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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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und größer als die Männer der neuen Zeit, und als
lasse sie der Ernst ihres Wesens und die Achtung vor
sich selbst nicht zu den Überschreitungen gelangen,
welche spätere Zeiten für schön hielten. Ich trug Ho¬
meros Äschilos Sophokles Thukidides fast auf allen
Wanderungen mit mir. Um sie zu verstehen, nahm
ich alle griechischen Sprachwerke, die mir empfohlen
waren, vor, und lernte in ihnen. Am förderlichsten
im Verstehen war aber das Lesen selber. Bei den Al¬
ten nahm ich Geschichtschreiber gerne unter Dichter,
sie schienen mir dort einander näher zu stehen als bei
den Neuen.

Da gerieth ich auch auf das Malen. Die Ge¬
birge standen im Reize und im Ganzen vor mir, wie
ich sie früher nie gesehen hatte. Sie waren meinen
Forschungen stets Theile gewesen. Sie waren jezt
Bilder so wie früher blos Gegenstände. In die Bil¬
der konnte man sich versenken, weil sie eine Tiefe hat¬
ten, die Gegenstände lagen stets ausgebreitet zur Be¬
trachtung da. So wie ich früher Gegenstände der
Natur für wissenschaftliche Zwecke gezeichnet hatte,
wie ich bei diesen Zeichnungen zur Anwendung von
Farben gekommen war, wie ich ja vor Kurzem erst
Geräthe gezeichnet und gemalt hatte: so versuchte ich

und größer als die Männer der neuen Zeit, und als
laſſe ſie der Ernſt ihres Weſens und die Achtung vor
ſich ſelbſt nicht zu den Überſchreitungen gelangen,
welche ſpätere Zeiten für ſchön hielten. Ich trug Ho¬
meros Äschilos Sophokles Thukidides faſt auf allen
Wanderungen mit mir. Um ſie zu verſtehen, nahm
ich alle griechiſchen Sprachwerke, die mir empfohlen
waren, vor, und lernte in ihnen. Am förderlichſten
im Verſtehen war aber das Leſen ſelber. Bei den Al¬
ten nahm ich Geſchichtſchreiber gerne unter Dichter,
ſie ſchienen mir dort einander näher zu ſtehen als bei
den Neuen.

Da gerieth ich auch auf das Malen. Die Ge¬
birge ſtanden im Reize und im Ganzen vor mir, wie
ich ſie früher nie geſehen hatte. Sie waren meinen
Forſchungen ſtets Theile geweſen. Sie waren jezt
Bilder ſo wie früher blos Gegenſtände. In die Bil¬
der konnte man ſich verſenken, weil ſie eine Tiefe hat¬
ten, die Gegenſtände lagen ſtets ausgebreitet zur Be¬
trachtung da. So wie ich früher Gegenſtände der
Natur für wiſſenſchaftliche Zwecke gezeichnet hatte,
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[41/0055] und größer als die Männer der neuen Zeit, und als laſſe ſie der Ernſt ihres Weſens und die Achtung vor ſich ſelbſt nicht zu den Überſchreitungen gelangen, welche ſpätere Zeiten für ſchön hielten. Ich trug Ho¬ meros Äschilos Sophokles Thukidides faſt auf allen Wanderungen mit mir. Um ſie zu verſtehen, nahm ich alle griechiſchen Sprachwerke, die mir empfohlen waren, vor, und lernte in ihnen. Am förderlichſten im Verſtehen war aber das Leſen ſelber. Bei den Al¬ ten nahm ich Geſchichtſchreiber gerne unter Dichter, ſie ſchienen mir dort einander näher zu ſtehen als bei den Neuen. Da gerieth ich auch auf das Malen. Die Ge¬ birge ſtanden im Reize und im Ganzen vor mir, wie ich ſie früher nie geſehen hatte. Sie waren meinen Forſchungen ſtets Theile geweſen. Sie waren jezt Bilder ſo wie früher blos Gegenſtände. In die Bil¬ der konnte man ſich verſenken, weil ſie eine Tiefe hat¬ ten, die Gegenſtände lagen ſtets ausgebreitet zur Be¬ trachtung da. So wie ich früher Gegenſtände der Natur für wiſſenſchaftliche Zwecke gezeichnet hatte, wie ich bei dieſen Zeichnungen zur Anwendung von Farben gekommen war, wie ich ja vor Kurzem erſt Geräthe gezeichnet und gemalt hatte: ſo verſuchte ich

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/55>, abgerufen am 21.11.2024.