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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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Als ich so dachte, hörte ich das Glöklein von dem
Thurme der Karkirche in meine Steine herein klingen,
das eben zu der Morgenmesse rief, die der Pfarrer
abhalten, und der die Kinder beiwohnen würden.

Ich ging tiefer in die Steine hinein, und fand
meine Leute, die sich freuten, mich zu sehen, und die
mir Lebensmittel gebracht hatten. --

Da ich lange in der Gegend verweilte, konnte ich
es nicht vermeiden, auch aus dem Munde der Men¬
schen manches über den Pfarrer zu hören. Da erfuhr
ich, daß es wirklich wahr sei, woran ich vermöge
seiner Aussage ohnehin nicht mehr gezweifelt hatte,
daß er schon seit vielen Jahren in seinem Vorhause
auf der hölzernen Bank schlafe, und die Bibel unter
dem Kopfe habe; daß er hiebei im Sommer nur die
grauen Wollkleider anhabe, und im Winter sich auch
einer Deke bediene. Seine Kleider trage er so lange,
und erhalte sie so beisammen, daß sich niemand erin¬
nern könne, wann er sich einmal neue angeschafft
hätte. Das obere Stokwerk seines Pfarrhofes habe
er vermiethet. Es sei ein Mann gekommen, der in
einem Amte gestanden, dann in den Ruhestand ver¬
sezt worden war, und der seinen Gehalt nun in der
Gegend verzehre, in welcher er geboren worden sei.
Er habe den Umstand, daß der Pfarrer seine Zimmer

Als ich ſo dachte, hörte ich das Glöklein von dem
Thurme der Karkirche in meine Steine herein klingen,
das eben zu der Morgenmeſſe rief, die der Pfarrer
abhalten, und der die Kinder beiwohnen würden.

Ich ging tiefer in die Steine hinein, und fand
meine Leute, die ſich freuten, mich zu ſehen, und die
mir Lebensmittel gebracht hatten. —

Da ich lange in der Gegend verweilte, konnte ich
es nicht vermeiden, auch aus dem Munde der Men¬
ſchen manches über den Pfarrer zu hören. Da erfuhr
ich, daß es wirklich wahr ſei, woran ich vermöge
ſeiner Ausſage ohnehin nicht mehr gezweifelt hatte,
daß er ſchon ſeit vielen Jahren in ſeinem Vorhauſe
auf der hölzernen Bank ſchlafe, und die Bibel unter
dem Kopfe habe; daß er hiebei im Sommer nur die
grauen Wollkleider anhabe, und im Winter ſich auch
einer Deke bediene. Seine Kleider trage er ſo lange,
und erhalte ſie ſo beiſammen, daß ſich niemand erin¬
nern könne, wann er ſich einmal neue angeſchafft
hätte. Das obere Stokwerk ſeines Pfarrhofes habe
er vermiethet. Es ſei ein Mann gekommen, der in
einem Amte geſtanden, dann in den Ruheſtand ver¬
ſezt worden war, und der ſeinen Gehalt nun in der
Gegend verzehre, in welcher er geboren worden ſei.
Er habe den Umſtand, daß der Pfarrer ſeine Zimmer

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[132/0145] Als ich ſo dachte, hörte ich das Glöklein von dem Thurme der Karkirche in meine Steine herein klingen, das eben zu der Morgenmeſſe rief, die der Pfarrer abhalten, und der die Kinder beiwohnen würden. Ich ging tiefer in die Steine hinein, und fand meine Leute, die ſich freuten, mich zu ſehen, und die mir Lebensmittel gebracht hatten. — Da ich lange in der Gegend verweilte, konnte ich es nicht vermeiden, auch aus dem Munde der Men¬ ſchen manches über den Pfarrer zu hören. Da erfuhr ich, daß es wirklich wahr ſei, woran ich vermöge ſeiner Ausſage ohnehin nicht mehr gezweifelt hatte, daß er ſchon ſeit vielen Jahren in ſeinem Vorhauſe auf der hölzernen Bank ſchlafe, und die Bibel unter dem Kopfe habe; daß er hiebei im Sommer nur die grauen Wollkleider anhabe, und im Winter ſich auch einer Deke bediene. Seine Kleider trage er ſo lange, und erhalte ſie ſo beiſammen, daß ſich niemand erin¬ nern könne, wann er ſich einmal neue angeſchafft hätte. Das obere Stokwerk ſeines Pfarrhofes habe er vermiethet. Es ſei ein Mann gekommen, der in einem Amte geſtanden, dann in den Ruheſtand ver¬ ſezt worden war, und der ſeinen Gehalt nun in der Gegend verzehre, in welcher er geboren worden ſei. Er habe den Umſtand, daß der Pfarrer ſeine Zimmer

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/145>, abgerufen am 21.11.2024.