vermiethe, benüzt, um sich mit seiner Tochter da ein¬ zumiethen, daß er immer den Schauplaz vor Augen habe, in dem er seine Kindheit zugebracht hatte. Es war mir diese Thatsache wieder ein Beweis, wie süß uns nach den Worten des Dichters der Geburtsboden zieht, und seiner nicht vergessen läßt, daß hier ein Mann eine Gegend als ein Labsal und als eine Er¬ heiterung seines Alters aufsucht, aus der jeder andere fortzukommen trachten würde. Der Pfarrer, sagte man, esse zum Frühmale und am Abende nur ein Stük schwarzen Brotes, und sein Mittagessen bereite ihm seine Dienerin Sabine, welche es in ihrer Wohnung koche, und es ihm in den Pfarrhof bringe. Es bestehe häufig aus warmer Milch oder einer Suppe oder im Sommer selbst aus kalten Dingen. Wenn er krank sei, lasse er keinen Arzt und keine Arz¬ nei kommen, sondern liege, und enthalte sich der Speisen, bis er gesund werde. Von den Einkünften seiner Miethe und seines Amtes thue er Gutes und zwar an Leute, die er sorgsam aussuche. Er habe keine Verwandten und Bekannten. Seit den Jahren, seit denen er da sei, sei niemand bei ihm auf Besuch gewesen. Alle seine Vorgänger seien nur kurze Zeit Pfarrer in dem Kar gewesen, und seien dann fortge¬ kommen; er aber sei schon sehr lange da, und es habe
vermiethe, benüzt, um ſich mit ſeiner Tochter da ein¬ zumiethen, daß er immer den Schauplaz vor Augen habe, in dem er ſeine Kindheit zugebracht hatte. Es war mir dieſe Thatſache wieder ein Beweis, wie ſüß uns nach den Worten des Dichters der Geburtsboden zieht, und ſeiner nicht vergeſſen läßt, daß hier ein Mann eine Gegend als ein Labſal und als eine Er¬ heiterung ſeines Alters aufſucht, aus der jeder andere fortzukommen trachten würde. Der Pfarrer, ſagte man, eſſe zum Frühmale und am Abende nur ein Stük ſchwarzen Brotes, und ſein Mittageſſen bereite ihm ſeine Dienerin Sabine, welche es in ihrer Wohnung koche, und es ihm in den Pfarrhof bringe. Es beſtehe häufig aus warmer Milch oder einer Suppe oder im Sommer ſelbſt aus kalten Dingen. Wenn er krank ſei, laſſe er keinen Arzt und keine Arz¬ nei kommen, ſondern liege, und enthalte ſich der Speiſen, bis er geſund werde. Von den Einkünften ſeiner Miethe und ſeines Amtes thue er Gutes und zwar an Leute, die er ſorgſam ausſuche. Er habe keine Verwandten und Bekannten. Seit den Jahren, ſeit denen er da ſei, ſei niemand bei ihm auf Beſuch geweſen. Alle ſeine Vorgänger ſeien nur kurze Zeit Pfarrer in dem Kar geweſen, und ſeien dann fortge¬ kommen; er aber ſei ſchon ſehr lange da, und es habe
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vermiethe, benüzt, um ſich mit ſeiner Tochter da ein¬
zumiethen, daß er immer den Schauplaz vor Augen
habe, in dem er ſeine Kindheit zugebracht hatte. Es
war mir dieſe Thatſache wieder ein Beweis, wie ſüß
uns nach den Worten des Dichters der Geburtsboden
zieht, und ſeiner nicht vergeſſen läßt, daß hier ein
Mann eine Gegend als ein Labſal und als eine Er¬
heiterung ſeines Alters aufſucht, aus der jeder andere
fortzukommen trachten würde. Der Pfarrer, ſagte
man, eſſe zum Frühmale und am Abende nur ein
Stük ſchwarzen Brotes, und ſein Mittageſſen bereite
ihm ſeine Dienerin Sabine, welche es in ihrer
Wohnung koche, und es ihm in den Pfarrhof bringe.
Es beſtehe häufig aus warmer Milch oder einer
Suppe oder im Sommer ſelbſt aus kalten Dingen.
Wenn er krank ſei, laſſe er keinen Arzt und keine Arz¬
nei kommen, ſondern liege, und enthalte ſich der
Speiſen, bis er geſund werde. Von den Einkünften
ſeiner Miethe und ſeines Amtes thue er Gutes und
zwar an Leute, die er ſorgſam ausſuche. Er habe
keine Verwandten und Bekannten. Seit den Jahren,
ſeit denen er da ſei, ſei niemand bei ihm auf Beſuch
geweſen. Alle ſeine Vorgänger ſeien nur kurze Zeit
Pfarrer in dem Kar geweſen, und ſeien dann fortge¬
kommen; er aber ſei ſchon ſehr lange da, und es habe
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/146>, abgerufen am 21.11.2024.
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