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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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frau und den Lehrling, die erzählten, was sie im In¬
nern des Hauses gesehen und erfahren hatten. Ich
beeilte meine Schritte, um mich und das Mädchen
aus der Menge zu bringen, und den Betrachtungen
und Verwunderungen zu entziehen, die durch den An¬
blik des ungewöhnlichen Hauptes des Mädchens
angeregt worden waren.

Ich führte es in meine Wohnung.

Dort gab ich ihm eine ordentliche Speise zu essen,
da ich vermuthen konnte, daß es seit gestern zu keinem
regelmäßigen Essen werde gekommen sein. Es mußte
auch so gewesen sein; denn das Mädchen aß mit sicht¬
lichem Vergnügen, und es schien sehr erquikt zu wer¬
den. Es sagte mir nachträglich, daß es alles Brod
gegessen habe, was in der Wohnung gewesen sei.

Wir hatten ein nach dem Garten gelegenes Ge¬
mach, das von einer alten Kinderwärterin, die schon
bei meinen Eltern im Dienste gewesen war, und
dann meine Kinder gepflegt hatte, so lange bewohnt
gewesen war, bis endlich ihre Tochter geheirathet
hatte, zu der sie dann ging, um bei ihr zu leben, und
allenfalls auch an ihren Kindern zu thun, was sie, so
lange an fremden gethan hatte. Seit jener Zeit stand
das Gemach leer; aber die Geräthe waren in demsel¬
ben geblieben. Ich ließ es nun für das mitgebrachte

frau und den Lehrling, die erzählten, was ſie im In¬
nern des Hauſes geſehen und erfahren hatten. Ich
beeilte meine Schritte, um mich und das Mädchen
aus der Menge zu bringen, und den Betrachtungen
und Verwunderungen zu entziehen, die durch den An¬
blik des ungewöhnlichen Hauptes des Mädchens
angeregt worden waren.

Ich führte es in meine Wohnung.

Dort gab ich ihm eine ordentliche Speiſe zu eſſen,
da ich vermuthen konnte, daß es ſeit geſtern zu keinem
regelmäßigen Eſſen werde gekommen ſein. Es mußte
auch ſo geweſen ſein; denn das Mädchen aß mit ſicht¬
lichem Vergnügen, und es ſchien ſehr erquikt zu wer¬
den. Es ſagte mir nachträglich, daß es alles Brod
gegeſſen habe, was in der Wohnung geweſen ſei.

Wir hatten ein nach dem Garten gelegenes Ge¬
mach, das von einer alten Kinderwärterin, die ſchon
bei meinen Eltern im Dienſte geweſen war, und
dann meine Kinder gepflegt hatte, ſo lange bewohnt
geweſen war, bis endlich ihre Tochter geheirathet
hatte, zu der ſie dann ging, um bei ihr zu leben, und
allenfalls auch an ihren Kindern zu thun, was ſie, ſo
lange an fremden gethan hatte. Seit jener Zeit ſtand
das Gemach leer; aber die Geräthe waren in demſel¬
ben geblieben. Ich ließ es nun für das mitgebrachte

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[248/0261] frau und den Lehrling, die erzählten, was ſie im In¬ nern des Hauſes geſehen und erfahren hatten. Ich beeilte meine Schritte, um mich und das Mädchen aus der Menge zu bringen, und den Betrachtungen und Verwunderungen zu entziehen, die durch den An¬ blik des ungewöhnlichen Hauptes des Mädchens angeregt worden waren. Ich führte es in meine Wohnung. Dort gab ich ihm eine ordentliche Speiſe zu eſſen, da ich vermuthen konnte, daß es ſeit geſtern zu keinem regelmäßigen Eſſen werde gekommen ſein. Es mußte auch ſo geweſen ſein; denn das Mädchen aß mit ſicht¬ lichem Vergnügen, und es ſchien ſehr erquikt zu wer¬ den. Es ſagte mir nachträglich, daß es alles Brod gegeſſen habe, was in der Wohnung geweſen ſei. Wir hatten ein nach dem Garten gelegenes Ge¬ mach, das von einer alten Kinderwärterin, die ſchon bei meinen Eltern im Dienſte geweſen war, und dann meine Kinder gepflegt hatte, ſo lange bewohnt geweſen war, bis endlich ihre Tochter geheirathet hatte, zu der ſie dann ging, um bei ihr zu leben, und allenfalls auch an ihren Kindern zu thun, was ſie, ſo lange an fremden gethan hatte. Seit jener Zeit ſtand das Gemach leer; aber die Geräthe waren in demſel¬ ben geblieben. Ich ließ es nun für das mitgebrachte

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/261>, abgerufen am 19.05.2024.