Wohlwollens und eurer Schonung gegeben," antwor¬ tete ich, "daß ich gar nicht weiß, wie ich sie verdiene; denn Vorzüge von was immer für einer Art sind gar nicht an mir."
"Das Urtheil über den Grund, woraus Achtung und Neigung oder Mißachtung und Abneigung ent¬ steht, muß immer andern überlassen werden; denn wenn man zulezt auch annähernd weiß, was man in einem Fache geleistet hat, wenn man sich auch seines guten Willens im Wandel bewußt ist, so kennt man doch alle Abschattungen seines Wesens nicht, in wie ferne sie gegen andere gerichtet sind, man kennt sie nur in der Richtung gegen sich selbst, und beide Rich¬ tungen sind sehr verschieden. Übrigens, mein lieber Sohn, wenn es auch ganz in der Ordnung ist, daß man in der Gesellschaft der Menschen einen gewissen Anstand und Abstand in Kleidern und sonstigem Be¬ nehmen zeigt, so wäre es in der eigenen Familie eine Last. Komme also in Zukunft in deinen Alltagsge¬ wändern zu mir. Und wenn ich auch kein Verwandter deiner Braut bin, so betrachte mich als einen solchen, wie etwa als ihren Pflegevater. Es wird schon alles recht werden, es wird schon alles gut werden."
Er hatte bei diesen Worten die Hand auf mein
Wohlwollens und eurer Schonung gegeben,“ antwor¬ tete ich, „daß ich gar nicht weiß, wie ich ſie verdiene; denn Vorzüge von was immer für einer Art ſind gar nicht an mir.“
„Das Urtheil über den Grund, woraus Achtung und Neigung oder Mißachtung und Abneigung ent¬ ſteht, muß immer andern überlaſſen werden; denn wenn man zulezt auch annähernd weiß, was man in einem Fache geleiſtet hat, wenn man ſich auch ſeines guten Willens im Wandel bewußt iſt, ſo kennt man doch alle Abſchattungen ſeines Weſens nicht, in wie ferne ſie gegen andere gerichtet ſind, man kennt ſie nur in der Richtung gegen ſich ſelbſt, und beide Rich¬ tungen ſind ſehr verſchieden. Übrigens, mein lieber Sohn, wenn es auch ganz in der Ordnung iſt, daß man in der Geſellſchaft der Menſchen einen gewiſſen Anſtand und Abſtand in Kleidern und ſonſtigem Be¬ nehmen zeigt, ſo wäre es in der eigenen Familie eine Laſt. Komme alſo in Zukunft in deinen Alltagsge¬ wändern zu mir. Und wenn ich auch kein Verwandter deiner Braut bin, ſo betrachte mich als einen ſolchen, wie etwa als ihren Pflegevater. Es wird ſchon alles recht werden, es wird ſchon alles gut werden.“
Er hatte bei dieſen Worten die Hand auf mein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0373"n="359"/>
Wohlwollens und eurer Schonung gegeben,“ antwor¬<lb/>
tete ich, „daß ich gar nicht weiß, wie ich ſie verdiene;<lb/>
denn Vorzüge von was immer für einer Art ſind gar<lb/>
nicht an mir.“</p><lb/><p>„Das Urtheil über den Grund, woraus Achtung<lb/>
und Neigung oder Mißachtung und Abneigung ent¬<lb/>ſteht, muß immer andern überlaſſen werden; denn<lb/>
wenn man zulezt auch annähernd weiß, was man in<lb/>
einem Fache geleiſtet hat, wenn man ſich auch ſeines<lb/>
guten Willens im Wandel bewußt iſt, ſo kennt man<lb/>
doch alle Abſchattungen ſeines Weſens nicht, in wie<lb/>
ferne ſie gegen andere gerichtet ſind, man kennt ſie<lb/>
nur in der Richtung gegen ſich ſelbſt, und beide Rich¬<lb/>
tungen ſind ſehr verſchieden. Übrigens, mein lieber<lb/>
Sohn, wenn es auch ganz in der Ordnung iſt, daß<lb/>
man in der Geſellſchaft der Menſchen einen gewiſſen<lb/>
Anſtand und Abſtand in Kleidern und ſonſtigem Be¬<lb/>
nehmen zeigt, ſo wäre es in der eigenen Familie eine<lb/>
Laſt. Komme alſo in Zukunft in deinen Alltagsge¬<lb/>
wändern zu mir. Und wenn ich auch kein Verwandter<lb/>
deiner Braut bin, ſo betrachte mich als einen ſolchen,<lb/>
wie etwa als ihren Pflegevater. Es wird ſchon alles<lb/>
recht werden, es wird ſchon alles gut werden.“</p><lb/><p>Er hatte bei dieſen Worten die Hand auf mein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[359/0373]
Wohlwollens und eurer Schonung gegeben,“ antwor¬
tete ich, „daß ich gar nicht weiß, wie ich ſie verdiene;
denn Vorzüge von was immer für einer Art ſind gar
nicht an mir.“
„Das Urtheil über den Grund, woraus Achtung
und Neigung oder Mißachtung und Abneigung ent¬
ſteht, muß immer andern überlaſſen werden; denn
wenn man zulezt auch annähernd weiß, was man in
einem Fache geleiſtet hat, wenn man ſich auch ſeines
guten Willens im Wandel bewußt iſt, ſo kennt man
doch alle Abſchattungen ſeines Weſens nicht, in wie
ferne ſie gegen andere gerichtet ſind, man kennt ſie
nur in der Richtung gegen ſich ſelbſt, und beide Rich¬
tungen ſind ſehr verſchieden. Übrigens, mein lieber
Sohn, wenn es auch ganz in der Ordnung iſt, daß
man in der Geſellſchaft der Menſchen einen gewiſſen
Anſtand und Abſtand in Kleidern und ſonſtigem Be¬
nehmen zeigt, ſo wäre es in der eigenen Familie eine
Laſt. Komme alſo in Zukunft in deinen Alltagsge¬
wändern zu mir. Und wenn ich auch kein Verwandter
deiner Braut bin, ſo betrachte mich als einen ſolchen,
wie etwa als ihren Pflegevater. Es wird ſchon alles
recht werden, es wird ſchon alles gut werden.“
Er hatte bei dieſen Worten die Hand auf mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/373>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.