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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Als wir den Ort erreicht hatten, an welchem sich
die nächste Post befand, lohnte ich den Führer meines
Wägleins ab, sendete ihn zurück, und nahm Post¬
pferde. Wir fuhren in gerader Richtung auf dem
kürzesten Wege aus dem Gebirge gegen das flachere
Land, um die Heerstraße zu gewinnen, die nach un¬
serer Heimath führte. Immer mehr und mehr sanken
die Berge hinter uns zurück, die milde Herbstsonne,
die sie beschien, färbte sie immer blauer und blauer,
die Höhen, die uns jezt begegneten, wurden stets
kleiner und kleiner, bis wir in das Land hinaus kamen,
dessen Gefilde mit lauter dem Menschen nuzbarem
Grunde bedeckt waren. Dort trafen wir auf die große
Straße. Bisher waren wir gegen Norden gefahren,
jezt änderten wir die Richtung, und fuhren dem Osten
zu. Wir hatten auch bessere Wägen.

Da wir einen Tag auf dieser Strasse gefahren
waren, ließ ich an einem Orte halten, und beschloß,
einen Tag an demselben zu bleiben; den Abend und
die Nacht brachten wir in Ruhe zu. Am andern Tage
gegen Mittag führte ich die Schwester auf einen mäßig
hohen Hügel. Der Tag war ein sehr schöner Herbst¬
tag, der Schleier, welcher im Vormittage so Hügel
als Gründe zart umwebt hatte, war einer völligen

Als wir den Ort erreicht hatten, an welchem ſich
die nächſte Poſt befand, lohnte ich den Führer meines
Wägleins ab, ſendete ihn zurück, und nahm Poſt¬
pferde. Wir fuhren in gerader Richtung auf dem
kürzeſten Wege aus dem Gebirge gegen das flachere
Land, um die Heerſtraße zu gewinnen, die nach un¬
ſerer Heimath führte. Immer mehr und mehr ſanken
die Berge hinter uns zurück, die milde Herbſtſonne,
die ſie beſchien, färbte ſie immer blauer und blauer,
die Höhen, die uns jezt begegneten, wurden ſtets
kleiner und kleiner, bis wir in das Land hinaus kamen,
deſſen Gefilde mit lauter dem Menſchen nuzbarem
Grunde bedeckt waren. Dort trafen wir auf die große
Straße. Bisher waren wir gegen Norden gefahren,
jezt änderten wir die Richtung, und fuhren dem Oſten
zu. Wir hatten auch beſſere Wägen.

Da wir einen Tag auf dieſer Straſſe gefahren
waren, ließ ich an einem Orte halten, und beſchloß,
einen Tag an demſelben zu bleiben; den Abend und
die Nacht brachten wir in Ruhe zu. Am andern Tage
gegen Mittag führte ich die Schweſter auf einen mäßig
hohen Hügel. Der Tag war ein ſehr ſchöner Herbſt¬
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als Gründe zart umwebt hatte, war einer völligen

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[137/0151] Als wir den Ort erreicht hatten, an welchem ſich die nächſte Poſt befand, lohnte ich den Führer meines Wägleins ab, ſendete ihn zurück, und nahm Poſt¬ pferde. Wir fuhren in gerader Richtung auf dem kürzeſten Wege aus dem Gebirge gegen das flachere Land, um die Heerſtraße zu gewinnen, die nach un¬ ſerer Heimath führte. Immer mehr und mehr ſanken die Berge hinter uns zurück, die milde Herbſtſonne, die ſie beſchien, färbte ſie immer blauer und blauer, die Höhen, die uns jezt begegneten, wurden ſtets kleiner und kleiner, bis wir in das Land hinaus kamen, deſſen Gefilde mit lauter dem Menſchen nuzbarem Grunde bedeckt waren. Dort trafen wir auf die große Straße. Bisher waren wir gegen Norden gefahren, jezt änderten wir die Richtung, und fuhren dem Oſten zu. Wir hatten auch beſſere Wägen. Da wir einen Tag auf dieſer Straſſe gefahren waren, ließ ich an einem Orte halten, und beſchloß, einen Tag an demſelben zu bleiben; den Abend und die Nacht brachten wir in Ruhe zu. Am andern Tage gegen Mittag führte ich die Schweſter auf einen mäßig hohen Hügel. Der Tag war ein ſehr ſchöner Herbſt¬ tag, der Schleier, welcher im Vormittage ſo Hügel als Gründe zart umwebt hatte, war einer völligen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/151>, abgerufen am 21.11.2024.