Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.derhaufen über die nasse Wiese der Karschule zugehen, Als ich in die Höhe der Kalksteinhügel hinauf 9*
derhaufen über die naſſe Wieſe der Karſchule zugehen, Als ich in die Höhe der Kalkſteinhügel hinauf 9*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0144" n="131"/> derhaufen über die naſſe Wieſe der Karſchule zugehen,<lb/> wendete mich dann auch, und ſchlug den Weg in<lb/> meine Steine ein. Ich wollte nicht mehr in die Hoch¬<lb/> ſtraſſe gehen, ſondern gleich meine Leute und meinen<lb/> Arbeitsplaz aufſuchen, theils weil ich keine Zeit zu<lb/> verlieren hatte, theils weil ich ohnedem noch mit den<lb/> Reſten von Lebensmitteln verſehen war, die der<lb/> Pfarrer geſtern Abends verſchmäht hatte. Auch wollte<lb/> ich meine Leute beruhigen, die gewiß erfahren haben<lb/> würden, daß ich in der Nacht nicht in der Hochſtraſſe<lb/> geweſen ſei, und deßhalb meinetwillen beſorgt ſein<lb/> könnten.</p><lb/> <p>Als ich in die Höhe der Kalkſteinhügel hinauf<lb/> ſtieg, dachte ich an die Kinder. Wie groß doch die<lb/> Unerfahrenheit und Unſchuld iſt. Sie gehen auf das<lb/> Anſehn der Eltern dahin, wo ſie den Tod haben<lb/> können; denn die Gefahr iſt bei den Überſchwem¬<lb/> mungen der Zirder ſehr groß, und kann bei der Un¬<lb/> wiſſenheit der Kinder unberechenbar groß werden.<lb/> Aber ſie kennen den Tod nicht. Wenn ſie auch ſeinen<lb/> Namen auf den Lippen führen, ſo kennen ſie ſeine<lb/> Weſenheit nicht, und ihr emporſtrebendes Leben hat<lb/> keine Empfindung von Vernichtung. Wenn ſie ſelbſt<lb/> in den Tod geriethen, würden ſie es nicht wiſſen,<lb/> und ſie würden eher ſterben, ehe ſie es erführen.<lb/></p> <fw place="bottom" type="sig">9*<lb/></fw> </div> </body> </text> </TEI> [131/0144]
derhaufen über die naſſe Wieſe der Karſchule zugehen,
wendete mich dann auch, und ſchlug den Weg in
meine Steine ein. Ich wollte nicht mehr in die Hoch¬
ſtraſſe gehen, ſondern gleich meine Leute und meinen
Arbeitsplaz aufſuchen, theils weil ich keine Zeit zu
verlieren hatte, theils weil ich ohnedem noch mit den
Reſten von Lebensmitteln verſehen war, die der
Pfarrer geſtern Abends verſchmäht hatte. Auch wollte
ich meine Leute beruhigen, die gewiß erfahren haben
würden, daß ich in der Nacht nicht in der Hochſtraſſe
geweſen ſei, und deßhalb meinetwillen beſorgt ſein
könnten.
Als ich in die Höhe der Kalkſteinhügel hinauf
ſtieg, dachte ich an die Kinder. Wie groß doch die
Unerfahrenheit und Unſchuld iſt. Sie gehen auf das
Anſehn der Eltern dahin, wo ſie den Tod haben
können; denn die Gefahr iſt bei den Überſchwem¬
mungen der Zirder ſehr groß, und kann bei der Un¬
wiſſenheit der Kinder unberechenbar groß werden.
Aber ſie kennen den Tod nicht. Wenn ſie auch ſeinen
Namen auf den Lippen führen, ſo kennen ſie ſeine
Weſenheit nicht, und ihr emporſtrebendes Leben hat
keine Empfindung von Vernichtung. Wenn ſie ſelbſt
in den Tod geriethen, würden ſie es nicht wiſſen,
und ſie würden eher ſterben, ehe ſie es erführen.
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