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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Von den Eltern des Mädchens vermuthete man
keinen Widerstand, weil man sah, daß sie sich so wenig
um dasselbe kümmerten, weil sie es so in der Gegend
herum gehen ließen, weil sie sich nie meldeten, da sie
doch wissen mußten, daß das Kind oft in dem Hause
sei, und da sie die neuen Kleider sehen mußten die man
ihm gegeben hatte.

An das Haus hoffte man es zu binden, indem
man wie bisher die sanften Fäden der Liebe und Nach¬
sicht walten ließ, bis sein Herz von selber in dem
Hause sein würde, bis es nicht mehr fort ginge,
und sein Gemüth ohne Rükhalt hingäbe.

Das Mädchen hatte früher schon vieles mit den
Kindern gelernt, und man hatte es gefragt, und es
in das Gespräch gezogen, ohne daß es eine Absicht
merkte, und hatte das Gelernte geordnet und erwei¬
tert. Jezt traf man die Einrichtung, daß der junge
Priester, der den Religionsunterricht der Kinder
besorgte, zwei Mal in der Woche von der Pfarre
herüber kam, um das Mädchen Gott und die Ge¬
bräuche unserer heiligen Religion kennen zu lehren.
Die Mutter wiederholte die Lehre, und erzählte dem
Kinde von heiligen Dingen.

Das Mädchen lernte sehr feurig, und so wie es
den Kindern in körperlicher Fertigkeit und Gewandt¬

Von den Eltern des Mädchens vermuthete man
keinen Widerſtand, weil man ſah, daß ſie ſich ſo wenig
um dasſelbe kümmerten, weil ſie es ſo in der Gegend
herum gehen ließen, weil ſie ſich nie meldeten, da ſie
doch wiſſen mußten, daß das Kind oft in dem Hauſe
ſei, und da ſie die neuen Kleider ſehen mußten die man
ihm gegeben hatte.

An das Haus hoffte man es zu binden, indem
man wie bisher die ſanften Fäden der Liebe und Nach¬
ſicht walten ließ, bis ſein Herz von ſelber in dem
Hauſe ſein würde, bis es nicht mehr fort ginge,
und ſein Gemüth ohne Rükhalt hingäbe.

Das Mädchen hatte früher ſchon vieles mit den
Kindern gelernt, und man hatte es gefragt, und es
in das Geſpräch gezogen, ohne daß es eine Abſicht
merkte, und hatte das Gelernte geordnet und erwei¬
tert. Jezt traf man die Einrichtung, daß der junge
Prieſter, der den Religionsunterricht der Kinder
beſorgte, zwei Mal in der Woche von der Pfarre
herüber kam, um das Mädchen Gott und die Ge¬
bräuche unſerer heiligen Religion kennen zu lehren.
Die Mutter wiederholte die Lehre, und erzählte dem
Kinde von heiligen Dingen.

Das Mädchen lernte ſehr feurig, und ſo wie es
den Kindern in körperlicher Fertigkeit und Gewandt¬

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[203/0214] Von den Eltern des Mädchens vermuthete man keinen Widerſtand, weil man ſah, daß ſie ſich ſo wenig um dasſelbe kümmerten, weil ſie es ſo in der Gegend herum gehen ließen, weil ſie ſich nie meldeten, da ſie doch wiſſen mußten, daß das Kind oft in dem Hauſe ſei, und da ſie die neuen Kleider ſehen mußten die man ihm gegeben hatte. An das Haus hoffte man es zu binden, indem man wie bisher die ſanften Fäden der Liebe und Nach¬ ſicht walten ließ, bis ſein Herz von ſelber in dem Hauſe ſein würde, bis es nicht mehr fort ginge, und ſein Gemüth ohne Rükhalt hingäbe. Das Mädchen hatte früher ſchon vieles mit den Kindern gelernt, und man hatte es gefragt, und es in das Geſpräch gezogen, ohne daß es eine Abſicht merkte, und hatte das Gelernte geordnet und erwei¬ tert. Jezt traf man die Einrichtung, daß der junge Prieſter, der den Religionsunterricht der Kinder beſorgte, zwei Mal in der Woche von der Pfarre herüber kam, um das Mädchen Gott und die Ge¬ bräuche unſerer heiligen Religion kennen zu lehren. Die Mutter wiederholte die Lehre, und erzählte dem Kinde von heiligen Dingen. Das Mädchen lernte ſehr feurig, und ſo wie es den Kindern in körperlicher Fertigkeit und Gewandt¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/214>, abgerufen am 24.11.2024.