr ſeid auf dieſen Plaz gegangen, um allein zu<lb/>ſein,“ſagte ich, „alſo muß ich euch verlaſſen.“</p><lb/><p>„Wenn ihr mich nicht aus Abſicht meidet, ſo iſt es<lb/>
nicht ein Müſſen, daß ihr mich verlaſſet,“ antwortete ſie.</p><lb/><p>„Wenn es nicht eine Pflicht iſt, euch zu verlaſſen,“<lb/>
erwiederte ich, „ſo müßt ihr euren Plaz wieder ein¬<lb/>
nehmen, von dem ich euch verſcheucht habe. Thut es,<lb/>
Natalie, ſezt euch auf eure frühere Stelle nieder.“</p><lb/><p>Sie ließ ſich auf das Bänkchen nieder ganz vorn<lb/>
gegen den Ausgang, und ſtüzte ſich auf die Marmor¬<lb/>
lehne.</p><lb/><p>Ich kam nun auf dieſe Weiſe zwiſchen ſie und die<lb/>
Geſtalt zu ſtehen. Da ich dieſes für unſchicklich hielt,<lb/>ſo trat ich ein wenig gegen den Hintergrund. Allein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[394/0408]
Ich ſagte wieder: „Da ich euch nun einmal beun¬
ruhigt habe, wenn auch gegen meinen Willen, ſo
werdet ihr mir es wohl gütig verzeihen, und ich werde
mich ſogleich entfernen.“
„Ach nein, nein,“ ſagte ſie.
Da ich ſchwankte, und die Bedeutung der Worte
nicht erkannte, fragte ich: „Zürnet ihr mir, Natalie?“
„Nein, ich zürne euch nicht,“ antwortete ſie, und
richtete die Augen, die ſie eben niedergeſchlagen hatte,
wieder auf mich.
„Ihr ſeid auf dieſen Plaz gegangen, um allein zu
ſein,“ ſagte ich, „alſo muß ich euch verlaſſen.“
„Wenn ihr mich nicht aus Abſicht meidet, ſo iſt es
nicht ein Müſſen, daß ihr mich verlaſſet,“ antwortete ſie.
„Wenn es nicht eine Pflicht iſt, euch zu verlaſſen,“
erwiederte ich, „ſo müßt ihr euren Plaz wieder ein¬
nehmen, von dem ich euch verſcheucht habe. Thut es,
Natalie, ſezt euch auf eure frühere Stelle nieder.“
Sie ließ ſich auf das Bänkchen nieder ganz vorn
gegen den Ausgang, und ſtüzte ſich auf die Marmor¬
lehne.
Ich kam nun auf dieſe Weiſe zwiſchen ſie und die
Geſtalt zu ſtehen. Da ich dieſes für unſchicklich hielt,
ſo trat ich ein wenig gegen den Hintergrund. Allein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/408>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.