Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Endlich sagte sie: "Wir haben von dem Ange¬
nehmen dieses Ortes gesprochen, und sind von dem
edlen Steine des Marmors auf die Edelsteine gekom¬
men; aber eines Dinges wäre noch Erwähnung zu
thun, das diesen Ort ganz besonders auszeichnet."

"Welches Dinges?"

"Des Wassers. Nicht blos, daß dieses Wasser
vor vielen, die ich kenne, gut zur Erquickung gegen
den Durst ist, so hat sein Spielen und sein Fließen
gerade an dieser Stelle und durch diese Vorrichtungen
etwas Besänftigendes und etwas Beachtungswerthes."

"Ich fühle, wie ihr," antwortete ich, "und wie oft
habe ich dem schönen Glänzen und dem schattenden
Dunkel dieses lebendigen flüchtigen Körpers an dieser
Stelle zugesehen, eines Körpers, der wie die Luft
wohl viel bewunderungswürdiger wäre, als es die
Menschen zu erkennen scheinen."

"Ich halte auch das Wasser und die Luft für
bewunderungswürdig," entgegnete sie, "die Menschen
achten nur so wenig auf beides, weil sie überall
von ihnen umgeben sind. Das Wasser erscheint mir
als das bewegte Leben des Erdkörpers wie die Luft
sein ungeheurer Odem ist."

"Wie richtig sprecht ihr," sagte ich, "und es sind

Endlich ſagte ſie: „Wir haben von dem Ange¬
nehmen dieſes Ortes geſprochen, und ſind von dem
edlen Steine des Marmors auf die Edelſteine gekom¬
men; aber eines Dinges wäre noch Erwähnung zu
thun, das dieſen Ort ganz beſonders auszeichnet.“

„Welches Dinges?“

„Des Waſſers. Nicht blos, daß dieſes Waſſer
vor vielen, die ich kenne, gut zur Erquickung gegen
den Durſt iſt, ſo hat ſein Spielen und ſein Fließen
gerade an dieſer Stelle und durch dieſe Vorrichtungen
etwas Beſänftigendes und etwas Beachtungswerthes.“

„Ich fühle, wie ihr,“ antwortete ich, „und wie oft
habe ich dem ſchönen Glänzen und dem ſchattenden
Dunkel dieſes lebendigen flüchtigen Körpers an dieſer
Stelle zugeſehen, eines Körpers, der wie die Luft
wohl viel bewunderungswürdiger wäre, als es die
Menſchen zu erkennen ſcheinen.“

„Ich halte auch das Waſſer und die Luft für
bewunderungswürdig,“ entgegnete ſie, „die Menſchen
achten nur ſo wenig auf beides, weil ſie überall
von ihnen umgeben ſind. Das Waſſer erſcheint mir
als das bewegte Leben des Erdkörpers wie die Luft
ſein ungeheurer Odem iſt.“

„Wie richtig ſprecht ihr,“ ſagte ich, „und es ſind

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0416" n="402"/>
        <p>Endlich &#x017F;agte &#x017F;ie: &#x201E;Wir haben von dem Ange¬<lb/>
nehmen die&#x017F;es Ortes ge&#x017F;prochen, und &#x017F;ind von dem<lb/>
edlen Steine des Marmors auf die Edel&#x017F;teine gekom¬<lb/>
men; aber eines Dinges wäre noch Erwähnung zu<lb/>
thun, das die&#x017F;en Ort ganz be&#x017F;onders auszeichnet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Welches Dinges?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Des Wa&#x017F;&#x017F;ers. Nicht blos, daß die&#x017F;es Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
vor vielen, die ich kenne, gut zur Erquickung gegen<lb/>
den Dur&#x017F;t i&#x017F;t, &#x017F;o hat &#x017F;ein Spielen und &#x017F;ein Fließen<lb/>
gerade an die&#x017F;er Stelle und durch die&#x017F;e Vorrichtungen<lb/>
etwas Be&#x017F;änftigendes und etwas Beachtungswerthes.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich fühle, wie ihr,&#x201C; antwortete ich, &#x201E;und wie oft<lb/>
habe ich dem &#x017F;chönen Glänzen und dem &#x017F;chattenden<lb/>
Dunkel die&#x017F;es lebendigen flüchtigen Körpers an die&#x017F;er<lb/>
Stelle zuge&#x017F;ehen, eines Körpers, der wie die Luft<lb/>
wohl viel bewunderungswürdiger wäre, als es die<lb/>
Men&#x017F;chen zu erkennen &#x017F;cheinen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich halte auch das Wa&#x017F;&#x017F;er und die Luft für<lb/>
bewunderungswürdig,&#x201C; entgegnete &#x017F;ie, &#x201E;die Men&#x017F;chen<lb/>
achten nur &#x017F;o wenig auf beides, weil &#x017F;ie überall<lb/>
von ihnen umgeben &#x017F;ind. Das Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;cheint mir<lb/>
als das bewegte Leben des Erdkörpers wie die Luft<lb/>
&#x017F;ein ungeheurer Odem i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie richtig &#x017F;precht ihr,&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;und es &#x017F;ind<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0416] Endlich ſagte ſie: „Wir haben von dem Ange¬ nehmen dieſes Ortes geſprochen, und ſind von dem edlen Steine des Marmors auf die Edelſteine gekom¬ men; aber eines Dinges wäre noch Erwähnung zu thun, das dieſen Ort ganz beſonders auszeichnet.“ „Welches Dinges?“ „Des Waſſers. Nicht blos, daß dieſes Waſſer vor vielen, die ich kenne, gut zur Erquickung gegen den Durſt iſt, ſo hat ſein Spielen und ſein Fließen gerade an dieſer Stelle und durch dieſe Vorrichtungen etwas Beſänftigendes und etwas Beachtungswerthes.“ „Ich fühle, wie ihr,“ antwortete ich, „und wie oft habe ich dem ſchönen Glänzen und dem ſchattenden Dunkel dieſes lebendigen flüchtigen Körpers an dieſer Stelle zugeſehen, eines Körpers, der wie die Luft wohl viel bewunderungswürdiger wäre, als es die Menſchen zu erkennen ſcheinen.“ „Ich halte auch das Waſſer und die Luft für bewunderungswürdig,“ entgegnete ſie, „die Menſchen achten nur ſo wenig auf beides, weil ſie überall von ihnen umgeben ſind. Das Waſſer erſcheint mir als das bewegte Leben des Erdkörpers wie die Luft ſein ungeheurer Odem iſt.“ „Wie richtig ſprecht ihr,“ ſagte ich, „und es ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/416
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/416>, abgerufen am 24.11.2024.