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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Freunde sich in der Stube eingefunden hatten, und
dort von dem Ereignisse redeten, die Mutter aber in
der Kammer an dem Bettchen Sannas saß, und sie
streichelte, sagte das Mädchen: "Mutter, ich habe
heute Nachts, als wir auf dem Berge sassen, den hei¬
ligen Christ gesehen."

"O du mein geduldiges, du mein liebes, du mein
herziges Kind," antwortete die Mutter, "er hat dir
auch Gaben gesendet, die du bald bekommen wirst."

Die Schachteln waren ausgepakt worden, die
Lichter waren angezündet, die Thür in die Stube
wurde geöffnet, und die Kinder sahen von dem Bette
auf den verspäteten hell leuchtenden freundlichen
Christbaum hinaus. Troz der Erschöpfung mußte
man sie noch ein wenig ankleiden, daß sie hinaus
gingen, die Gaben empfingen, bewunderten, und end¬
lich mit ihnen entschliefen.

In dem Wirthshause in Gschaid war es an die¬
sem Abende lebhafter als je. Alle, die nicht in der
Kirche gewesen waren, waren jezt dort, und die An¬
dern auch. Jeder, erzählte, was er gesehen und gehört,
was er gethan, was er gerathen, und was für Be¬
gegnisse und Gefahren er erlebt hat. Besonders aber
wurde hervorgehoben, wie man alles hätte anders
und besser machen können.

Freunde ſich in der Stube eingefunden hatten, und
dort von dem Ereigniſſe redeten, die Mutter aber in
der Kammer an dem Bettchen Sannas ſaß, und ſie
ſtreichelte, ſagte das Mädchen: „Mutter, ich habe
heute Nachts, als wir auf dem Berge ſaſſen, den hei¬
ligen Chriſt geſehen.“

„O du mein geduldiges, du mein liebes, du mein
herziges Kind,“ antwortete die Mutter, „er hat dir
auch Gaben geſendet, die du bald bekommen wirſt.“

Die Schachteln waren ausgepakt worden, die
Lichter waren angezündet, die Thür in die Stube
wurde geöffnet, und die Kinder ſahen von dem Bette
auf den verſpäteten hell leuchtenden freundlichen
Chriſtbaum hinaus. Troz der Erſchöpfung mußte
man ſie noch ein wenig ankleiden, daß ſie hinaus
gingen, die Gaben empfingen, bewunderten, und end¬
lich mit ihnen entſchliefen.

In dem Wirthshauſe in Gſchaid war es an die¬
ſem Abende lebhafter als je. Alle, die nicht in der
Kirche geweſen waren, waren jezt dort, und die An¬
dern auch. Jeder, erzählte, was er geſehen und gehört,
was er gethan, was er gerathen, und was für Be¬
gegniſſe und Gefahren er erlebt hat. Beſonders aber
wurde hervorgehoben, wie man alles hätte anders
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[91/0102] Freunde ſich in der Stube eingefunden hatten, und dort von dem Ereigniſſe redeten, die Mutter aber in der Kammer an dem Bettchen Sannas ſaß, und ſie ſtreichelte, ſagte das Mädchen: „Mutter, ich habe heute Nachts, als wir auf dem Berge ſaſſen, den hei¬ ligen Chriſt geſehen.“ „O du mein geduldiges, du mein liebes, du mein herziges Kind,“ antwortete die Mutter, „er hat dir auch Gaben geſendet, die du bald bekommen wirſt.“ Die Schachteln waren ausgepakt worden, die Lichter waren angezündet, die Thür in die Stube wurde geöffnet, und die Kinder ſahen von dem Bette auf den verſpäteten hell leuchtenden freundlichen Chriſtbaum hinaus. Troz der Erſchöpfung mußte man ſie noch ein wenig ankleiden, daß ſie hinaus gingen, die Gaben empfingen, bewunderten, und end¬ lich mit ihnen entſchliefen. In dem Wirthshauſe in Gſchaid war es an die¬ ſem Abende lebhafter als je. Alle, die nicht in der Kirche geweſen waren, waren jezt dort, und die An¬ dern auch. Jeder, erzählte, was er geſehen und gehört, was er gethan, was er gerathen, und was für Be¬ gegniſſe und Gefahren er erlebt hat. Beſonders aber wurde hervorgehoben, wie man alles hätte anders und beſſer machen können.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/102>, abgerufen am 21.11.2024.